Pkw-Maut Ein fatales Signal nach Europa

Die Pkw-Maut kommt. Bundestag und Bundesrat haben grünes Licht gegeben. Dank Union und Sozialdemokraten zieht Deutschland neue künstliche Grenzen hoch. Das ist Politik aus dem letzten Jahrhundert.

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Quelle: dpa

Es ist ja einfach nur so gerecht: Weil wir Deutschen im Ausland eine Pkw-Maut zahlen, sollen Ausländer künftig auch für deutsche Autobahnen blechen. Mit dieser Denkweise hat die CSU vor vier Jahren Wahlkampf gemacht und ihre Ausländer-Maut mit Stimmen der Sozialdemokraten durch den Bundestag gebracht. Nun hat die „Infrastrukturabgabe“ die letzte Hürde genommen: Der Bundesrat schickt das Projekt nicht in den Vermittlungsausschuss – und die CSU bekommt endlich, wofür sie so lange gekämpft hat.

Doch wer so denkt, muss auch die Folgen beachten. Holland, Belgien und Dänemark sind noch mautfrei. Diese Länder könnten schon bald mit einer eigenen Pkw-Maut nachziehen oder sich ganz andere Dinge überlegen, um deutsche Touristen zur Kasse zu bitten. Auch das wäre dann ja einfach ausgleichende Gerechtigkeit.

Während wir Europäer begrüßen, dass die Europäische Kommission die hohen Roaming-Gebühren beim Telefonieren eingestampft hat, werden wir beim „Roaming auf der Straße“ möglicherweise vermehrt zur Kasse gebeten. Das ist das Gegenteil von einem Europa der Reisefreiheit ohne Grenzen.

Was die Pkw-Maut konkret für Autofahrer vorsieht

Dabei ist eine Maut per se nicht verkehrt, weil sie die Nutzer in die Finanzierungspflicht nimmt. Durch die Pkw-Maut fließen künftig knapp vier Milliarden Euro direkt in den Verkehrsetat. Der Bundesfinanzminister hat auf dieses Geld keinen Zugriff mehr. Insofern ist das, was der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angeschoben hat, der Kollateralnutzen der Ausländer-Maut. Der Minister betont diesen Aspekt daher inzwischen jedes Mal mit besonderem Verve, weil er weiß, dass dieses Argument zieht. Doch in Wahrheit ist es nur vorgeschoben. Der CSU ging es immer nur darum, den ausländischen Nutznießern eins auszuwischen.

Denn wenn man über eine nutzerfinanzierte Maut nachdenkt, dann bitte über eine europäische Lösung und keine nationalen Alleingänge. Hier hätte der Verkehrsminister Initiative ergreifen können. Die Kommission in Brüssel wäre für kluge europäische Lösungen offen gewesen.

Die Fehlkonstruktionen dieser Maut

Bedenklich sind auch die vielen Unsicherheiten bei der Pkw-Maut, die aus dem Prestigeprojekt der CSU ein politisches Eigentor machen könnten. Verzichten Ausländer etwa auf den einen oder anderen Supermarkteinkauf in Grenznähe? Möglich ist das und das wäre nicht gut für Wirtschaft und Kommunen. Wie viele Einnahmen bringt die Maut wirklich? Der Minister rechnet mit 500 Millionen Euro pro Jahr, doch wahrscheinlich werden es weniger. Der ADAC geht gar von einem Minusgeschäft aus. Außerdem drohen die Einnahmen mit der Zeit zu erodieren, weil die Anzahl der Pkws mit hohem Schadstoffausstoß sinken dürfte. Bei besonders sauberen Autos mit einem Euro-6-Motor ist die Steuerersparnis bei der Kfz-Steuer nämlich größer als der Mautbetrag.

Und dann ist da noch ein Aspekt, der in der öffentlichen Diskussion nie eine Rolle spielt, aber die Fehlkonstruktion dieser Maut so offensichtlich macht. Inländer sollen nämlich nicht nur für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz, sondern auch für das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland dagegen zahlen nur auf den Autobahnen. In diesem Punkt diskriminiert die Maut sogar die Deutschen!

Pkw-Maut in ausgewählten europäischen Ländern

Ähnlich krude verhält es sich auch bei den Mautsätzen. Die Inländer müssen eine Jahresgebühr zahlen. Ausländer können auch Kurzzeittarife wählen. Damit das die eigene Bevölkerung nicht diskriminiert, hat sich Dobrindt was ganz Besonderes einfallen lassen: Inländer, die nachweisen können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein. Ich sehe bildlich schon die Beamtenbriefe vor meinem geistigen Auge, auf denen steht, dass die Behörde Zweifel am Nachweis habe. Bürokratieabbau auf bayerisch.

Fazit: Die Pkw-Maut ist ein falsches Signal nach Europa, in sich inkonsistent und steht finanziell auf wackeligen Beinen. Die zukünftige Bundesregierung nach der Bundestagswahl 2017 wäre gut beraten, sie gleich wieder abzuschaffen.

Die Pkw-Maut hat die letzte Hürde genommen: Der Bundesrat schickt das CSU-Prestigeprojekt trotz Kritik nicht in den Vermittlungsausschuss.

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