Können Sie ihre Vorwürfe mit Zahlen unterstreichen?
Christopher Manstein hat 1995 in seiner Diplomarbeit am Wuppertal Institut analysiert, wie viele natürliche Ressourcen bei der Stromerzeugung eingesetzt werden. Das Ergebnis: Kernenergie liegt mit 0,27 Kilogramm Ressourcen je Kilowattstunde produziertem Strom etwa gleichauf mit einem Heizölkraftwerk (0,31 Kilogramm). Steinkohle hat einen etwa doppelt so hohen Wert (0,72 Kilogramm), Braunkohle liegt mit 1,14 Kilogramm natürlichen Ressourcen je Kilowattstunde produzierten Strom vorne – aber noch weiter hinter der Photovoltaik. Hier fallen 1,8 Kilogramm an abgebauten und verbrauchten Rohstoffen je Kilowattstunde produziertem Strom an. Ein trauriger Höchstwert.
Die Zahlen sind von 1995. Inzwischen sind die Solarpaneele doch deutlich effizienter.
Das stimmt. Die Materialeffizienz von Photovoltaik und damit auch die Ökobilanz hat sich seit 1995 um den Faktor drei bis vier verbessert. Aber: Die alten Anlagen laufen noch. Aber lassen wir diesen Gedanken beiseite und gehen wir von den neusten Anlagen aus. Dann haben wir immer noch einen Ressourcenverbrauch, der ähnlich ist wie der von Strom bei der Atomkraft oder bei Gaskraftwerken. Der vermeintliche „Ökostrom“ aus Photovoltaikanlagen ist also selbst beim aktuellen Stand der Technik alles andere als „grün“. Der Begriff ist Augenwischerei oder noch krasser formuliert: Beschiss.
Ist der Atomausstieg ein Fehler?
Nein. Wichtig ist die Innovation von Alternativen, von möglichen Energieeinsparungen in unserer Wirtschaft, von Verstromungsanlagen und Produkten, die sehr viel weniger Materialintensiv und möglichst langlebig sind, und die ohne Tausende von Kilometer Hochspannungsleitung funktionieren. Wenn man Höhenwinde, die zwischen 300 und 400 Meter von der Erde zirkulieren, zur Energiegewinnung ausnutzt – etwa mit drachenähnlichen oder windradähnlichen Konstruktionen – könnte man eine hundertfach bessere Ökobilanz vorweisen, als jedes Gaskraftwerk. Das sind riesige Unterschiede. Hier würde es sich lohnen, in die Forschung zu investieren.
Lassen Sie uns über Mobilität sprechen. Sie sind kein Freund von Hybrid- oder E-Autos.
Nein, das bin ich aus guten Gründen nicht. Für die Produktion der neuen Fahrzeuge werden viele neue Ressourcen benötig, insbesondere Kupfer, Lithium und Neodym. Die Gewinnung dieser Materialen bezahlen wir mit einer ganzen Reihe von großen Eingriffen in die Natur. Lithium zum Beispiel wird in bislang weitgehend unberührten Ökosystemen, etwa in den Salzseen in Südamerika und China abgebaut. Die Schäden die insbesondere durch den Bau von Hybrid-Autos in der Natur verursacht werden, sind weit größer als die Entlastung, die durch geringere Emissionen erreicht wurden. Hybrid-Autos sind alles andere als grün.
Verbrauchswerte von Hybridautos
Motor: Drei-Zylinder-Benziner + Elektromotor
Leistung: 231 PS Benzinmotor + 131 PS Elektro
Fahrleistungen: 0–100 km/h in 4,4 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Verbrauch: 2,1 Liter Super/100 km nach ECE-Norm CO2-Ausstoß: 49 Gramm pro km
Gewicht: 1485 Kilogramm
Verkaufspreis: Basispreis: 126.000 Euro
Leistung: 416 PS (Elektro und Benzin)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 30 km, 270 km/h
Normverbrauch: 3,1 Liter pro 100 km
Preis: ab 110.409 Euro
Leistung: 280 PS (Elektro und Diesel)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 50 km, 230 km/h
Normverbrauch: 1,8 Liter pro 100 km
Preis: ab 58.710 Euro
Leistung: 203 PS (Elektro und Benzin)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 50 Kilometer, 170 km/h
Normverbrauch: 1,9 Liter pro 100 km
Preis: ab 39.990 Euro
Leistung: 204 PS (Elektro und Benzin)
Fahrleistungen: elektrische Reichweite 50 km, 222 km/h
Verbrauch: 1,5 Liter pro 100 Kilometer
Preis: ab etwa 37.000 Euro
Verstehe ich Sie richtig: Sie sagen, die Herstellung der neuen Fahrzeuge verschlingt so viele Ressourcen, dass die Umweltbelastung höher ist, als würden wir mit 20 Jahre alten Autos herumfahren?
Das ist so. Es werden Techniken mit Milliarden Euro subventioniert, die den CO2-Ausstoß von Autos um 10 bis 20 Prozent verringern. Dafür nimmt man eine Verdoppelung des Ressourcenaufwandes in Kauf. Das ist Unfug.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Es wäre viel besser, alles zu tun, um die Lebenszeit eines Autos zu verdrei- oder vierfachen. Das ist technisch möglich. Flugzeuge leben ja auch hundertfach länger als Autos. Aber für die Wirtschaft ist das natürlich nicht attraktiv. Die Unternehmen und die Werbung trichtern uns ein, es sei gut, sich alle zwei Jahre ein neues Auto zu kaufen. Nein, das ist es nicht! Ich kann verstehen, dass die Industrie so handelt. Kein Verständnis aber habe ich dafür, dass die Politik bei diesem Lügenspiel mitmacht. Erinnern Sie sich an die Abwrackprämie?