Nach jahrelangem Streit ist der Weg für die Einführung einer Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen frei. Der Bundesrat ließ am Freitag trotz erheblicher Kritik ein vom Bundestag beschlossenes Gesetzespaket passieren, mit dem die EU-Kommission grünes Licht für die „Infrastrukturabgabe“ geben will. Eine mögliche Anrufung des Vermittlungsausschusses fand in der Länderkammer keine Mehrheit. Damit kann Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die nächsten Schritte für die bisher gestoppte Maut-Einführung angehen.
Dobrindt verteidigte das zentrale Vorhaben der CSU in der großen Koalition erneut gegen Kritik. Die Maut habe „das klare Prädikat der EU-Kommission“ zu ihrer Rechtmäßigkeit bekommen, sagte er vor der Abstimmung im Bundesrat. Es entstünden „substanzielle Einnahmen“, die für Straßen-Investitionen zweckgebunden seien. „Zum allerersten Mal beteiligen sich alle, die unsere Straßen nutzen, auch an deren Finanzierung“, sagte Dobrindt. Inländische Autobesitzer würden nicht zusätzlich belastet.
Die Bundesländer hatten noch mautfreie Autobahn-Abschnitte in Grenzregionen gefordert, was Dobrindt erneut ablehnte. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) warnte vor Einbußen für Handel und Gastronomie in den Grenzregionen. Der Aufwand passe nicht zu den Einnahmen, die Schäden für das europäische Zusammenleben seien inakzeptabel. Baden-Württembergs Resortchef Winfried Hermann (Grüne) kritisierte „eine verheerende Signalwirkung“ für Europa.
Was die Pkw-Maut konkret für Autofahrer vorsieht
Inländer sollen für das knapp 13 000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39 000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Motors. Im Schnitt kostet sie 67 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14, 20 oder 25 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30, 40 oder 50 Euro (ebenfalls je nach Größe und Umweltfreundlichkeit).
Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
Statt an Klebe-Vignetten sollen alle Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Genaue Summen sind noch nicht festgelegt. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Inländer, die nachweisen können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
Eigentlich war die Pkw-Maut schon 2015 beschlossen worden. Da Brüssel kurz darauf ein Verfahren wegen der Verletzung von EU-Recht gegen Deutschland eröffnete, wurden die Gesetze aber bisher nicht umgesetzt. Zentraler Streitpunkt war der Vorwurf einer Benachteiligung von Fahrern aus dem Ausland, da nur Inländer für Mautzahlungen vollständig über eine geringere Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Dobrindt einigte sich aber im Dezember 2016 mit der EU-Kommission auf Änderungen am Modell.
Diese Nachbesserungen sind nun beschlossene Sache. Konkret sollen die Preise der Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland stärker differenziert werden. Inländer mit abgasarmen Euro-6-Autos sollen als Ausgleich für Mautzahlungen um 100 Millionen Euro zusätzlich bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Am angestrebten Ertrag von jährlich 500 Millionen Euro und der Vereinbarkeit mit EU-Recht gibt es weiterhin Zweifel. Starten soll die eigentliche Maut-Erhebung erst 2019.
Pkw-Maut in ausgewählten europäischen Ländern
Autofahrer brauchen für die Benutzung der sogenannten Nationalstraßen, zu denen auch die Autobahnen gehören, eine Vignette. Sie gilt ein Jahr und kostet 40 Schweizer Franken
Für Autobahnen und Schnellstraßen ist eine Vignette nötig. Sie kostet für 10 Tage 8,80 Euro, für ein Jahr 85,70 Euro.
Kroatienurlauber fahren meist durch Slowenien. Für Autobahnen und Schnellstraßen brauchen sie eine Vignette, die 15 Euro pro Woche kostet
Die Autobahnen A1, A2 und A4 sind streckenweise gebührenpflichtig.
Auf fast allen Autobahnabschnitten wird eine streckenabhängige Maut fällig.
Urlauber müssen auf fast allen Autobahnen zahlen. Die Gebühr hängt auch von der gefahrenen Distanz ab.
Bei der Auffahrt auf die Autobahn bekommen Fahrer in der Regel ein Ticket, das sie beim Verlassen je nach Distanz bezahlen.
Die meisten Autobahnen kosten. Die Bezahlung erfolgt je nach Strecke an Mautstationen oder elektronisch.
Der Länderkammer lagen Empfehlungen der zuständigen Ausschüsse vor, den gemeinsamen Vermittlungsausschusses mit dem Bundestag anzurufen. Darüber wurde aber nicht mehr im einzelnen abgestimmt, nachdem ganz allgemein für ein Vermittlungsverfahren keine Mehrheit zustande kam. Dies hätte das Verfahren verzögern können. Dobrindt hat angekündigt, nach Ende des Gesetzgebungsverfahrens eine europaweite Ausschreibung zu starten, mit der ein Betreiber für das Mautsystem gesucht wird.