Pannenserie bei Bundeswehr Druck auf von der Leyen wächst

Die Pannenserie bei der Bundeswehr bringt die Verteidigungsministerin in Bedrängnis. Ursula von der Leyen will die Wogen mit personellen Konsequenzen glätten. Doch es droht schon die nächste Schadensmeldung.

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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen: Sie will jetzt offenbar den Chef des Bundeswehr-Beschaffungsamtes, Harald Stein, von seinen Aufgaben entbinden. Quelle: ap

Berlin/ Bielefeld Angesichts der Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr fordern die Grünen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen , mehr Verantwortung für die Soldaten zu übernehmen. Die CDU -Politikerin, die die aktuellen Rüstungsprojekte von einer Unternehmensberatung überprüfen lässt, plant nach einem Medienbericht personelle Konsequenzen: Der Chef des Bundeswehr-Beschaffungsamtes soll seinen Posten räumen.

„Wer von Verantwortung in der Welt redet, muss auch der Verantwortung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten gerecht werden, die im Einsatz viel riskieren und dafür angemessen ausgerüstet sein müssen“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag , Katrin Göring-Eckardt der Bielefelder Zeitung „Neue Westfälische“.

Es sei peinlich, wenn für eine vermutlich nie fliegende Drohne 500 Millionen Euro ausgegeben werden sollten, aber die Marine für die Pirateriebekämpfung keine Hubschrauber habe. „Generell müssen wir uns endlich von der Idee verabschieden, dass die Bundeswehr auf allen Gebieten Kapazitäten und Fähigkeiten haben muss, sondern viel stärker im europäischen Verbund denken“, sagte Göring-Eckardt.

Laut einer Liste, die dem Verteidigungsausschuss des Bundestages am Mittwoch vorgelegt worden war, schränken Mängel an Fahrzeugen, Hubschraubern und Flugzeugen die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ein. Zuletzt wurde dies bei der Unterstützung für die kurdische Armee im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) offenbar: Material und Ausbilder landeten mit zum Teil tagelanger Verspätung im Einsatzgebiet.

Die Bundeswehr wartet nach Aussage der Verteidigungsministerin dringend auf die Lieferung des neuen Transportflugzeugs A400M, das die betagten Maschinen vom Typ Transall ablösen soll. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold hält dabei weitere Verzögerungen für möglich: „Uns wurde mitgeteilt, dass sich die Auslieferung wohl von November auf Dezember verzögert. Bevor der A400M nicht auf dem Hof steht, glaube ich nichts mehr“, sagte er Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Für die Bundeswehr bedeute das Fehlen des A400M eine „massive Einschränkung, weil sie mit alten, teilweise mit technischen Mängeln behafteten Transall auskommen muss“, sagte Arnold weiter. „Der A400M wäre ein Quantensprung für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr.“


Grünen sehen von der Leyen in der Verantwortung

Die Grünen wiesen darauf hin, dass jetzt schon klar sei, dass es bei den ersten A400M wegen Minderleistungen der Industrie zu operativen Einschränkungen komme. „Für die Minderleistungen muss zwingend eine Kompensation durch die Industrie erfolgen und sichergestellt sein, dass die Mängel zu einem späteren Zeitpunkt durch die Industrie beseitigt werden“, sagte der Haushalts- und Verteidigungsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Tobias Lindner, Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Eine Kompensation sei der „Minimalkompromiss“, der nicht unterschritten werden dürfe. „Sonst darf die Bundeswehr keine mangelhaften A400M übernehmen.“

Lindner warf Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in diesem Zusammenhang massive Versäumnisse vor. „Die Verhandlungen über eine Kompensation wegen Minderleistungen sind wenige Wochen vor Liefertermin nicht erfolgt“, sagte der Grünen-Politiker. Dass von der Leyen immer nur prüfe, aber nicht entscheide, führe auch dazu, dass ein Logistikvertrag für den A400M, der schon im Frühjahr fällig gewesen wäre, brach liege. Die erneute Verzögerung der Auslieferung sei daher „nicht nur der Industrie, sondern auch der Entscheidungsverweigerung der Ministerin geschuldet“.

Über die Beschaffung einer neuen Transportmaschine für die Bundeswehr streitet das Verteidigungsministerium seit Jahren mit dem Hersteller Airbus. Seit langem steht fest, dass der A400M später ausgeliefert und teurer als geplant wird. Ende des Jahres soll die erste von insgesamt 53 bestellten Maschinen ausgeliefert werden.

Nach Informationen des Blogs „Augen geradeaus!“ will von der Leyen jetzt den Chef des Bundeswehr-Beschaffungsamtes, Harald Stein, von seinen Aufgaben entbinden. Als Nachfolger sei der bisherige stellvertretende Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Erich Pfeffer , vorgesehen, schreibt Blog-Autor Thomas Wiegold. Ein Ministeriumssprecher bestätigte die Angaben am Samstag nicht.


Von der Leyen bestellt Inspekteure ins Ministerium

Wenige Monate nach ihrem Amtsantritt hatte von der Leyen im Februar den bisherigen Rüstungsstaatssekretär Stéphane Beemelmans entlassen - eine Konsequenz aus massiven Problemen bei großen Rüstungsprojekten der vergangenen Jahre. Auf den Posten wurde die frühere Unternehmensberaterin Katrin Suder berufen. Eine Unternehmensberatung wurde beauftragt, den Stand bei den größten Rüstungsprojekten zu untersuchen. Anfang Oktober werden die Ergebnisse erwartet.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag), Europa gebe für Verteidigung halb so viel aus wie die USA, verfüge aber nur über zehn Prozent der Leistung. „Die Mittel werden leider nicht effizient eingesetzt“, kritisierte er.

Von der Leyen (CDU) reagierte auf die Kritik an einer nur eingeschränkten Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und bestellte die Inspekteure der Teilstreitkräfte bereits am Freitagnachmittag zu einem Gespräch ein. Einen entsprechenden Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bestätigten Ministeriumskreise am Samstag. Solche Treffen sollten in Zukunft regelmäßig stattfinden, hieß es auf Nachfrage. Die Teilstreitkräfte sind das Heer, die Luftwaffe und die Marine.

Der Bundestags-Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hatte grundsätzliche Zweifel an der Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte geäußert; das internationale Engagement sei derzeit nur zum Teil zu leisten. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sagte der „Passauer Neuen Presse“ am Samstag, Deutschland verfüge nicht mehr über das gesamte Spektrum aller Fähigkeiten, die für die Bündnisverteidigung benötigt würden.

Bei der Bundeswehr sind derzeit zahlreiche Hubschrauber und Transportfluge aufgrund technischer Mängel nicht einsatzbereit. Medienberichten zufolge gibt es auch Probleme bei Kampfjets der Typen Eurofighter und Tornado, gepanzerten Fahrzeugen des Typs Boxer und weiterem Gerät. Technikpannen hatten in den vergangenen Tagen auch den Flug von Bundeswehr-Ausbildern in die Kurdengebiete im Nordirak verzögert.

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