Plagiatsvorwurf Von der Leyen darf ihren Doktortitel behalten

Ursula von der Leyen (CDU) behält ihre Doktorwürde. Der Senat der Medizinischen Hochschule Hannover hatte die Plagiatsvorwürfe geprüft und kam zu dem Entschluss, dass der Titel nicht aberkannt würde.

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Ursula von der Leyen hatte 1990 an der Medizinische Hochschule Hannover promoviert. Quelle: dpa

Glimpfliches Ende der Plagiatsaffäre um die Doktorarbeit von Ursula von der Leyen (CDU): Nach monatelanger Prüfung hat die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) den Doktortitel der Verteidigungsministerin trotz handwerklicher Fehler bestätigt. Das entschied der Senat der Hochschule am Mittwoch nach Prüfung der Plagiatsvorwürfe mit klarer Mehrheit. An einigen Stellen habe von der Leyen Texte anderer Wissenschaftler übernommen, ohne dies entsprechend zu kennzeichnen, sagte MHH-Präsident Christopher Baum. „Es geht um Fehler, nicht um Fehlverhalten.“ Es habe keine Täuschungsabsicht vorgelegen.

Die MHH hatte die Doktorarbeit von der Leyens, die nur 62 Seiten umfasst, ein halbes Jahr lang geprüft. Plagiatsjäger hatten ihr im September schwere Regelverstöße in der 1990 erschienenen Arbeit vorgeworfen. Von der Leyen (57) stritt die Vorwürfe ab. Sie selbst bat ihre frühere Hochschule um eine Überprüfung der Arbeit.

Die entdeckten Fehler beeinträchtigten den wissenschaftlichen Wert der Arbeit nicht, für die von der Leyen die Note sehr gut erhielt, betonte Baum. Vielmehr handele es sich um eine handwerklich nicht saubere Arbeitsweise, die im Wesentlichen die Einleitung der Doktorarbeit betreffe. Dies stelle einen Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis dar. Diese Kritik der Hochschule und eine Erläuterung des Schweregrads ihrer Fehler würden der Ministerin nun in einem Schreiben erläutert, sagte Baum.

Die Ministerin reagierte erleichtert aber auch mit Selbstkritik auf den Entscheid der Hochschule. „Teile meiner damaligen Arbeit entsprechen nicht den Maßstäben, die ich an mich selber stelle“, hieß es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung. „Ich bin froh, dass die Universität nach eingehender Prüfung zum Schluss gekommen ist, dass meine Experimente für die medizinische Forschung relevant waren und die Arbeit insgesamt die wissenschaftlichen Anforderungen erfüllt.“

