Es ist ja einfach nur so gerecht: Weil wir Deutschen im Ausland eine Pkw-Maut zahlen, sollen Ausländer künftig auch für deutsche Autobahnen blechen. Mit dieser Denkweise hat die CSU vor vier Jahren Wahlkampf gemacht und ihre Ausländer-Maut mit Stimmen der Sozialdemokraten durch den Bundestag gebracht. Nun hat die „Infrastrukturabgabe“ die letzte Hürde genommen: Der Bundesrat schickt das Projekt nicht in den Vermittlungsausschuss – und die CSU bekommt endlich, wofür sie so lange gekämpft hat.
Doch wer so denkt, muss auch die Folgen beachten. Holland, Belgien und Dänemark sind noch mautfrei. Diese Länder könnten schon bald mit einer eigenen Pkw-Maut nachziehen oder sich ganz andere Dinge überlegen, um deutsche Touristen zur Kasse zu bitten. Auch das wäre dann ja einfach ausgleichende Gerechtigkeit.
Während wir Europäer begrüßen, dass die Europäische Kommission die hohen Roaming-Gebühren beim Telefonieren eingestampft hat, werden wir beim „Roaming auf der Straße“ möglicherweise vermehrt zur Kasse gebeten. Das ist das Gegenteil von einem Europa der Reisefreiheit ohne Grenzen.
Was die Pkw-Maut konkret für Autofahrer vorsieht
Inländer sollen für das knapp 13 000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39 000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Motors. Im Schnitt kostet sie 67 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14, 20 oder 25 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30, 40 oder 50 Euro (ebenfalls je nach Größe und Umweltfreundlichkeit).
Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
Statt an Klebe-Vignetten sollen alle Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Genaue Summen sind noch nicht festgelegt. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Inländer, die nachweisen können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
Dabei ist eine Maut per se nicht verkehrt, weil sie die Nutzer in die Finanzierungspflicht nimmt. Durch die Pkw-Maut fließen künftig knapp vier Milliarden Euro direkt in den Verkehrsetat. Der Bundesfinanzminister hat auf dieses Geld keinen Zugriff mehr. Insofern ist das, was der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angeschoben hat, der Kollateralnutzen der Ausländer-Maut. Der Minister betont diesen Aspekt daher inzwischen jedes Mal mit besonderem Verve, weil er weiß, dass dieses Argument zieht. Doch in Wahrheit ist es nur vorgeschoben. Der CSU ging es immer nur darum, den ausländischen Nutznießern eins auszuwischen.
Denn wenn man über eine nutzerfinanzierte Maut nachdenkt, dann bitte über eine europäische Lösung und keine nationalen Alleingänge. Hier hätte der Verkehrsminister Initiative ergreifen können. Die Kommission in Brüssel wäre für kluge europäische Lösungen offen gewesen.
Die Fehlkonstruktionen dieser Maut
Bedenklich sind auch die vielen Unsicherheiten bei der Pkw-Maut, die aus dem Prestigeprojekt der CSU ein politisches Eigentor machen könnten. Verzichten Ausländer etwa auf den einen oder anderen Supermarkteinkauf in Grenznähe? Möglich ist das und das wäre nicht gut für Wirtschaft und Kommunen. Wie viele Einnahmen bringt die Maut wirklich? Der Minister rechnet mit 500 Millionen Euro pro Jahr, doch wahrscheinlich werden es weniger. Der ADAC geht gar von einem Minusgeschäft aus. Außerdem drohen die Einnahmen mit der Zeit zu erodieren, weil die Anzahl der Pkws mit hohem Schadstoffausstoß sinken dürfte. Bei besonders sauberen Autos mit einem Euro-6-Motor ist die Steuerersparnis bei der Kfz-Steuer nämlich größer als der Mautbetrag.
Und dann ist da noch ein Aspekt, der in der öffentlichen Diskussion nie eine Rolle spielt, aber die Fehlkonstruktion dieser Maut so offensichtlich macht. Inländer sollen nämlich nicht nur für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz, sondern auch für das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland dagegen zahlen nur auf den Autobahnen. In diesem Punkt diskriminiert die Maut sogar die Deutschen!
Pkw-Maut in ausgewählten europäischen Ländern
Autofahrer brauchen für die Benutzung der sogenannten Nationalstraßen, zu denen auch die Autobahnen gehören, eine Vignette. Sie gilt ein Jahr und kostet 40 Schweizer Franken
Für Autobahnen und Schnellstraßen ist eine Vignette nötig. Sie kostet für 10 Tage 8,80 Euro, für ein Jahr 85,70 Euro.
Kroatienurlauber fahren meist durch Slowenien. Für Autobahnen und Schnellstraßen brauchen sie eine Vignette, die 15 Euro pro Woche kostet
Die Autobahnen A1, A2 und A4 sind streckenweise gebührenpflichtig.
Auf fast allen Autobahnabschnitten wird eine streckenabhängige Maut fällig.
Urlauber müssen auf fast allen Autobahnen zahlen. Die Gebühr hängt auch von der gefahrenen Distanz ab.
Bei der Auffahrt auf die Autobahn bekommen Fahrer in der Regel ein Ticket, das sie beim Verlassen je nach Distanz bezahlen.
Die meisten Autobahnen kosten. Die Bezahlung erfolgt je nach Strecke an Mautstationen oder elektronisch.
Ähnlich krude verhält es sich auch bei den Mautsätzen. Die Inländer müssen eine Jahresgebühr zahlen. Ausländer können auch Kurzzeittarife wählen. Damit das die eigene Bevölkerung nicht diskriminiert, hat sich Dobrindt was ganz Besonderes einfallen lassen: Inländer, die nachweisen können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein. Ich sehe bildlich schon die Beamtenbriefe vor meinem geistigen Auge, auf denen steht, dass die Behörde Zweifel am Nachweis habe. Bürokratieabbau auf bayerisch.
Fazit: Die Pkw-Maut ist ein falsches Signal nach Europa, in sich inkonsistent und steht finanziell auf wackeligen Beinen. Die zukünftige Bundesregierung nach der Bundestagswahl 2017 wäre gut beraten, sie gleich wieder abzuschaffen.