Plädoyer für die Cannabis-Freigabe Haschisch für alle

Die Debatte um die Freigabe weicher Drogen spaltet Deutschland. Ökonomen, Psychologen und Juristen fordern einen entspannteren Umgang mit Cannabis. Sieben Gründe für das Ende der Prohibition.

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Ein Cannabis-Händler Quelle: REUTERS

Drogendealer müsste man sein. Ibu handelt seit mehr als zehn Jahren mit Cannabis – „das Beste vom Besten“, sagt der 26-Jährige. In einem Café in Berlin-Wedding öffnet der Deutsch-Türke seine schwarze Lederjacke mit Dutzenden Plastiktütchen, jedes gefüllt mit zwei Gramm getrocknetem Marihuana-Gras. Ibu schaut nervös nach links an die Nachbartische, greift zur Cola. „Ich verkaufe am Tag im Schnitt so 100 Gramm“, sagt Ibu. Sein „Revier“ gehe von Moabit bis Wedding. „Das Geschäft läuft gut.“ Der Tagesumsatz liege „bei rund 1000 Euro“. Nach Abzug der Beschaffungskosten blieben ihm „unterm Strich 450 Euro“ – pro Tag, steuerfrei, versteht sich.

Als Ibu merkt, dass er im Gespräch mit der WirtschaftsWoche nichts zu befürchten hat, redet er noch offener. Sein Dealerkollege Balou sitzt ihm gegenüber und kriegt kaum ein Wort raus. Ibu ist hier der Chef. Dann holt er ein Geldbündel mit mehreren Hundertern heraus. „Dealen macht mir Spaß.“ Seine Kunden: „Leute wie du“, sagt Ibu – und lacht. „Ernsthaft. Alle möglichen Leute. Bei mir kaufen Journalisten, Ärzte, Lehrer, Arbeiter, Arbeitslose und Studenten – ganz normale Typen halt.“

Die Nachfrage nach Hanf ist stabil

Wie sich der Marktpreis von Marihuana zusammensetzt

Ibu und Balou sind zwei von Hunderten Dealern in der Hauptstadt, die sich mit dem illegalen Verkauf von Cannabis eine goldene Nase verdienen. Der Schwarzmarkt boomt. Denn die Nachfrage ist stabil, obwohl Joints verboten sind. Auch der Nachschub kommt, obwohl die Polizei ihn unterdrücken will. Mehr als zwei Millionen Deutsche kiffen regelmäßig. Und Prominente entdecken das Geschäft: Der deutsche Silicon-Valley-Investor Peter Thiel investierte Anfang des Jahres in eine auf Cannabis-Geschäfte spezialisierte Private-Equity-Firma, vergangene Woche gab Platten-Millionär Snoop Dog bekannt, eine Cannabis-Handels-App zu finanzieren. Mit anderen Worten: Die rigorose Drogenpolitik löst sich in Sachen Hanf in einem Rauchwölkchen auf.

„Es ist schwierig, Argumente zu finden, die gegen die Liberalisierung von Cannabis sprechen“, sagt Justus Haucap. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Düsseldorf ist einer von vielen Ökonomen, die eine andere Drogenpolitik fordern. „Die Vorstellung, dass man durch Prohibition und Kriminalisierung die Leute vor sich selbst und anderen schützen kann, ist ziemlich naiv“, so Haucap. Wenn der Staat die Produktion, den Handel und den Konsum klug reguliere, profitiere die Gesellschaft. Zu den Unterstützern einer Freigabe gehören auch Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft („ökonomisch spricht mehr für eine Legalisierung“), Lars Feld vom Walter Eucken Institut („längst überfällig“) und Wirtschaftsethiker Ingo Pies („illegale Drogen entkriminalisieren“).

Sieben Argumente für einen neuen, souveränen Umgang mit Cannabis:

1. Mafia bekommt legale Konkurrenz

Was würde mit Ibu passieren, wenn der Staat den Hanf freigäbe? „Das wäre mir egal“, sagt Ibu. „Der Schrott-Staat würde nie gute Qualität produzieren.“ Ein Gramm Gras kostet bei Ibu zehn Euro. „Ich bin für meine Kunden immer erreichbar.“ So viel Service wünscht man sich von legalen Dienstleistern.

Wie Cannabis konsumiert wird

Doch ist das illegale Geschäftsmodell wirklich nicht zu toppen? Ökonomen sind da zuversichtlich. Die Großhandelspreise, die etwa Ibus marokkanischer Lieferant aus Holland aufruft, dürften „dramatisch fallen“, heißt es in einer Studie der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, USA. Die Nettoverkaufspreise, also ohne Steuern, lägen um 80 bis 90 Prozent unter den aktuellen Schwarzmarktpreisen. Experten wie der Buchautor Rainer Schmidt rechnen konservativer: Der Nettopreis werde sich bei etwa 3,45 Euro einpendeln – 60 bis 70 Prozent unterhalb des aktuellen Schwarzmarktpreises. Je nach Höhe der Cannabissteuer wetteifert der Schwarzmarkt dann mit einem legalen Markt. Ganz austrocknen wird der illegale Sumpf dadurch zwar nicht. Im US-Bundesstaat Colorado, das den Hanfkonsum 2014 freigegeben hat, liegt der Preis für eine Unze illegales Marihuana (entspricht 28 Gramm) bei rund 243 Dollar – und damit ein Viertel unter dem legalen Marktpreis.

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