"Panama" ist das erste Wort, das der scheidende Bankenverbandschef und Deutsche Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen am Montag in Berlin sprach - und das hatte er sich sicher anders vorgestellt. Der Festakt am 11. April war schon lange geplant - und sollte ein freudiger Abend werden. Am Montag hatte Fitschen sein Amt als Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) an den Chef der Hamburger Berenberg Bank, Hans-Walter Peters, übergeben. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war als Gastredner angekündigt.
Der Finanzminister hatte am Wochenende in seinem Zehn-Punkte-Plan Maßnahmen für „volle Transparenz“ bei Transaktionen mit Briefkastenfirmen angekündigt. Doch bei seiner Festrede am Montagabend ruderte er wieder zurück - zumindest teilweise. Der Ruf nach totaler Transparenz sei nicht zielführend. Nur die verantwortlichen Behörden sollten Informationen zu den wirtschaftlich Begünstigten, also den wahren Besitzern der Offshore-Konten, erhalten.
Damit meint er natürlich sein Finanzministerium. Um diesem Ziel näher zu kommen, will er nun gemeinsam mit der OECD mehrere Schwachstellen im internationalen Finanzwesen beheben. Der neue Vorsitzende des Bankenverbands Peters kündigte an, die Maßnahmen zu „100 Prozent unterstützen“. Fitschen lobte Schäuble gar persönlich als einen der letzten Europäer, „der zu seinen Prinzipien steht.“
So sieht Schäubles 10-Punkte-Plan gegen Steueroasen aus
In Deutschland will Schäuble die Maßnahmen gegen Geldwäsche verstärken. Nach den bereits eingeführten strengeren Regeln gegen Geldwäsche im Finanzsektor zielt Schäuble nun auf den gewerblichen Bereich. Dessen Kontrolle ist hierzulande allerdings Sache der Bundesländer.
Die Verjährung von Steuerhinterzieher soll erst einsetzen, wenn ein Steuerpflichtiger seinen bestehenden und neuen Meldepflichten für Auslandsbeziehungen nachgekommen ist.
Schäuble will schärfere Verwaltungssanktionen für Unternehmen einführen. Eine wirksame strafrechtliche Verfolgung von Fehlverhalten scheitere oftmals am Nachweis persönlichen Verschuldens. Daher sollten künftig die Unternehmen selbst stärker zur Verantwortung gezogen werden können.
Anbieter von Steuersparmodellen sollen verpflichtet werden, diese den Steuerbehörden offen zu legen.
Diese nationalen Transparenz-Register sollen nach Schäubles Willen weltweit systematisch vernetzt werden. Steuerverwaltungen sollen Zugriff auf Geldwäscheregister bekommen, wie dies in Deutschland bereits geplant ist.
Die Register sollen auch Nichtregierungsorganisationen und Fachjournalisten offenstehen können. Umgekehrt erwartet Schäuble aber, "dass diese Nichtregierungsorganisationen und Journalisten die Ergebnisse ihrer Recherchen auch den zuständigen Behörden zur Verfügung stellen".
Schäuble setzt sich weltweit für Register der wirtschaftlich Berechtigten von Firmen ein, um die Hintermänner von Unternehmenskonstruktionen transparenter zu machen. Mit der vierten Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU ist ein solches Register für die EU-Staaten bereit vereinbart worden. Die EU-Staaten müssen die Richtlinie bis 2017 national umsetzen.
Der automatische Informationsaustausch soll einen Überwachungsmechanismus bekommen. Die Aufgabe soll das Global Forum der OECD übernehmen, die außerdem Sanktionen für nachlässige oder nicht kooperierende Staaten entwickeln soll.
Schäuble will erreichen, dass weltweit möglichst alle Staaten und Gebiete den neuen Standard für den automatischen Informationsaustausch umsetzen, der 2017 beginnen soll. Bisher haben sich der von Schäuble maßgeblich mit angestoßenen Initiative fast 100 Staaten angeschlossen.
