„Um das Rentenniveau im Jahr 2030 – entgegen dem geltenden Recht – stabil zu halten, kostet dies 33 statt 15,6 Milliarden Euro. Da klafft eine riesige Finanzierungslücke“, sagte der Finanzwissenschaftler von der Universität Duisburg-Essen der WirtschaftsWoche. „Für mich ist das Wahlkampfzirkus.“
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will das Rentenniveau bei 48 Prozent des Durchschnittslohns halten und den Beitragssatz auf maximal 22 Prozent erhöhen. Die zusätzlich benötigten Mittel taxiert die SPD selbst auf 15,6 Milliarden, sie sollen aus Steuern finanziert werden.
Außerdem sollen rund drei Millionen Selbstständige in Zukunft in der gesetzlichen Rente abgesichert werden. „Die SPD muss beantworten, womit sie die fehlende Hälfte ihrer Rechnung decken will. Falls diese Summe künftig von den Selbstständigen getragen werden soll, kostet dies rund 5000 Euro für jeden neuen Versicherten jährlich“, rechnet Schnabel vor.
Das neue Rentenkonzept der SPD
Für künftige Rentner bedeutet das laut Nahles höhere Renten, als sie nach derzeitigem Recht zu erwarten hätten. Ein Durchschnittsverdiener erhielte 2030 nach ihren Worten auf Grundlage des SPD-Konzepts 150 Euro mehr Rente im Monat, ein Facharbeiter könne mit einem Plus von 225 Euro rechnen. Das seien 8,1 Prozent mehr als nach geltendem Recht.
Die Kosten bezifferte Nahles auf 20 Euro per Person und Monat, wenn die Gesamtkosten von 19,2 Milliarden Euro im Jahr 2030 auf die Bevölkerung von 80 Millionen verteilt würden.
Quelle: Reuters
Stand: 07.06.2017
Derzeit erhält ein Rentner, der 45 Jahre den Durchschnittlohn verdient hat, eine Rente von 48 Prozent des aktuellen Durchschnittslohns. Dieses Rentenniveau ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Im Jahr 2003 lag es noch bei 53,3 Prozent. Ein weiteres Absinken ist programmiert durch die rot-grünen Rentenreformen: Ein Nachhaltigkeitsfaktor sorgt dafür, dass die Renten langsamer oder gar nicht zulegen, wenn die Zahl der Rentner stärker steigt als die Zahl der Beschäftigten. Nach derzeitigen Berechnungen könnte das Rentenniveau bis 2030 auf 44,7 Prozent fallen. Laut SPD-Konzept soll es nun bis 2030 stabil bei 48,0 Prozent bleiben.
Den Beitrag zur Rentenversicherung teilen sich je zur Hälfte Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dieser beträgt derzeit 18,7 Prozent. Nach bisherigen Berechnungen muss der Beitrag erstmals 2022 wieder steigen und bis 2030 auf 21,8 Prozent klettern. Das SPD-Konzept sieht ab 2024 einen etwas stärkeren Anstieg vor, der 2030 21,9 Prozent erreichen würde. Jedes Zehntel Beitragssatzpunkt mehr kostet die Beitragszahler derzeit rund 1,3 Milliarden Euro.
Ab 2028 soll laut SPD-Konzept der Bund einen "Demografiezuschuss" in die Rentenkasse zahlen. Dieser würde von 14,5 Milliarden auf 15,3 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen.
Schon ab 2018 soll eine Solidarrente für Geringverdiener greifen, die 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt haben. Die Solidarrente soll zehn Prozent über der regional unterschiedlich hohen Grundsicherung im Alter liegen, die in der Höhe Hartz IV entspricht. Dabei werden Zeiten der Kindererziehung und Pflege angerechnet.
Selbstständige sollen die Rentenversicherung einbezogen werden, sofern sie nicht über ein Versorgungswerk abgesichert sind, die es etwa für Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte und Steuerberater gibt. Nach Angaben aus dem Arbeitsministerium gibt es etwa drei Millionen Selbstständige, bei denen nicht klar ist, ob sie in irgendeiner Form abgesichert sind. Durch die Einbeziehung eines Teils von ihnen steigen die Beitragseinnahmen. Laut Nahles werden Einnahmen in Höhe von 0,4 Prozentpunkten eines Beitragspunktes erwartet. Die SPD sieht dies als ersten Schritt zu einer Erwerbstätigenversicherung.
Kritik am SPD-Konzept kommt auch vom Freiburger Wirtschaftsweisen Lars Feld: „Die SPD präsentiert eine geschönte Rechnung, die noch dazu die Lasten einseitig auf die zukünftigen Steuerzahler abwälzt“, sagte er der WirtschaftsWoche. Zudem sei die Absage an ein steigendes Renteneintrittsalter falsch: „Die skandinavischen Länder koppeln den Rentenbeginn an die Lebenserwartung – ein sehr kluges Konzept, für das in Deutschland bislang der Mut fehlt.“
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