Parteitag Grüne suchen ihre Mitte

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Seelenmassage für die Partei

Die Grünen aus den Ländern, die in sechs Regierungen mitmischen, wollen mehr zu sagen bekommen und für Bodenhaftung statt luftiger Forderungen sorgen. Läuft es für die Reformer gut, könnte der Kieler Energie- und Umweltminister Robert Habeck künftig "Regierungssprecher" der Länder bei den Grünen werden. Für den Parteivorsitz tritt wieder Cem Özdemir an, der als Realo immer schon Kontakte zur Wirtschaft geknüpft hat, der aber nur bedingt als durchsetzungsstark gilt. An seine Seite dürfte die Saarländerin Simone Peter kommen, die als Co-Parteichefin gesetzt scheint. Sie ist zum Beispiel gegen eine schnelle Öffnung hin zu Schwarz-Grün als möglicher Koalition. Im Saarland war sie Teil der Jamaika-Koalition mit CDU und FDP, die kläglich scheiterte. Sie dürfte die Position Claudia Roths übernehmen, die stärker für die Seelenmassage der Parteileute als fürs Schmieden neuer Bündnisse in die Mitte der Gesellschaft hinein zuständig war.

Richtig spannend wird es in der Bundestagsfraktion, deren zwei Chefs bei den Bündnisgrünen mächtiger sind als die Parteivorsitzenden. Bisher unangefochten ist die Kandidatur des etwas schroffen wie fachlich versierten Bayern Anton Hofreiter. Der Blonde mit der Mähne wird vom linken Flügel gestützt und würde formal Trittins Platz einnehmen. In der Verkehrspolitik ist er versiert und argumentiert scharf, bei vielen anderen Themen schwamm er in den vergangenen Tagen bei Nachfragen noch sichtlich. Wollen die Grünen aber als kleinste Partei einer Mini-Opposition im Bundestag und einer großen Koalition durchdringen, brauchen sie auf dem Fraktionsvorsitz noch eine wirtschaftsaffine und präsente Frau. Es kämpfen die zweite Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Katrin Göring - Eckardt, und die Vizefraktionsvorsitzende und Wirtschaftsexpertin, Kerstin Andreae.

Göring-Eckardt war zu Zeiten der Hartz-Reformen, die sie mit durchkämpfte, schon mal Fraktionschefin. Doch dieses Profil hat sie verloren. Sie wirkt weichgespült und wenig greifbar. Das könnte sich bei der Wahl in der Fraktion zu ihren Gunsten auswirken, weil auch die Linken unter den Grünen-Abgeordneten sie leichter wählen können als Andreae. Die macht sich für enge Kontakte zur Wirtschaft und die Einbeziehung von Unternehmern stark. Doch Andreae wäre wohl die bessere Wahl.

Sie hat klare Positionen, die Unternehmen als wichtige Partner anerkennt und sie genießt Anerkennung sowohl bei Wirtschaftsleuten als auch bei Vertretern der Zivilgesellschaft. Sie könnte wieder mehr Bodenhaftung bringen und die Grünen für mehr Koalitionen als nur mit den Roten öffnen. Bereits am Anfang kommender Woche dürfte eine Vorentscheidung zwischen beiden Frauen fallen. Endgültig wählen die Abgeordneten ihre Fraktionsspitze am 8. Oktober.

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