Die verschiedenen nationalen und internationalen "schwarzen Listen" mit Steueroasen sollen vereinheitlicht werden. Die Federführung soll einer internationalen Organisation wie der Industrieländerorganisation OECD übertragen werden.
Schäuble drängt Panama, dem internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen beitreten und dafür zu sorgen, dass inaktive und substanzlose Gesellschaften und deren Gesellschafter identifiziert werden können. Wenn Panama nicht rasch kooperiert, will Schäuble dafür eintreten, bestimmte in Panama getätigte Finanzgeschäfte international zu ächten.
Die demonstrierte Gleichgesinnung kommt verdächtig schnell, ist aber verständlich. Die Banken sind vom Zehn-Punkte-Plan kaum betroffen. Lediglich einer der zehn Punkte schlägt vor, Geschäftsmodelle im „offenkundigen Graubereich“ für Banken unattraktiv machen zu wollen. Ansonsten geht es um die Umsetzung bestehender Richtlinien oder neuer Gesetze, die das Bankengewerbe nicht direkt betreffen.
Banken haben seit der Finanzkrise dazu gelernt
Viele von Schäubles Punkten kommen dem BdB sogar gelegen, würden sie doch das „risikobehaftete Miteinander“ von Banken und kriminellen Kunden von vornherein verhindern. „Für uns ist es eine unangenehme Situation, immer in Verbindung mit diesen Themen in ein Licht gerückt zu werden, in dem wir nicht gesehen werden wollen.“, so Fitschen. Die Maßnahmen gegen Geldwäsche und Steuerbetrug im eigenen Haus seien seit Jahren intensiviert worden. Er verwies auf die 25.000 Anzeigen, die Banken im Jahr 2014 wegen Verdachts auf Geldwäsche erstattet hatten.
Das müssen Sie zu den Panama Leaks wissen
Der "Süddeutschen Zeitung" sind nach eigenen Angaben umfassende Daten über Briefkastenfirmen zahlreicher Politiker zugespielt worden. Insgesamt gehe es um 11,5 Millionen Dokumente zu 214.000 Briefkastenfirmen, die von einer Kanzlei aus Panama gegründet worden seien. Die Dokumente würden ein detailliertes Bild darüber abgeben, wie diese Firma "Tag für Tag Sanktionsbrüche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Kauf nimmt". Es gebe Unterlagen über mutmaßliche Offshore-Firmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs sowie Spuren zu Dutzenden weiteren Spitzenpolitikern, ihren Familien, engsten Beratern und Freunden. Zudem fänden sich fast 130 weitere Politiker aus aller Welt unter den Kunden der Kanzlei, darunter viele Minister. Zur Überblicksseite: www.panamapapers.de
Quelle: dpa/reuters
Die Unterlagen sollen E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente zu rund 214.000 Gesellschaften umfassen, vor allem in Panama und den Britischen Jungferninseln. Der Datensatz wurde der „Süddeutschen Zeitung“ von einer anonymen Quelle zugespielt. Die „Süddeutsche Zeitung“ teilte die Daten mit dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) und Partnern auf der ganzen Welt. Etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern haben im Zuge der Recherchen den Datenschatz aus rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“.
Die Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama bietet die Gründung und Verwaltung von Offshorefirmen an. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen über 500 Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Die Kanzlei ist demnach in Belize, den Niederlanden, Costa Rica, Großbritannien, Malta, Hong Kong, Zypern, den Britischen Jungfern-Inseln, Bahamas, Panama, Anguilla, Seychellen, Samoa und den US-Bundesstaaten Nevada und Wyoming tätig.
Mossack Fonseca bietet zudem Rechtsberatung unter anderem in den Bereichen Finanzen, geistiges Eigentum und öffentliche Ausschreibungen an. Außerdem setzt die Kanzlei Treuhandfonds und private Stiftungen auf und verwaltet sie.
