Parteien in Deutschland Der Anti-Trump-Wahlkampf

Im Bundestagswahlkampf könnte US-Präsident Trump den Parteien als Mobilisierungsfaktor dienen. Es zeichnen sich zwei Lager ab: eines, das mehr Weltoffenheit fordert und das andere, das für autoritäre Tendenzen steht.

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Die Parteien könnten im aufziehenden Bundestagswahlkampf den US-Präsidenten als Mobilisierungsfaktor nutzen. Quelle: AP

Berlin Kann man etwas von US-Präsident Donald Trump lernen, wurde Martin Schulz jüngst gefragt. „Ja klar“, sagte der designierte SPD-Kanzlerkandidat, „dass es in der Bundesrepublik keinen Diffamierungswettbewerb geben darf wie dieser Mann ihn geführt hat.“ Und auch sonst gehört ein Hieb auf den US-Präsidenten bei Schulz schon zum Standardrepertoire: Wer von der Lügenpresse rede, „der legt die Axt an die Wurzeln der Demokratie – ob er Präsident der USA ist, oder in einer Pegida-Demonstration mitmarschiert. Beides ist nicht akzeptabel“, wettert er dann.

Tatsächlich können die Parteien im aufziehenden Bundestagswahlkampf Trump als Mobilisierungsfaktor nutzen. In den Parteizentralen wird auch darüber beraten, ob mit den Wahlprogrammen auf die Amtsführung des US-Präsidenten reagiert werden soll.

„Die Wahl von Donald Trump hat bei uns eine Eintrittswelle ausgelöst“, berichtet SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Knapp 2.000 Menschen seien in den Tagen nach den US-Wahlen in die SPD eingetreten. „Sie wollten aktiv etwas tun, gegen diejenigen, die unsere Gesellschaft mit Hetze, Hass und Ausgrenzung vergiften“, sagte Barley dem Handelsblatt. Denn dieses „System Trump“ sei auch in Deutschland zu beobachten.

Die Pateistrategen im Willy-Brandt-Haus gehen zudem davon aus, dass die Erfahrungen aus dem US-Wahlkampf mit Fake News und Hacker-Angriffen den hiesigen Wahlkampf am meisten beeinflussen werden. Dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jüngst den SPD-Kanzlerkandidaten mit Trump verglich, was harsche Kritik hervorgerufen hatte, wird süffisant kommentiert: „Das war ein großes Geschenk, das so zu überdrehen.“ Solch plumpe Angriffe mobilisierten die eigenen Leute und stärkten die Zustimmung zu Schulz.

Trumps Amtsführung werde zwar keinen harten programmatischen Niederschlag im Wahlprogramm finden, heißt es in der SPD-Zentrale. Unterschwellig dürfte die Lage in den USA aber die Programmatik beeinflussen. So werde Freihandel propagiert, wenn Trump Isolationismus predige. „Sollte die neue US-Regierung ihre Pläne wahr machen und sich international aus der Verantwortung ziehen“, sagte SPD-Generalsekretärin Barley, „muss Europa darauf gemeinsam eine Antwort finden – wirtschaftlich, wie sicherheitspolitisch.“ Die USA seien aber mehr als Donald Trump. SPD, Union, Grüne und FDP betonen unisono, wie wichtig die transatlantischen Beziehungen sind.

„Die transatlantische Freundschaft ist sehr stark – sie ist im Interesse Deutschlands, freilich auch im Interesse Amerikas“, sagte CDU-Parteivize Thomas Strobl dem Handelsblatt. Daher werde auch dem Präsident „der ältesten Demokratie der Welt“ mit Respekt begegnet. Es gebe aber andererseits kaum Zweifel: „Trump wird seine Deals machen, dass sie Amerika nutzen – die Frage, ob Europa was davon hat oder nicht, leitet ihn vermutlich nicht.“ Deswegen werde Europa zwangsläufig selbstständiger werden müssen, sagte Strobl. „Vielleicht kann das sogar nutzen, dass in den Staaten Europas wieder mehr die Einsicht wächst, dass sie sich gegenseitig brauchen – weil jeder europäische Staat für sich genommen im globalen Maßstab nicht die notwendige Betriebsgröße hat.“

Die europäischen Staaten sollten deshalb gemeinsame Interessen identifizieren. Nach Informationen des Handelsblatts aus Parteikreisen will die Union in ihrem Programm für die Bundestagswahl auch die Bedeutung des Freihandels betonen und weiter auf ein entsprechendes Abkommen mit den USA setzen.


„In Deutschland gibt es zum Glück keinen Trump“

„Hat die Wahl von Donald Trump Folgen für den Wahlkampf in Deutschland? Ja. Führen wir einen Wahlkampf gegen Trump? Nein“, sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner dem Handelsblatt. Auch wenn manche Politiker wie CSU-Chef Horst Seehofer sich mitunter als Trump-Fans zu verstehen gäben, „gibt es in Deutschland zum Glück keinen Trump und auch keine Mehrheit für Trump´sche Positionen“.

Der Bundestagswahlkampf 2017 sei aber geprägt von der Auseinandersetzung „zwischen Weltoffenheit und autoritären Tendenzen“, sagte Kellner. Das sei klar von den USA beeinflusst, doch nicht nur dort nähme Rechtspopulismus zu, sondern auch in Russland, der Türkei und in Teilen Europas. Kellner sieht die Grünen ungeachtet der derzeitigen Umfragewerte bei diesem Thema gut aufgestellt: „Es gibt keine Partei, die so klar und standhaft für Weltoffenheit, Toleranz, Freiheit und Europa eintritt wie die Grünen. Das müssen wir ausbauen.“

Kellner kündigte an, die Grünen würden im bevorstehenden Wahlkampf verstärkt das persönliche Gespräch suchen. „Ich will im Sommer keine Indoor-Veranstaltung haben, wo sich Grüne mit Grünen unterhalten. Wir müssen die Zeit lieber nutzen, um mit Skeptikern ins Gespräch zu kommen.“ Auch wenn grüne Positionen angegriffen würden: „Uns in eine Verteidigungshaltung zu flüchten, bringt uns nicht weiter“, mahnte Kellner. „Raus auf die Straße und klar Haltung zeigen“, forderte er. Die Leute aus ihrer Blase herauszuholen, das gehe nicht über Social Media und Twitter. Zweifellos sorge die Unberechenbarkeit Trumps auch hierzulande für eine größere Schwankungsbreite der Themen. „Damit muss aber jede Partei klarkommen.“

Die FDP will einen betont „ernsthaften“ Wahlkampf führen. „Der US- Wahlkampf war für uns ein abschreckendes Beispiel. Es gab extreme Negativ-Kampagnen auf beiden Seiten“, sagt FDP-Bundesgeschäftsführer Marco Buschmann dem Handelsblatt. Am Ende müsse man sich nicht wundern, warum es so eine schlechte Wahlbeteiligung gab. Auch auf die thematische Ausrichtung des Bundestagswahlkampfes der FDP hat die US-Wahl Einfluss. „Die Trump-Wähler waren nicht die Abgehängten, sondern es waren viele Leute aus der Mittelklasse“, meint Buschmann. Die FDP will daher vor allem die Mitte ansprechen. Von einem Anti-Trump-Wahlkampf rät sie ab. „Es ist absurd, sich selbst nur negativ in Abgrenzung zu Trump zu definieren. Parteien müssen sich positiv und mit eigenen Positionen definieren.“

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