Wenn ein Arzt einem kranken Menschen helfen möchte, verschreibt er häufig Medikamente. Der Patient erwartet, dass sein Arzt nötige Präparate nach bestem Wissen und Gewissen auswählt. Doch Mediziner können in einen Interessenkonflikt geraten, wenn sie zugleich finanzielle Verbindungen zu Herstellern bestimmter Medikamente haben.
2016 finanzierten die Pharmaunternehmen Tausenden Ärzten Besuche auf Kongressen, bezahlten sie für ihre Vorträge bei Tagungen, erstatteten ihnen Hotelrechnungen und zahlten Honorare für Studien. Bei der freiwilligen Initiative FSA legen 54 Pharmafirmen, die nach eigenen Angaben 75 Prozent des Gesamtmarktes abdecken, ihre Zahlungen offen.
Sie allein haben 2016 insgesamt rund 66.000 Ärzte, Apotheker und andere Gesundheitsberufler sowie rund 6020 Institutionen wie Kliniken und Praxen finanziell unterstützt. Die Zahlungen beliefen sich auf insgesamt 562 Millionen Euro.
So lassen sich die Zahlungen aufteilen
... erhielten die Empfänger für sogenannte Anwendungsbeobachtungen (AWB) und klinische Studien
... bekamen einzelne Ärzte, Apotheker und Heilberufler für Vorträge, Fortbildungen und Beratung.
... empfingen Krankenhäuser und andere Einrichtungen für Sponsoring, Beratung und Veranstaltungen.
Nicht jede Verbindung zwischen der Industrie, Kliniken und Ärzten ist zu verteufeln. So ist es zum Beispiel wichtig, dass praktizierende Ärzte Unternehmen bei der Entwicklung neuer Medikamente beraten. Anders als bei Medizinern steht bei den Firmen jedoch nicht allein das Wohl der Patienten im Mittelpunkt, sondern auch das Streben nach einem möglichst großen Gewinn.
Diese verschiedenen Interessen können die unabhängige Urteilskraft von Ärzten beeinflussen, müssen es aber natürlich nicht. Studien haben allerdings gezeigt, dass Mediziner mit vielen Verbindungen zur Pharmaindustrie Gefahr laufen, Nebenwirkungen eher herunterzuspielen oder eher teure Medikamente verschreiben.
Die US-Regierung reagierte bereits 2010 auf die Problematik und schuf ein Gesetz, das die Offenlegung aller Pharma-Zahlungen an Mediziner vorschreibt. Um eine solche Regelung in Deutschland zu verhindern, starteten die Lobbyorganisationen VfA und FSA 2015 den Transparenzkodex. Dieser sieht vor, dass die 54 Mitgliedsunternehmen neben Gesamtsummen jeweils eine Liste mit den Namen einzelner Ärzte und den an sie gezahlten Leistungen veröffentlichen.
Das Problem: Die Firmen nennen die Namen nur, wenn Zahlungsempfänger der Veröffentlichung zugestimmt haben. Im vergangenen Jahr waren dazu 31 Prozent der Empfänger bereit, in diesem Jahr lag die Quote nur noch bei 25 Prozent - also nur bei jeder vierten Person, die Pharmaleistungen empfangen hat. Anders gesagt: Drei Viertel aller Betroffenen wollen die Zahlungen geheim halten. Trotz des geringen Anteils liefern die Dokumente die Namen von mehr als 16.500 Personen, die zusammen Leistungen im Wert von knapp 24 Millionen Euro erhalten haben.
Um auf Basis dieser Daten eine größtmögliche Transparenz zu schaffen, hat Correctiv gemeinsam mit dem Datenteam von „Spiegel Online“ die Informationen aus den Dokumenten zusammengefasst und die Datenbank „Euros für Ärzte“ 2016 erstellt. Darin lassen sich die Summen für jene Ärzte und Fachkreisangehörige suchen, die einer Namensnennung zugestimmt haben. Auch die Institutionen, Organisationen und Kliniken sind auffindbar samt erhaltener Summe. Außerdem gibt es so genannte „Null-Euro-Ärzte", die Pharmazahlungen laut eigenen Angaben ablehnen.