Gegründet wurde die Kanzlei 1977 von dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. 1986 tat er sich mit dem Panamaer Ramón Fonseca Mora zusammen. Der Anwalt, Schriftsteller und Politiker war bis vor kurzem Berater von Staatschef Juan Carlos Varela. Wegen Ermittlungen gegen Mossack Fonseca in Brasilien lässt er seine Beratertätigkeit derzeit ruhen.
Panama ist einer der wichtigsten Finanzplätze in Lateinamerika. Ein äußerst liberales Bankengesetz lockte zahlreiche Kreditinstitute nach Mittelamerika. Die Finanzkrise ging an Panama weitgehend vorbei und brachte dem Finanzplatz sogar zusätzliche Investitionen.
Nachdem sich die Schweiz zuletzt von ihrem Bankgeheimnis verabschiedet hatte, galt Panama vielen als neue Steueroase. Immer wieder gibt es Berichte über illegale Transaktionen. In den Achtzigerjahren war das Land das Bankenzentrum der kolumbianischen Drogenkartelle. Zuletzt bemühte sich Panama allerdings darum, dieses Image loswerden und sich als seriöser Finanzplatz zu positionieren.
So erließ die Regierung eine Reihe neuer Richtlinien für Banken, Versicherungen, Immobilienfirmen sowie Wertpapier- und Edelsteinbörsen. Im Februar strich der OECD-Arbeitskreis für Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung (Gafi) Panama von der grauen Liste, auf der Staaten geführt werden, die beim internationalen Austausch von Finanz- und Steuerinformationen noch hinterherhinken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobt in seinem jüngsten Bericht die Stabilität des Bankensektors.
Fitschen und Peters demonstrieren mit der Schäuble-Allianz also vor allem, was die Banken in den Jahren seit der Finanzkrise dazu gelernt haben: Legal zu arbeiten, ist nicht mehr genug. So sagte Fitschen weiter: „Weil die Stimmung sich ändert, ist es auch unsere Aufgabe zu antizipieren, was in der Bevölkerung als akzeptabel gilt – auch ohne einschlägige Vorschriften.“
BdB will weniger und simplere Regulierung
Auch Nachfolger Peters, der sich zur Verwicklung der Berenberg Bank in den Panama Papers nicht äußern wollte, ist ein Fan von Selbstregulierung – und betonte immer wieder die Vorteile des Internet-Zeitalters. „Wir haben jetzt riesige Informationen über unsere Kunden.“, sagte Peters. Die Informationslage würde es den Banken nun einfacher machen, ungewöhnliche Transaktionen zu erkennen – und Geschäftsverhältnisse notfalls auch zu beenden.
Der friedliche Festakt verschleiert, dass Peters Amtszeit von Konfrontationen mit dem Finanzministerium gezeichnet sein dürfte. Der Verband will sich in den nächsten Jahren vor allem für weniger und simplere Regulierung in Deutschland und Europa einsetzen. Außerdem soll die Bankenabgabe, die die Dienstleister seit der Finanzkrise zahlen, steuerlich abzugsfähig werden. Deswegen bleibt abzuwarten, wie die Zusammenarbeit von Banker-Lobby und Finanzminister tatsächlich funktioniert und ob die Unterstützung des Zehn-Punkte-Plans sich in Taten niederschlägt. Schäuble weiß, dass die Zeit für eine Umsetzung knapp ist, weswegen er sie am liebsten „sofort in allen EU-Institutionen“ beschließen würde.
Die Banker haben in Wirklichkeit ganz andere Probleme. Mit der Null-Zins Politik in Frankfurt und der Konkurrenz von FinTech-Dienstleistern schwinden mittelfristig die Profite. Sie fordern höhere Zinsen und Regulierung für die Mitbewerber. Die Banken brauchen Schäuble viel mehr als er sie.