Panama Papers Mit Placebo-Politik gegen Steueroasen

Briefkastenfirmen verbieten oder zu mehr Transparenz verpflichten: Die Politik verspricht ein hartes Durchgreifen gegen Steueroasen. Experten bezweifeln jedoch die Wirksamkeit mancher angekündigten Schritte.

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Mindestens 28 deutsche Banken sollen die Dienste der Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama genutzt haben. Quelle: AP

Berlin Die Panama-Enthüllungen haben weltweit Regierungen alarmiert. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigten neue Initiativen im Kampf gegen Steuerhinterziehung an. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte, anonyme Briefkastenfirmen zu verbieten.

Maas will mit einem „Transparenzregister“ für Briefkastenfirmen auf die Enthüllungen reagieren. „Die Heimlichtuerei muss ein Ende haben“, sagte Maas der „Süddeutschen Zeitung“, dem NDR und dem WDR. Auch Schäuble forderte vor allem mehr Transparenz für Stiftungen und Firmenkonstruktionen, um deren wirkliche Eigentümer zu identifizieren und Einlagen besteuern zu können. Gabriel sagte: „Wir müssen Briefkastenfirmen und Stiftungen, deren wirtschaftlich Berechtigte anonym bleiben, weltweit verbieten.“

Experten sehen die Ankündigungen mit großer Skepsis. „Offshore-Firmen generell zu verbieten, halte ich für kontraproduktiv. Es gibt gute wirtschaftliche Gründe, solche Firmen zu nutzen, zum Beispiel die Vermeidung von Doppelbesteuerung“, sagte der neue Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem Handelsblatt. Staatliche Banken, beispielsweise die Europäische Investitionsbank (EIB), nutzten Offshore-Firmen im Rahmen ihrer Investitionsprojekte. „Die wollen keine Steuern hinterziehen.“

Die Organisation „Counter Balance“, eine Allianz von Bürgerinitiativen für Bankenkontrolle aus ganz Europa, hatte allerdings im vergangenen Jahr laut einem Bericht des „Tagesspiegels“ der EIB vorgeworfen, in Entwicklungsländern in großem Umfang Firmen zu finanzieren, die ihre Gewinne über bekannte Steueroasen vor dem Fiskus verstecken.

Die EIB operiert im Auftrag der 28 Regierungen der Europäischen Union und zählt mit einem Kreditvolumen von mehr als 500 Milliarden Euro zu den größten Staatsbanken der Welt.

Von einigen Fällen aus den Jahren 2011 bis 2013 ist demnach die Rede, bei denen die EIB zweistellige Millionenkredite an Unternehmen in Afrika, Arabien und Zentralasien vergeben hat, obwohl diese formal in Steuerfluchtzentren residieren. Die EIB hatte damals die Vorwürfe zurückgewiesen und zugleich betont, dass man nicht die Kapazität habe, weltweit die nötigen Steuerdaten zu erheben.

Auch das Institut der deutsche Wirtschaft (IW) warnte vor einer Placebo-Politik, mit der sich letztlich keine durchgreifenden Lösungen erzielen ließen. Es sei zwar sinnvoll, Regeln immer wieder anzupassen, heißt es in einer IW-Mitteilung. „Doch eine Rahmenordnung, die jede Form von Fehlverhalten sanktioniert, kann es nicht geben.“ Es werde immer eine „Lücke zwischen dem gesetzlich Möglichen und dem gesellschaftlich Gewollten“ geben. „Deshalb müssen einzelne Bürger, Unternehmen und die Politik diese Lücke ständig durch ihr Verhalten und ihre Entscheidungen schließen.“


IW-Institut unterstützt Maas-Vorschlag für Transparenzregister

Das IW setzt darauf, dass etwa bei Verstößen gegen Normen, Traditionen und Bräuche nicht zwingend die juristische Verfolgung einsetzen müsse, sondern der Ruf der Akteure leide und sie sozial ausgegrenzt würden. Was im Falle von Unternehmen passieren könne, sei in der Finanzindustrie zu beobachten gewesen. „Diese hat sich vor der Krise zwar in den meisten Fällen juristisch korrekt verhalten, aber dennoch nicht so, wie es die Gesellschaft erwartet hat“, erläutert das IW. „Das Resultat war eine deutliche Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit durch Regulierung.“

Allerdings, so das IW, müsse von den stark regulierten Staaten auch Druck auf die Steueroasen ausgeübt werden. Der Vorschlag von Justizminister Maas, ein nationales Transparenzregister einzuführen, könnte aus Sicht der IW-Experten ein Signal an andere Staaten und Organisationen sein. „Dass das funktionieren kann, zeigt sich am Beispiel Schweiz: Der Druck der Europäischen Union hat dazu geführt, dass die Schweiz ihre Steuergesetzgebung den europäischen Regeln stärker angepasst hat.“

Fuest hält es im Fall Panamas für wichtig, den Druck zu erhöhen, damit das Land die OECD-Standards für Transparenz und Informationsaustausch für Zwecke der Besteuerung auch umsetzt. „Bislang hat Panama nur vage Zusagen gemacht, da mitzumachen, und auch das erst 2018“, sagte der Ifo-Chef. Die von der OECD vor allem seit 2009 energisch betriebene Verbreitung von Abkommen zum steuerlichen Informationsaustausch sei ein „wirksames Mittel“ Steuerhinterziehung und indirekt auch Geldwäsche zu bekämpfen, so Fuest.

