Ökonom Malcolm Schauf „Merkel ist Deutschlands großes Problem“

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"Ich rechne mit einer stärkeren Belastung"

Ein Streitpunkt in der künftigen Koalition dürfte die Steuerpolitik werden. Kann man auf Steuersenkungen hoffen – als durchschnittlich verdienender Bürger und als Finanzchef eines mittelständischen Unternehmens?
Ich rechne eher mit einer stärkeren Belastung, auch für Unternehmen. Es gibt keinen Treiber, weder in der Union noch in der SPD, die steuerlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Vor allem nicht für Mittelständler und Familienunternehmen. Die SPD hat immer große Konzerne vor Augen, wenn von Unternehmen die Rede ist. Aber 99,7 Prozent sind kleine und mittlere Unternehmen. Für die müssten die Bedingungen verbessert werden.

Die Steuersenkungen durch Donald Trump in den USA dürften den internationalen Standortwettbewerb immerhin ankurbeln.
Ja, das wird so kommen. Einige amerikanische Unternehmen haben ja schon angekündigt, wieder Standorte in die USA zu verlegen. Auch europäische Länder haben sich steuerlich attraktiver gemacht, Portugal zum Beispiel. Die Vorstellung, Steueroasen austrocknen zu können, ist unrealistisch. Trump interessiert es überhaupt nicht, was die Deutschen oder Europäer zu seiner Steuerpolitik sagen.

Das brisanteste Thema ist wohl die Einwanderung. Haben deutsche Unternehmen ein Interesse am weiteren Familiennachzug und weiter offenen Grenzen für Flucht- und Asylmigration? Oder kann die CSU sich bei ihren Forderungen nach aktiver Begrenzung der Zuwanderung auf Rückhalt bei Unternehmen berufen?
Eigentlich interessiert die nur: Kriege ich genug Leute für mein Business. Ein Gefühl der gesellschaftlichen Verantwortung für das Land ist bei heutigen Konzernlenkern nicht weit verbreitet. Die sind international orientiert. Mir sagte neulich noch ein Vorstandschef, für ihn sei das ohnehin nicht so wichtig, was hier gesellschaftlich passiert. Wenn es schlecht läuft, zieht er privat eben weg. Mittelständler sind da anders. Und bei denen herrscht große Ernüchterung, was die Einwanderung angeht.

Natürlich brauchen wir aus ökonomischen Gründen Einwanderung, grundsätzlich egal woher. Aber es kommt auf die Qualifikation an. Ich habe mich schon vor zweieinhalb Jahren sehr gewundert, dass deutsche Unternehmen so euphorisch waren angesichts der Flüchtlingswelle. Es gab überhaupt keine empirischen Gründe dafür. Im Gegenteil. Es gab ja Informationen über die schwachen Bildungssysteme und den verbreiteten Analphabetismus in Syrien, Nordafrika und den anderen Herkunftsländern.

Deutschland schafft es aus vermeintlicher moralischer Verantwortung nicht, ganz klar festzustellen: Humanität ja, aber in Grenzen; wir haben nationale Interessen, unsere Unternehmen haben Interessen, daher gibt es einen ganz klaren Kriterienkatalog für Einwanderer. So wie zum Beispiel Australien das macht.

Und die Integration?
Ich spreche jetzt nicht als Ökonom, sondern als studierter Soziologe. Die Migrationsforschung zeigt eindeutig, dass Integration nur gelingen kann, wenn der Anteil der zu Integrierenden ein gewisses Maß nicht überschreitet. Wenn zu viele kommen, dann bleiben sie unter sich. Wenn wenige kommen, müssen sie sich mit den Einheimischen zusammentun. Darum hat die Integration der Gastarbeiter im Großen und Ganzen gut geklappt. 200 000 Zuwanderer jährlich – und selbst diese Grenze scheint ja vom Tisch zu sein – sind gesellschaftlich nicht integrierbar. Man muss sich klarmachen, dass das in zehn Jahren zwei Millionen Menschen sind – ohne Nachzug. Wir haben es ja nicht mal geschafft, einen Großteil der Asylsuchenden aus den 1980er und 90er Jahren zu integrieren. Denken Sie an die libanesischen Clans.

Merkel überfordert mit ihrer Flüchtlingspolitik Deutschland. Der soziale Friede ist daher gefährdet. Und der ist ein wichtiger Standortfaktor. Ich bin gespannt auf die nächste Statistik zum Wanderungssaldo bei Hochqualifizierten. Ich vermute, dass viele von ihnen Deutschland verlassen aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung. Aus meinem persönlichen Umfeld zumindest höre ich oft von Auswanderungswilligen. Wenn wir die Eliten verlieren, sieht es für Deutschland nicht gut aus.

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