Peer Steinbrück kritisiert SPD „Steht da jetzt Erich Schulz-Honecker?“

SPD-Kanzlerkandidat Schulz will trotz der jüngsten Pleiten mutig in den Wahlkampf ziehen. Störfeuer kommt vom gescheiterten Merkel-Herausforderer Steinbrück. Er warnt Schulz, allein auf das Thema Gerechtigkeit zu setzen.

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Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat kritisiert den Wahlkampf seiner Partei. Quelle: dpa

Berlin SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will bei einem Wahlsieg unmittelbar etwas gegen die schlechtere Bezahlung von Frauen tun. „Eine SPD-geführte Bundesregierung wird in den ersten 100 Tagen alle notwendigen Initiativen ergreifen (...), um sicherzustellen, dass diese Schande, dass Frauen immer noch schlechter bezahlt werden als Männer, aufgelöst wird“, sagte Schulz am Samstag bei einer Wahlkampf-Konferenz vor rund 500 SPD-Funktionären in Berlin.

In kaum einem EU-Land ist die Lohnlücke so groß wie in Deutschland. Frauen verdienen durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer – auch weil sie wegen der Kinderbetreuung länger in Teilzeit sind.

Schulz ging bei der Veranstaltung direkt auf die Kritik ein, er sei vor den verlorenen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen öffentlich auf Tauchstation gewesen - während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei diversen Gipfeltreffen Weltpolitik gemacht habe.

Er tingele über die Dörfer, um aufzunehmen, was in diesem Land los sei. „Die Bundestagswahl wird weder in Washington noch in Moskau entschieden, aber auf diesen Dörfern, wo ich tingele“, sagte Schulz. Ebenso wies er Vorwürfe aus sozialen Medien zurück, wo er wahlweise als „Schulden-Schulz“, „Schizo-Schulz“ oder „Lügen-Schulz“ bezeichnet werde: „Macht, was Ihr wollt, mich werdet Ihr nicht ändern, ich bin so wie ich bin.“

In seiner 70-minütigen Rede machte Schulz deutlich, dass die soziale Gerechtigkeit sein zentrales Wahlkampfmotiv bleibt. Die Lohnungleichheit sei für ihn ein Beispiel, dass es trotz Wohlstands und Wachstums nicht gerecht zugehe. Für Frauen sei es eine der schlimmsten Demütigungen, dass sie für gleiche Arbeit oft viel weniger Geld bekämen als männliche Kollegen. Die Bundestagswahl am 24. September werde deshalb eine Richtungsentscheidung: „Ich möchte, dass es in diesem superreichen Land gerechter zugeht.“


Steinbrück ist strikt gegen Rot-Rot-Grün

Widerspruch kommt von Peer Steinbrück. Der 2013 gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat warnte Schulz, allein auf Gerechtigkeit zu setzen. „Die SPD wird auf diesen Code nicht verzichten können“, sagte der frühere Bundesfinanzminister der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Ich gebe aber allen recht, die sagen: Die Konzentration auf die Gerechtigkeit reicht nicht, es muss etwas dazu kommen, das Fortschritt, Zukunftsoptionen verdeutlicht.“ Trotz der Niederlagen bei allen drei Landtagswahlen in diesem Jahr muss die SPD aus Steinbrücks Sicht weiter auf ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz setzen. „Man kann die Pferde nicht mitten im Galopp wechseln.“ Zugleich riet der frühere SPD-Kanzlerkandidat den Sozialdemokraten zu einer Absage an eine rot-rot-grüne Koalitionsoption geraten. „Ich glaube, dass die SPD gut beraten ist, Spekulationen über Rot-Rot-Grün die Grundlage zu entziehen“, sagte Steinbrück der „Bild am Sonntag“. „Der Flirt mit dieser Konstellation wird nicht belohnt.“

Zu Schulz sagte Steinbrück, das 100-Prozent-Ergebnis bei dessen Wahl zum Parteivorsitzenden im März sei „vergiftet“ gewesen. „Die Partei saß plötzlich auf Wolke sieben, es hat sich ein Realitätsverlust eingestellt und das Publikum hat sich gewundert: Steht da jetzt Erich Schulz-Honecker?“ Die SPD sollte lockerer werden. „Der Begriff der Heulsusen trifft gelegentlich den Gemütszustand der SPD. Nur wehe, Sie sprechen ihn aus.“ Zugleich riet der SPD-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl 2013 seinen Parteifreunden zu mehr Lockerheit. Diese seien „häufig zu verbiestert, wahnsinnig überzeugt von der eigenen Mission“. Und: „Der Begriff der Heulsusen trifft gelegentlich den Gemütszustand der SPD. Nur wehe, Sie sprechen ihn aus.“

Die SPD-Spitze hatte zu Wochenanfang Eckpunkte ihres Wahlprogramms auf den Weg gebracht. Die Konzepte für Steuern und Rente fehlen noch. Schulz kritisierte die Ankündigung von CSU-Chef Horst Seehofer, der den Wählern „wuchtige“ Steuersenkungen in Aussicht gestellt hat. „Ich weiß nicht, was bei dem wuchtig ist. Nein, ich bin für wuchtige Investitionen“, sagte er. Bei den Kommunen gebe es einen Investitionsstau von 140 Milliarden Euro.

CDU und SPD wollen beide nach der Wahl am 24. September eine Neuauflage der großen Koalition vermeiden. Für die Sozialdemokraten kommt als Bündnispartner neben Linken und Grünen (R2G) auch die FDP in Frage.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sah die Linkspartei in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) „noch weit von der Regierungsfähigkeit entfernt“. Er sagte: „Die SPD wird nur in eine Regierung gehen, in der sich alle klar zur EU und zur Nato bekennen und zur internationalen Verantwortung Deutschlands stehen.“

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