Fuests Einschätzung deckt sich mit Informationen der Industrieländer-Organisation OECD. „Panama ist der letzte große Verweigerer, der es weiterhin erlaubt, dass Offshore-Fonds vor Steuer-und Strafverfolgungsbehörden versteckt werden“, sagte der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Angel Gurría, am Dienstag in Berlin.

Mindestens 28 deutsche Banken nutzten laut Medienberichten die Dienste der Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, gründeten und verwalteten die Banken für ihre Kunden mehr als 1.200 Briefkastenfirmen. Neben der Deutschen Bank seien dies vor allem die Dresdner Bank, die Commerzbank und die BayernLB gewesen. Die Banken erklärten gegenüber der Zeitung, sie hätten ihre Geschäftspraktiken in den vergangenen Jahren geändert. In zahlreichen Staaten wurden inzwischen Ermittlungen aufgenommen.


OECD: „Panama muss sein Haus in Ordnung bringen“

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin will entsprechende Bankgeschäfte prüfen, hieß es am Dienstag in Frankfurter Finanzkreisen. Bei einigen Instituten hätten die Aufseher schon Nachfragen gestellt. Eine Behördensprecherin hielt sich zu dem Thema aber bedeckt. Geldhäuser sollen laut den Medienrecherchen eine Schlüsselrolle beim Vertrieb von Briefkastenfirmen gespielt haben.

Die Wirtschaftskanzlei Mossack Fonseca äußerte inzwischen massive Kritik an der Berichterstattung zu den „Panama Papers“. „Diese Berichte stützen sich auf Vermutungen und Stereotypen“, teilte die Kanzlei in einer vierseitigen Stellungnahme mit. Mossack Fonseca sei noch nie im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen beschuldigt oder angeklagt worden und sehe sich in ein falsches Licht gerückt. Der Öffentlichkeit fehle das Fachwissen, um „die Arbeit von Firmen wie uns“ richtig einordnen zu können.

Die Kanzlei halte sich an internationale Standards, um weitestmöglich sicherzustellen, dass von ihr gegründete Gesellschaften nicht zur Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Terrorfinanzierung oder für andere kriminelle Zwecke genutzt würden.

OECD-Generalsekretär Gurría kritisierte indes, dass sich Panama nicht an Zusagen gehalten habe, internationale Standards für Steuer-Transparenz einzuhalten. Die Konsequenzen seien nun öffentlich sichtbar. Die OECD habe die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) erst vor einigen Wochen gewarnt, dass Panama einen Rückzieher gemacht habe beim vereinbarten automatischen Informationsaustausch über Finanzgeschäfte.

Der OECD-Chef forderte Panama auf, auf internationale Standards für Steuer-Transparenz zu achten: „Panama muss sein Haus in Ordnung bringen, indem es diese Standards unverzüglich umsetzt.“ Die OECD ist weltweit der Motor im Kampf gegen Steuerbetrug und -vermeidung.


„Mit niedrigeren Steuern sinkt Interesse an Offshore-Geschäften“

Den deutschen Steuerbehörden entgehen nach Einschätzung der Deutschen Steuergewerkschaft durch Offshore-Firmen in Steueroasen rund zehn Milliarden Euro im Jahr. „Der Ausfall für den Fiskus durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht summiert sich auf 50 Milliarden Euro im Jahr. Etwa ein Fünftel davon fällt auf den Bereich Offshore-Firmen“, sagte Gewerkschaftschef Thomas Eigenthaler der „Bild“-Zeitung.

Eigenthaler forderte die Bundesregierung angesichts der Enthüllungen über dubiose Finanzgeschäfte von Briefkastenfirmen in Panama auf, eine Liste mit „unsicheren Steuerstaaten“ zu erstellen. „Wer Geschäfte mit einer Firma in diesen Staaten macht, sollte dann so behandelt und besteuert werden, als ob das Geschäft in Deutschland stattfindet“, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende. Das wäre ein wirkungsvoller Schritt, um Steuerflucht und Geldwäsche zu bekämpfen, fügte er hinzu.

Generelle Zweifel am Bestreben der Politik, Steueroasen auszutrocknen, äußerte der ehemalige Wirtschaftsweise Juergen B. Donges. „Soweit mittels Briefkastenfirmen gesetzwidrige Absichten, allen voran Steuerhinterziehung, verfolgt werden und solange es Länder gibt, die ein Steuerparadies sein wollen, gibt es für einen einzelnen Staat, also auch für Deutschland, kein wirksames Mittel dagegen“, sagte der Kölner Wirtschaftsprofessor dem Handelsblatt. Auf eine internationale Regelung der Offshore-Geschäfte zu drängen höre sich daher zwar gut an, sei aber „realitätsfremd“. „Also wird auch künftig der nationale Fiskus hinter stattfindenden Enthüllungen herhecheln.“

Für bemerkenswert hält es Donges in diesem Zusammenhang, dass die Frage nach den „Ursachen solcher Machenschaften“, nämlich die Steuerbelastung des Einzelnen, erst gar nicht gestellt werde. „Mit niedrigeren Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuern dürfte bei vielen das Interesse an Offshore-Geschäften deutlich sinken“, ist der Ökonom überzeugt.

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