Piratenpartei Die fünf Probleme der Piraten

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"Wir können nicht immer neue Modelle beschließen"

Marina Weisband Quelle: dpa

"Bis es dafür eine Software gibt, haben wir vielleicht auch eine vernünftige SMV", sagt Marina Weisband, die sich im Vorfeld für die Mitgliederversammlung besonders stark gemacht hat. Da eine Mehrheit ihre Auffassung geteilt hatte, sieht sie die Partei aber auf dem richtigen Weg. Da dieser aber sehr holprig aussieht, hoffen viele Piraten immer noch auf ein reines Online-Verfahren. "Eine SMV ersetzt der Beschluss definitiv nicht", sagt beispielsweise Lauer. Doch solchen Forderungen erteilt Schlömer eine Absage: "Wir können nicht immer sofort neue Modelle beschließen."

Die Umsetzung könnte für die Zukunft der Piraten noch enorm wichtig werden. Denn was bei der Konkurrenz eine langweilige parteiinterne Strukturfrage wäre, bildet bei den Piraten einen Teil des Selbstbildes. "Für viele Wähler der Piratenpartei sind die Beteiligungsmöglichkeiten so wichtig wie die Sachthemen", sagt Politologe Bieber. Neben den Inhalten wird mit den Piraten auch eine Methode gewählt. Ohne Online-Abstimmungen seien die Piraten insgesamt überflüssig schimpften viele Kritiker.

Überlastete Freizeitpolitiker

Zudem brauchen sie Online-Entscheidungen, um gleichzeitig basisdemokratisch und arbeitsfähig zu bleiben. Denn mit dem Wachstum potenzierten sich Arbeit und Konfliktfelder, schnell waren viele der Freizeitpolitiker überlastet und ausgebrannt. Die frühere Geschäftsführerin Marina Weisband ist das prominenteste Beispiel und in der öffentlichen Wahrnehmung ist der schnelle Aufstieg und Fall auch mit ihrem Gesicht verknüpft.

Dabei versuchten sich die Piraten immer der Personalisierung zu entziehen, dass diese Strategie in einer Gesellschaft, die Politiker eher aus Palaverrunden im TV statt aus Parlamentssitzungen kennt, schwerlich funktioniert, hat selbst der bekennende der Talkshowhasser Bernd Schlömer längst erkannt. Der Piratenchef setzt inzwischen auf das Motto "Themen und Köpfe".

Politik wird zum Hobby

Trotzdem sind die Piraten gegenüber den etablierten Parteien mit ihren Vollzeitfunktionären strategisch im Nachteil. Wichtige Spitzenpiraten gehen tagsüber normalen Berufen nach und betreiben die Politik danach in ihrer Freizeit. "Ich habe eine 80 bis 100-Stunden-Woche", sagt Bernd Schlömer, Parteichef und Beamter im Bundesverteidigungsministerium. Die Politik wird da zum Hobby, ein Privatleben außerhalb der Partei entfällt: "Die Wahlmöglichkeit, bei schönem Wetter einfach mal rauszugehen, gibt es nicht mehr".

So passiert es auch wie zuletzt im oberpfälzischen Neumarkt, dass zum Beginn des Parteitages und der Debatte über eine Neuwahl des Vorstands, deren Vorsitzender selbst noch nicht anwesend ist. Durch den Rücktritt des umstrittenen Geschäftsführers Johannes Ponader musste die Mitgliederversammlung kurzfristig auf drei Tage verlängert werden und begann bereits an einem Freitag. Doch Schlömer konnte da keinen Urlaub nehmen, in der bürointernen Brückentagsverteilung hatte er sich lange zuvor für das 1.-Mai-Wochenende entschieden, um zumindest einen Tag auf einer Fahrradtour entlang der Elbe mit seinem Hund komplett offline zu verbringen. Als er am nächsten Tag das Handy wieder einschaltete umtobte ihn bereits ein Shitstorm, da Schlömer in einem Interview über Motivationsprobleme seiner Partei gesprochen hatte. 

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