Opposition scheitert in Karlsruhe NSA-Spionageziele bleiben geheim

Für Grüne und Linke ist die Selektorenliste der Schlüssel zur Aufklärung der NSA-Affäre. Sie verrät, wen der BND für die USA ausspähte. Doch das Bundesverfassungsgericht sagt: Die Liste darf geheim bleiben.

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Die Bundesregierung muss die brisante Selektorenliste nicht dem NSA-Untersuchungsausschuss überlassen. Quelle: Reuters

Karlsruhe Die brisante Liste mit den NSA-Spionagezielen bleibt unter Verschluss – die Bundesregierung muss sie nicht dem NSA-Untersuchungsausschuss überlassen. Die Opposition im Bundestag scheiterte mit einer Organklage in Karlsruhe auf Herausgabe der Selektoren. Das teilte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag mit.

Die Richter entschieden, dass das Geheimhaltungsinteresse der Regierung in diesem besonderen Fall das Informationsinteresse des Ausschusses überwiegt. Das hat mit der Rolle der USA zu tun. Die Bundesregierung sei zu der Überzeugung gelangt, dass eine Herausgabe ohne das Einverständnis der Amerikaner die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und damit die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands erheblich beeinträchtige. Diese Wertung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. (Az. 2 BvE 2/15)

Auf der Liste stehen Suchmerkmale wie Telefonnummern, E-Mail- oder IP-Adressen, die der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) dem Bundesnachrichtendienst (BND) zur Kooperation geliefert hatte, eigentlich für den Anti-Terror-Kampf. In der NSA-Affäre kam aber ans Licht, dass die Amerikaner auch europäische Politiker und Firmen im Visier hatten. Zehntausende heikle Selektoren sortierte der BND nachträglich aus. Welche das waren, ergibt sich aus der Liste.

Im Kanzleramt liegt das Dokument in gedruckter Form vor. Dem im März 2014 eingesetzten Untersuchungsausschuss verweigerte die Regierung aber die Einsicht. Stattdessen wurde eine „Vertrauensperson“ bestellt: Der Ex-Verwaltungsrichter Kurt Graulich durfte die Liste auswerten. In seinem Bericht warf er den Amerikanern Ende Oktober 2015 gravierende Verstöße gegen vertragliche Vereinbarungen vor.

Die Opposition kritisiert Graulichs Ergebnisse als undifferenziert und unbrauchbar. Mit der Klage gegen die Bundesregierung und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hatten die Grünen und die Linke im Bundestag doch noch Einsicht erzwingen wollen - ohne Erfolg.

Aus dem Karlsruher Beschluss geht zwar hervor, dass die Richter das Recht des Ausschusses auf Vorlage durch die „Vertrauensperson“ nicht erfüllt sehen. Sie halten der Bundesregierung aber zugute, dass diese soweit möglich Auskünfte erteilt hat. Die Kenntnis der Selektoren sei „eher von allgemeinem politischen Interesse“ und „nicht in einem Maße zentral, um gegenüber den Belangen des Staatswohls und der Funktionsfähigkeit der Regierung Vorrang zu beanspruchen“.

Die Kläger reagierten enttäuscht. „Weite Teile der jahrelangen, rechtswidrigen BND-Praxis werden jetzt im Dunkeln bleiben“, sagte der Grünen-Obmann Konstantin von Notz der Deutschen Presse-Agentur. Die Obfrau der Linken, Martina Renner, ergänzte, die Entscheidung signalisiere, „dass die Geheimdienste weiter machen können, was sie wollen, ungestört von parlamentarischer Kontrolle“.

Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) begrüßte hingegen im „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Entscheidung: „Es gibt Dinge, die geheim bleiben müssen. Sonst können die Geheimdienste nicht arbeiten.“

Mitte Oktober hatte das Verfassungsgericht bereits eine erste Entscheidung zu den NSA-Selektoren veröffentlicht. Damals ging es um eine Klage der G-10-Kommission, einem kleinen Gremium, das die Überwachungsaktionen der deutschen Nachrichtendienste prüft und genehmigt. Dieser Antrag scheiterte schon aus formalen Gründen: Die Kommission komme nicht als Partei im Organstreitverfahren infrage.

Die Opposition hatte auch schon vergeblich versucht, per Organklage die Vernehmung des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden in Deutschland durchzusetzen. Dieser hatte mit seinen Informationen die Affäre ins Rollen gebracht. Zuständig sei nicht das Verfassungsgericht, sondern der Bundesgerichtshof (BGH), hieß es in dem Beschluss von Ende 2014. Dorthin wandten sich Grüne und Linke in diesem Spätsommer. Die Entscheidung steht noch aus.

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