Petry und der AfD-Sonderparteitag „Außen hui, innen pfui?“

AfD-Chefin Petry behauptet, wegen des Führungsstreits keine Neuwahl der Parteispitze gefordert zu haben. Die Wahrheit sieht anders aus. Das sorgt für Unmut. Für Petry ist der Widerspruch „normales politisches Geschäft“.

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Mut zur Unwahrheit: Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) machte sich für eine Neuwahl der Parteispitze stark - und bestritt dann diese Forderung erhoben zu haben. Quelle: dpa

Berlin Am Wochenende hatte sich die zerstrittene AfD dazu durchgerungen, auf einen Sonderparteitag zur Neuwahl des Bundesvorstands zu verzichten. Die Entscheidung gegen ein solches außerordentliches Delegiertentreffen fiel am Sonntag bei einem Parteikonvent in Kassel mit 37 zu 11 Stimmen sogar mit großer Mehrheit. Was viele jedoch nicht wissen: Die Konvent-Teilnehmer schmetterten damit einen Antrag des sächsischen Landesverbands der AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry ab.

Beantragt worden war die Abstimmung vom sächsischen AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer. Das Vorgehen dürfte mit Petry abgestimmt gewesen sein. Immerhin hat sie sich selbst für einen Sonderparteitag stark gemacht, wie aus einem Bericht im aktuellen Rundbrief ihres Landesverbands „AfD-Sachsen aktuell“ hervorgeht.

Das ist umso verwunderlicher, als Petry kurz danach in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung bestritt, jemals eine Neuwahl der Parteispitze ins Gespräch gebracht zu haben. Den Widerspruch ihrer Aussagen zu einem Sonderparteitag erklärte Petry auf Handelsblatt-Anfrage damit, dass sich die „Konstellationen“ binnen vier Tagen nach „diversen Gesprächen auf allen innerparteilichen Ebenen“ geändert hätten. „Ein Sonderparteitag wäre ohnehin nur die Ultima Ratio gewesen“, erklärte sie. „Mitunter stellt man eine solche in den Raum, um sie zu vermeiden, das ist normales politisches Geschäft.“

Ein Parteitag hätte, wie Petry sagte, „mehrere Optionen zwischen kompletten Rücktritten und kompletten Neuwahlen gehabt“. Ihr sei es aber vorrangig um die Frage gegangen, „ob und wie diese Partei geführt werden will, also um Veränderungen im Bundesvorstand, und diese lassen sich auch ohne Parteitag bewerkstelligen“. Bleibt die Frage, warum der Antrag auf Einberufung eines Sonderparteitags dann nicht zurückgezogen wurde.

Der „Bild“ hatte Petry zuvor gesagt: „Ich persönlich habe nie einen außerordentlichen Bundesparteitag zur Neuwahl des Vorstands gefordert.“ Kein vernünftiger Politiker sehne sich jetzt „einen unnötigen Parteitag herbei“.  Im Rundbrief ihres Landesverbands wird dagegen von einem Treffen des Landessenats und des Landesvorstands in Siebenlehn berichtet, bei dem sich Petry für einen solchen Sonderparteitag ausgesprochen hatte.

Wörtlich heißt es in dem Brief: „Frauke Petry nimmt ausführlich zu den vorangegangenen Wortmeldungen Stellung und wirbt für einen Parteitag als Delegiertenparteitag mit der Neuwahl des Bundesvorstandes. Die Frage müsse geklärt werden, ob die Partei überhaupt geführt werden wolle.“

Der Landesvorstand repräsentiert die Parteispitze um Petry. Der Landessenat besteht laut Satzung aus drei Vertretern des Landesvorstands und je zwei Vertretern jedes Kreisvorstandes sowie jeweils einem stimmberechtigten Mitglied der anerkannten Vereinigungen innerhalb des AfD-Landesverbandes.


„Bundesvorstand  wird kein gemeinsamer Wahlkampf zugetraut“

Vorausgegangen war bei dem Treffen in Siebenlehn, an dem auch Petrys Lebensgefährte, der NRW-Landeschef und Europaabgeordnete Marcus Pretzell, teilnahm, eine „kontroverse“ Diskussion, bei der die Befürchtung geäußerte worden sei, „dass innerparteiliche Querelen wieder das Bild der AfD nach außen prägen“ könnten. Zudem sei ins Feld geführt worden,  „dass dem aktuellen Bundesvorstand  kein gemeinsamer konstruktiver Wahlkampf zur Bundestagswahl  zugetraut wird“.

Petry unterstrich laut dem Rundbrief die „Dringlichkeit“  bei der Klärung der Führungsfrage, die sich auch daraus ergebe, „dass bisher keinerlei Vorbereitungen für den Bundestagswahlkampf getroffen wurden, weil es Bundesvorstandsmitglieder gibt, die die Vorbereitungen blockieren“. Laut dem Brief schlug Senatspräsident Jan Zwerg im Anschluss an die Diskussion nicht nur personelle Änderungen vor, sondern auch „die Struktur des Bundesvorstands auf einen Vorsitzenden umzustellen“. Petry nannte die Überlegungen Zwergs gegenüber dem Handelsblatt legitim, sie seien aber nicht die Position des Landesverbandes.

Bei den anschließenden Abstimmungen bei dem Treffen in Siebenlehn hatte der Senat bei einer Gegenstimme und je einer Enthaltung jedoch für einen Sonderparteitag in diesem Jahr votiert, der als Delegiertenparteitag stattfinden solle. Entsprechend lautete dann auch die Empfehlung an die sächsischen Konvents‐Delegierten Hubertus  von Below, Carsten Hütter und Uwe Wurlitzer für Kassel.

In der Partei kommen Petrys widersprüchliche Aussagen zu einem Sonderparteitag nicht gut an. „Außen hui, innen pfui?“, schrieb der AfD-Politiker Bengt Hoffmann auf seiner Facebook-Seite. „Tatsächlich erinnert einen das irgendwie an die Altparteien. Da werden auch Dinge gesagt, die man so nie gesagt hat.“

Hoffmann plädierte für eine Parteiführung aus drei Vorsitzenden, die gemäß der Beschlusslage und der damit verbundenen Erwartungshaltung der Mitglieder die Partei voranbringe. „Also sozusagen als AUS-FÜHRENDES Organ verstanden, nicht als selbsternanntes Leuchtfeuer, welches sich selbst befähigt sieht, uns den Weg zu weisen.“

Hoffmann ist in der AfD kein Unbekannter. Im Frühjahr hatte er für öffentliches Aufsehen gesorgt, als er gemeinsam mit dem nordrhein-westfälischen AfD-Landeschef Martin E. Renner und Axel Hahn ein „Politisches Manifest“ verfasste. Das Manifest sollte nach dem Willen der Verfasser auf dem Parteitag in Stuttgart verabschiedet werden – statt des von der Parteispitze vorgelegten Grundsatzprogramms.

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