Pharmaindustrie Preisbremse für Arzneimittel

Ein Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe will künftig eine Preisbremse für neue Arzneimittel ermöglichen. Da die Umsatzschwelle aber relativ hoch angesetzt ist, steht das Vorhaben in der Kritik.

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Ein neuer Gesetzentwurf sieht eine Umsatzschwelle für neu eingeführte Medikamente vor. Quelle: dpa

Berlin Die Bundesregierung will mit einer Preisbremse die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente begrenzen. Ein am Mittwoch vom Kabinett verabschiedeter Gesetzentwurf sieht vor, dass ab einer Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro die Preise für neue Arzneimittel im ersten Jahr nach der Einführung abgesenkt werden müssen. Zudem soll das seit 2009 geltende Preismoratorium anders als geplant nicht 2017 auslaufen, sondern bis 2022 gelten.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sprach von einem ausgewogenen Maßnahmenpaket, das die langfristige Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens im Blick habe und die möglichst schnelle Versorgung mit neuen Arzneien sicherstelle.

Die Hersteller können den Preis für ihr Medikament im ersten Jahr nach der Einführung beliebig festsetzen. Nach zwölf Monaten gilt dann ein zwischen Kassen-Spitzenverband und dem Unternehmen auszuhandelnder, rabattierter Erstattungsbetrag. Gröhes Gesetzentwurf sieht nun vor, dass der ausgehandelte Preis ab Erreichen der genannten Umsatzschwelle schon im ersten Jahr gelten soll. Insbesondere die Kassen haben kritisiert, dass die Hersteller anfangs oft „Mondpreise“ verlangen. Die jetzt geplante Regelung kritisierten sie als „Alibi-Lösung“. Der Vizechef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte, im vergangenen Jahr wären nur drei Arzneien darunter gefallen. Selbst bei einer Umsatzschwelle von 100 Millionen Euro würden lediglich sieben Präparate fallen. Der ausgehandelte Preis müsse daher rückwirkend ab dem ersten Tag gelten.

Der Pharmaindustrie ist die Umsatzschwelle ebenso ein Dorn im Auge wie das Preismoratorium. Bei diesem bekommen Hersteller die Kosten für ein Medikament nur auf dem Stand vom 1. August 2009 erstattet. Die Verlängerung bis zum Jahr 2022 soll den gesetzlichen Kassen Einsparungen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro bringen. Die Pharmaindustrie soll ab 2018 aber einen Inflationsausgleich bekommen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) beklagte, angesichts der guten gesamtwirtschaftlichen Lage und der Kassenüberschüsse müsse das Moratorium eigentlich schon längst der Vergangenheit angehören.

Vorgesehen ist auch, die in Deutschland ausgehandelten Erstattungspreise für neue Medikamente anders als bisher nicht mehr öffentlich zu listen. Dies entspricht einer Forderung der Industrie, die darauf verwiesen hat, dass die deutschen Preise bei Verhandlungen im Ausland als Referenzpreise gesehen werden. Die Details müssen noch geklärt werden. Die Kassen fordern, die genauen Beträge müssten auch künftig allen Ärzten zur Verfügung stehen, um Mittel „medizinisch sinnvoll und zugleich wirtschaftlich zu verordnen“.

Mediziner sollen in ihrem Praxis-Informationssystem künftig zudem erkennen können, ob ein Medikament gemessen an Preis und Nutzen als wirtschaftlich anzusehen ist. Dazu sollen ihnen Informationen aus aktuellen Studien zugänglich sein.

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Pharma-Unternehmen (vfa), Birgit Fischer, sprach von einem „Spargesetz, das Gefahren für die Qualität der Versorgung schafft“. Am Ende könnten die Patienten die Leidtragenden sein. Die vorgesehenen Verordnungsausschlüsse für Medikamente, die genauso gut wirkten wie andere, nähmen den Ärzten wichtige Behandlungsalternativen. Bei Brust- und Hautkrebs, Diabetes, Epilepsie, Multipler Sklerose und psychischen Störungen seien sie auf ein breites Spektrum an Möglichkeiten angewiesen.

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