WirtschaftsWoche Online: Herr Schmidt-Bleek, ihr aktuelles Buch trägt den Titel „Grüne Lügen“. Darin liest man Sätze zum Thema Klimaschutz wie „Schluss mit der Volksverdummung“ oder „Es handelt sich um Augenwischerei“. Haben Sie sich in Rage geschrieben – oder regt Sie die deutsche Politik wirklich derart auf?
Friedrich Schmidt-Bleek: Es gibt Entwicklungen in der Politik, die mir Sorgen bereiten und die mich tatsächlich wütend machen und empören. Ich beschäftige mich seit Jahrzehnten mit dem Umweltschutz und kann wirklich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn ich sehe, wie Politik und Industrie auf den Klimawandel reagieren. Um nicht falsch verstanden zu werden: Der Klimawandel ist real und eine der ganz großen ökologischen Gefahren, die wir heute kennen. Wir müssen dringend umdenken, um den Planeten zu retten. Die Rezepte, die die Bundesregierung und die Wirtschaft vorschlagen – von der Energiewende bis zu Hybridautos – taugen allerdings nicht dafür. Das sind Rezepte, die die Umwelt noch kränker machen. Sie bekämpfen das Fieber der Erde mit Maßnahmen am Ende des Auspuffs, ohne sich um die Ursachen des Fiebers zu kümmern.
Zur Person
Prof. Friedrich Schmidt-Bleek ist der Pionier der Ressourcenwende und Erfinder des Faktor-10-Konzeptes. Er ist Gründungs-Vizepräsident des Wuppertal Institutes, arbeitete als Abteilungsleiter in der OECD und im IIASA und ist außerdem Initiator des „World Resources Forum Davos“. 2001 wurde Schmidt-Bleek mit dem „Takeda World Environment Award“ ausgezeichnet. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Veröffentlichungen.
Was haben Sie gegen die Energiewende, die weg von CO2-schädlichen Emissionen will und sauberen Strom unterstützt?
Sie ist ein Beispiel für das, wovon wir eben gesprochen haben. Immerzu ist von Kohlenstoffdioxidemissionen die Rede. CO2 ist aber nur ein Teilaspekt des Klimaproblems. Wenn man die öffentliche Diskussion verfolgt, könnte man tatsächlich glauben, es reiche der CO2-Fußabdruck eines Produkts oder von Strom, um festzustellen, wie ökologisch ein Gerät, eine Anlage, ja ganze Städte sind. Dem ist nicht so. Beim Klimaschutz gibt es gleich mehrere schädliche Gase, denken Sie an Methanemission von über einer Milliarde Kühen für den Fleischgenuss oder die Lachgas-Emissionen aus der Landwirtschaft. CO2 ist also nur ein Aspekt von vielen. Viel wichtiger aber: Den Kohlenstoffdioxidausstoß zu verringern, ist ein Herumdoktern an den Symptomen – wir müssen also die Ursachen angehen.
Was sind die Ursachen – und was hat das mit der Kritik an der Energiewende zu tun?
Das wahre Problem, die Ursünde unserer Wirtschaft sozusagen, ist der ungeheure Verbrauch von natürlichen Ressourcen. In jedem technischen Produkt stecken im Schnitt etwa 30 Kilogramm Natur je Kilogramm Produkt. In elektronischen Geräten ist es oft das Zehnfache. Übrigens wird bei der Produktion auch das Zehnfache an Wasser gebraucht! Die meisten unserer Güter sind also extrem materialintensiv.
Wir verbrauchen Öl, Gas, Kupfer oder Seltene Erden, aber auch Holz und Sand, in hohem Maße. Die ökologischen Folgen sind gigantisch. So wie der Abbau von Sand das Meer und die Meeresstrände aus dem Gleichgewicht bringt, stört das Abholzen von Wäldern das Ökosystem. Die Ausbreitung von Wüsten, Artenverknappung und Landflächen, die unfruchtbar sind, sind die Folgen. Noch einmal: Ökologische Probleme entstehen nicht nur durch Kohlenstoffdioxid-Emissionen. Viele unserer Umweltprobleme haben mit CO2 nichts zu tun.
