Parteien Die AfD wird im Mittelstand salonfähig

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Konservative Gedankenspiele

Es war eine andere Zeit und eine andere Partei. Heute verdankt die AfD ihren Erfolg einem einzigen Thema: den Flüchtlingen. Der Ton wurde rauer, die Gesellen in der Partei fragwürdiger. Die einen, wie Henkel, haben sich abgewandt. Andere, Unternehmer wie Wall, sind ihr als Sympathisanten treu geblieben. Und wieder andere lassen das Verhältnis einfach ungeklärt, in der Hoffnung, die Alternative für Deutschland habe den Anspruch, der in ihrem Namen steckt, noch nicht ganz aufgegeben. So wie Heinrich Weiss.

Weiss hat einst die Gründungsrede der Vereinigung mittelständischer Unternehmer in der AfD gehalten. Der 74-Jährige ist Aufsichtsratschef und Eigentümer des Düsseldorfer Anlagenbauers SMS, eines Konzerns mit etwa drei Milliarden Euro Umsatz und 14 000 Mitarbeitern. Weiss tummelte sich mal im Umfeld der CDU, mal in dem der FDP. Er war Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Einer, den man landläufig als Elite der deutschen Wirtschaft bezeichnet.

Ein Mann, der es in dem System, dessen Generalüberholung er sich von der AfD erhofft, weit gebracht hat. Eben dieser Weiss, so schrieb das „Manager Magazin“ vor einiger Zeit, habe sich durch sein Engagement „gesellschaftlich ins Abseits manövriert“. Das möchte der so nicht stehen lassen. Allerdings sagt Weiss auch: „Da die AfD wegen einiger Rechtsextremisten von Anfang an einen Ruf als nicht demokratische Partei hatte, haben einige Unternehmerkollegen mein damaliges Engagement nicht verstanden und mich als ‚verlorenen Sohn‘ betrachtet.“

Die Gesichter der AfD

Freilich kennt auch Weiss die Gründe für das schlechte Image. Auch er hörte Stimmen, wie die von Hansjörg Müller, Chef des Mittelstandsforums der AfD, der sich mit der Feststellung zitieren ließ, unter Lucke sei die Ausrichtung „so schwammig“ gewesen. Jetzt sei die Botschaft klar: „Deutsche Interessen zuerst.“

Weiss ist deswegen seit einiger Zeit nicht mehr aktiv in der AfD. Einerseits. Andererseits hat er etwa seine Mitgliedschaft im Mittelstandsforum der Partei nicht gekündigt. Er kenne kaum einen Unternehmer, der sich offen zur AfD bekannt hätte. Aber viele sähen eine politische Leerstelle, die es zu füllen gelte. „Die meisten Unternehmer kümmern sich lieber um ihr Unternehmen und engagieren sich nicht in der großen Politik, obwohl sie mir im privaten Gespräch immer wieder meine Kritik am Euro und an der verfehlten Wirtschaftspolitik dieser Regierung bestätigen“, sagt Weiss. Und Werber Wall sagt: „Die AfD ist die einzige Partei, die eine nationale Vision für die Zukunft Deutschlands hat.“ Mit Rechtsradikalismus habe das nichts zu tun, beteuert er.

Die AfD hat es so immerhin in Teilen geschafft, die enttäuschte Unternehmerschaft an sich zu binden. Wie groß der Anteil ist? Im Mittelstandsforum der Partei haben sich einige von ihnen zusammengeschlossen, um die 200 sollen es inzwischen sein. Und die Zahl ist seit dem Abgang der Wirtschaftsprofessoren um Bernd Lucke nicht gesunken. „Vor allem im Mittelstand ist die AfD salonfähig geworden“, sagt auch Peter Radunski. Der CDU-Mann hat einst den Wahlkampf von Helmut Kohl gemanagt, er spricht für einen ganzen Flügel der Partei, der seine Meinung derzeit kaum artikuliert: „Gerade im Mittelstand scheinen viele Unternehmer die Folgen der Globalisierung zu fürchten und lehnen zum Beispiel das Freihandelsabkommen TTIP ab. Die AfD, die für eine Politik der Abschottung wirbt, wirkt daher anziehend.“

Die Sprüche der AfD

Das Verhältnis zwischen der AfD und den Eliten aus Wirtschaft und Gesellschaft ist kompliziert. Für beide Seiten liegen Chance und Risiko in einer Annäherung. So liebäugeln manch einflussreiche Konservative damit, die AfD durch eine Lockerung des existierenden Wahltabus erst zu mäßigen und dann zu entzaubern. Es entstünde eine Art wertkonservatives Korrektiv zur nach links gerückten CDU von Angela Merkel, das spätestens nach der ersten enttäuschenden Regierungsbeteiligung der AfD wieder verschwinden würde. Zugleich birgt das die Gefahr, die AfD erst zu etablieren und dann trotzdem die Kontrolle über ihre Ausrichtung zu verlieren.

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