Parteitag der Grünen Ökopartei attackiert die „Klimakanzlerin“

Die Grünen besinnen sich zurück auf ihren Markenkern. Auf dem Bundesparteitag in Berlin schießen sie volle Breitseite gegen Angela Merkel und Christian Lindner. Der Automobilindustrie reichen sie hingegen die Hand.

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Der Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl, Cem Özdemir, spricht am 17.06.2017 im Velodrom in Berlin beim Grünen-Bundesparteitag (16.-18. Juni) zu den Delegierten. Foto: Rainer Jensen/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa

Berlin Die Grünen besinnen sich auf ihre Wurzeln: Im Wahlkampf kämpfen sie um den dritten Platz hinter Union und SPD – fast ausschließlich mit Ökothemen. Sie versprechen den Komplettumstieg auf erneuerbare Energie bis 2030 und wollen dafür im ersten Schritt die 20 dreckigsten Kohlekraftwerke abschalten. US-Präsident Donald Trump mache keinen Klimaschutz, „weil er mit der alten fossilen Industrie unter einer Decke steckt“, sagte Özdemir, Angela Merkel hingegen „macht keinen Klimaschutz, obwohl sie es besser weiß“.

„Frau Merkel, sie sind keine Klimakanzlerin, sie sind das Gegenteil“, sagte die zweite Spitzenkandidatin, Katrin Göring-Eckardt. Die Bilanz der CDU-Chefin sei eindeutig: „Blockade für die Erneuerbaren, beim Kohleausstieg, und beim E-Auto.“ Stagnation beim CO2-Ausstoß.

Lindner als „Fred Feuerstein des Industriestandortes Deutschland“

Noch schlimmer schneidet aus grüner Sicht FDP-Chef Christian Lindner ab: Der Liberale Spitzenkandidat hänge sogar am Verbrennungsmotor, sei sozusagen „der Fred Feuerstein des Industriestandortes Deutschland“, attackierte Özdemir. Über die Vergangenheit von Porsche könne man mit Lindner – ein bekennender Porsche-Fan – gut sprechen, „über die Zukunft von Porsche dagegen besser mit mir“. Da sei er sich „einig mit meinem Freund Uwe Hück, dem Betriebsratschef von Porsche: Die Zukunft ist digital und elektrisch.“ Und warnte die FDP: „Mit Nostalgie sichert man keine Jobs“

Das Angebot der Grünen an die Automobilindustrie laute: Wir können den Übergang zu 100 Prozent emissionsfreien Autos so schnell wie möglich organisieren – „Aber Bedingung ist: Keine Tricks mehr! Lasst es! Wir kontrollieren das!“ Im Gegenzug biete die Ökopartei „Verlässlichkeit und Planungssicherheit – also das Gegenteil dessen, was es bei der Konkurrenz gibt“, so Özdemir.

Unverzichtbar sei die Wende beim Auto nicht nur aus Klima-Gründen, sondern auch um die Branche und ihre 800.000 Jobs zu sichern. „Ich will nicht, dass unsere Facharbeiter und Ingenieure in Stuttgart, Ingolstadt oder Wolfsburg abends ins Bett gehen und in einer verfallenen Autometropole wie Detroit aufwachen“, sagte der im schwäbischen Bad Urach aufgewachsene Sohn türkischer Gastarbeiter. Und verwies auf die Konkurrenz: „Ich will dass sie hier das neue Auto entwickeln und bauen.“

„Ich glaube an die deutsche Ingenieurskunst“

Um die Wende zu schaffen, will Özdemir „ordnungspolitische Anreize setzen, damit Innovationen die Richtung wechseln“, so der grüne Superrealo. „Denn ich glaube an die deutsche Ingenieurskunst – man muss sie nur endlich machen lassen“.

Der Grüne Ministerpräsident des Autolandes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, warnte eindringlich davor, dass „uns die andren bei den grünen Zukunftstechnologien den Rang ablaufen“. Bei Photovoltaik-Modulen dominiere China, bei der Elektromobilität liege Tesla vorn, und bei der Digitalisierung habe Deutschland die erste Runde an Google, Apple und Co. verloren. Ob Deutschland eine Zukunft als Industriestandort habe, „wird sich daran entscheiden, ob wir die ökologische und digitale Transformation gebacken kriegen“, warnte Kretschmann.

Genüsslich erinnerte er daran, dass er schon 2015 mit dem kalifornischen Gouverneur Jerry Brown ein Klimaschutzbündnis gestartet habe, dem inzwischen 180 Regionen angehören. Heute, nach dem Ausstieg des US-Präsidenten aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, wird diese Idee auch in der Union ventiliert.

Koalieren würden die Grünen jedoch durchaus nicht nur mit der SPD, sondern auch mit CDU und selbst mit der FDP – wenn sie genügend Ökoforderungen umsetzen können. Das machten alle Redner auf dem Parteitag klar. Kretschmann sagte es am deutlichsten: „Es ist egal mit wem wir ab Herbst im Bund regieren, Entscheidend ist, dass wir regieren.“

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