Aus diesen Gründen schwitzt die Erde
Die Anzahl der Menschen auf der Erde wächst jedes Jahr um etwa 70 bis 80 Millionen Personen. Das entspricht fast der Bevölkerungsgröße Deutschlands. Bis 2050 soll laut Schätzungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung auf knapp 10 Milliarden Menschen angewachsen sein. Dass die Kinder nicht hierzulande oder bei unseren europäischen Nachbarn geboren werden, ist hinreichend bekannt. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern in Afrika und Asien wächst die Bevölkerungszahl. Dadurch wächst auch der Bedarf an Rohstoffen, Energie, Wasser und Nahrung.
Trotz Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1992 hat sich der CO2-Ausstoß kaum verringert. Lediglich als 2009 aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise viele Industriestätten weniger produzierten, sank der Wert der Kohlendioxidemission auf 784 Millionen Tonnen. Schon ein Jahr später lag der Wert wieder bei 819 Millionen Tonnen. Dabei entsteht ein Großteil der Emissionen in nur wenigen Ländern wie China, den USA und der EU.
Während Carsharing und der öffentliche Nahverkehr in Ländern wie Deutschland in Zeiten hoher Benzinkosten viele Anhänger findet, ist der weltweite Trend eindeutig ein anderer. Immer mehr PKW fahren über den Globus. 2010 wurde erstmals die Eine-Milliarde-Marke geknackt. Besonders viele Autos pro Einwohner werden in Monaco und den USA gefahren.
Der seit Mai 2012 stetig ansteigende Ölpreis hat dafür gesorgt, dass Kohle wieder an Attraktivität gewonnen hat. Die Wiederauferstehung der Kohle ist für die Umwelt eine Katstrophe. Laut BUND sind Kohlekraftwerke mehr als doppelt so klimaschädlich wie moderne Gaskraftwerke. Die großen Dampfwolken aus den Kühltürmen der Kraftwerke machen ein anderes Problem deutlich: Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht meist als ungenutzte Wärme verloren.
Das Handout der Umweltschutzorganisation WWF zeigt die illegale Abholzung eines Waldgebietes in Sumatra (Indonesien). Jährlich gehen knapp 5,6 Millionen Hektar Wald verloren. Die fortschreitende Abholzung von Regenwäldern trägt entsprechend mit zur globalen Erderwärmung bei. Denn die Wälder speichern Kohlendioxid.
Rinder sind wahre CO2-Schleudern. Die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in Brasilien erzeugt genauso viel klimaschädliches Kohlendioxid wie eine 1.600 Kilometer lange Autofahrt. In diese Rechnung fließen mehrere Faktoren ein. Zum einen können auf dem für die Rinder genutzten Weideland keine Wälder mehr wachsen. Zum anderen scheiden Rinder das klimaschädliche Gas Methan aus. Laut WWF sind in Deutschland fast 70 Prozent der direkten Treibhausemissionen auf die Ernährung mit tierischen Produkten zurückzuführen.
Nicht nur Unmengen an Verpackungsmüll produzieren die Deutschen. Wir schmeißen auch jede Menge Lebensmittel weg, pro Kopf etwa 100 Kilogramm pro Jahr. Auch diese Verschwendung wirkt sich massiv negativ auf das Klima aus.
Flugzeuge stoßen CO2, Stickoide, Wasserdampf, Ruß, Sulfat und andere Partikel aus und verpesten so die Umwelt. Die größte Klimawirkung hat laut atmosfair.de das reine CO2, das immer beim Verbrennen von Benzin oder Kerosin entsteht. Außerdem die Bildung von Schleierwolken und Kondensstreifen, der Aufbau vom Treibhausgas Ozon in einem sensiblen atmosphärischen Stockwerk sowie der Abbau von Methan.
… sondern durch den enormen Ressourcenverbrauch.
Exakt. Und jetzt komme ich zur Energiewende. Sie trägt nämlich nicht zur Entschärfung von Umweltproblemen bei, weil sie anstelle der Ursachen nur die Symptome bekämpft. Sie trägt nicht einmal maßgeblich zur Verlangsamung des Klimawandels bei. Und zwar deshalb, weil viele als grün gepriesene Technologien, auch die Solarenergie, einen extrem hohen Materialeinsatz erfordern. Durch ihre Ressourcenintensität sind Photovoltaikpaneele Gift für die Umwelt und in Wahrheit alles andere als grün. Das ist Schwachsinn!