Wenn Politiker über Doktortitel stolpern
Gerd MüllerDie Universität Regensburg sieht in der Doktorarbeit von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) keine Hinweise auf ein Plagiat. Dem Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens fehle die Grundlage, teilte die Hochschule mit. „Die Art und Weise, wie vom Autor benutzte Literatur und Quellen dokumentiert sind, ist nicht darauf angelegt, die eigentliche intellektuelle Autorschaft an Erkenntnissen, Ideen, Argumenten oder Thesen zu verschleiern.“ Nach Angaben der Universität fand der Ombudsmann für solche Fälle, Professor Christoph Meinel, keine Hinweise, dass die 1987 vorgelegte Dissertation gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis verstößt. Auch an den wenigen Stellen, wo Wortfolgen übernommen worden seien, ohne sie durch Anführungszeichen zu markieren, werde die Herkunft durch Anmerkungsziffern und Seitennachweis belegt. Mit den Vorwürfen war Anfang April der Nürnberger Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder an die Öffentlichkeit getreten: Müller habe in seiner Doktorarbeit „Die Junge Union Bayern und ihr Beitrag zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung“ Texte aus Arbeiten des Politologen und späteren CDU-Politikers Wolfgang Hackel übernommen, ohne diese mit Anführungszeichen als Zitat zu kennzeichnen. Quelle: dpa
Silvana Koch-Mehrin Die FDP-Politikerin bekommt ihren Doktortitel nicht zurück. Knapp zwei Jahre nach Entzug des akademischen Grades lehnte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) den Antrag der 43-jährigen Europaabgeordneten auf Berufung gegen ein Urteil der Vorinstanz ab.Die Universität Heidelberg hatte Koch-Mehrin im Juni 2011 den akademischen Doktorgrad wegen Plagiaten entzogen. Die Politikerin wollte sich damit nicht abfinden und klagte gegen die Entscheidung. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe befand im März 2013, dass Koch-Mehrin den Titel zu Recht verloren habe, weil sie in ihrer Doktorarbeit teils mehrseitige Passagen samt Fußnoten aus fremden Texten nahezu wortgleich übernommen habe, ohne dies kenntlich zu machen. Dies lasse den Schluss zu, dass die Klägerin „wiederholt und planmäßig“ getäuscht habe. Der VGH in Mannheim entschied nun, es gebe keine „ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit“ dieses Urteils. Die Rügen der Klägerin zum Verfahren der Uni Heidelberg reichten nicht aus, befanden die Verwaltungsrichter. Koch-Mehrin hatte unter anderem beanstandet, dass der Heidelberger Promotionsausschuss „den denunziatorischen Charakter des Vorgehens gegen die Klägerin nicht berücksichtigt“ habe. Bei der Überprüfung der Doktorarbeit über die „Lateinische Münzunion 1865-1927“ hatte die Uni Heidelberg auf 80 Seiten 125 Plagiate gefunden. Sie bestätigte damit Recherchen von Internet-Nutzern, die Anfang April 2011 im „VroniPlag“-Wiki plagiatsverdächtige Stellen zusammengetragen hatten. Die Affäre hat jetzt ein Ende gefunden. Der VGH stellte fest: „Der Beschluss ist unanfechtbar.“ Quelle: dpa
Andreas ScheuerDer Wirbel um die Doktorarbeit von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hält an. Der Ombudsmann für die deutsche Wissenschaft, der Bonner Juraprofessor Wolfgang Löwer, sprach sich dafür aus, dass die Arbeit auf einen möglichen Plagiats-Tatbestand wissenschaftlich untersucht wird. Die bekanntgewordenen Stellen „sollten Anlass sein, genauer hinzusehen und zu prüfen, wie der Text entstanden ist“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). „Ich gehe davon aus, dass die Karlsuniversität in Prag dieser Aufgabe nachkommen wird.“ In der CSU-Landesleitung in München war am Samstag niemand für eine Stellungnahme erreichbar. In Prag hatte Scheuer sein „kleines Doktorat“ erworben, das ihn nur in Bayern und Berlin zum Tragen eines allgemeinen Doktortitels berechtigt. Nachdem er wegen der Verwendung auch anderswo kritisiert worden war, hatte Scheuer am Freitag ganz darauf verzichtet, einen akademischen Titel zu tragen. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sagte der „Süddeutschen Zeitung“: „Die Entscheidung, dass er den Titel nicht weiter führt, ist richtig. Für mich ist das erledigt.“ Bayerns SPD-Landesvorsitzender Florian Pronold hatte dagegen betont: „Mit dem Verzicht auf den Doktortitel ist es noch nicht getan. Im Raum steht schließlich der Vorwurf des Plagiats.“ Und die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hatte getwittert: „Wie heißt es nochmal bei der CSU: „Wer betrügt, der fliegt.“ Und was heißt das dann für Herrn Scheuer?“ Löwer stufte Passagen in Scheuers Promotionsarbeit, die offenbar aus einer Publikation der Bundeszentrale für politische Bildung übernommen wurden, als „klassisches Plagiat“ ein. Es könne sich jedoch auch um ein Versehen handeln. Ob der Verfasser eine systematische Täuschungsabsicht verfolgt habe, sei erst durch eine gründliche Prüfung der gesamten Arbeit festzustellen, erläuterte der Ombudsmann, der für gute wissenschaftliche Praxis und Verstöße dagegen zuständig ist. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete von Hinweisen, dass Scheuer zum Thema Volksentscheide in Bayern auch von einer Publikation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung abgeschrieben haben könnte. „Das ist eindeutig abgeschrieben“, sagte der Münchner Jura-Professor Volker Rieble dem Blatt. Allerdings sei die Zahl der Fundstellen und der Umfang der übernommenen Texte gering. „Das reicht nicht, um von einer plagiatorischen Arbeitsweise zu sprechen.“ Dass mal an wenigen Stellen die Fußnote fehle, könne durchaus passieren. Aber Rieble fügte auch hinzu: „Acht bis zehn Stellen von dieser Qualität, dann ist er geliefert.“ Quelle: dpa
Norbert LammertDie Universität Bochum wird kein Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades von Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnen. Das beschloss das Rektorat der Hochschule auf der Grundlage einer eingehenden Prüfung, wie die Ruhr-Universität am Mittwoch mitteilte. „In der Dissertation finden sich zwar vermeidbare Schwächen in den Zitationen, die aber den Verdacht des Plagiats oder der Täuschung keineswegs rechtfertigen“, heißt es in der Mitteilung. Ein anonymer Blogger mit dem Pseudonym „Robert Schmidt“ hatte Lammert Ende Juli vorgeworfen, dass sich auf 42 Seiten seiner Arbeit Unregelmäßigkeiten fänden. Quelle: dpa
Frank-Walter SteinmeierDie Universität Gießen geht Plagiatsvorwürfen gegen den SPD-Fraktionschef nach. Es sei ein Schreiben eingegangen, in dem die Überprüfung von Steinmeiers Doktorarbeit angeregt werde, teilte die mittelhessische Hochschule am Sonntag mit. Voraussichtlich an diesem Montag (30.9.) werde entschieden, wie man weiter vorgehen wolle. Zuvor hatte das Magazin „Focus“ unter Berufung auf den Wirtschaftswissenschaftler Uwe Kamenz gemeldet, Steinmeiers 1991 in Gießen eingereichte Promotion weise „umfangreiche Plagiatsindizien“ auf. Steinmeier sprach auf „Focus“-Anfrage von einem „absurden Vorwurf“. „Sollte sich die Uni Gießen zu einer Überprüfung entschließen, sehe ich dem Ergebnis mit großer Gelassenheit entgegen.“ Professor Kamenz hatte Steinmeiers Arbeit „Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit“ per Computersoftware mit 50 in der Arbeit genannten Quellen verglichen, wie er am Sonntag der dpa sagte. An mehr als 400 Stellen seien problematische Übereinstimmungen registriert worden. „Wenn man 400-mal die Anführungszeichen vergisst, kann das kein Versehen sein“, urteilte Kamenz. Der Berliner Jura-Professor Gerhard Dannemann, der eine Zwischenversion des Prüfberichts von Kamenz ansehen konnte, wertete nach „Focus“-Angaben einen Großteil der Indizien als „lässliche Sünden“. Mindestens drei Passagen seien aber kritisch: „Wenn der Prüfungsbericht hier die Quellen richtig wiedergibt, wären das Verstöße gegen die Zitierregeln, die den Bereich des Tolerierbaren klar überschreiten würden.“ Quelle: dpa
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) Quelle: dapd
German Defence Minister Karl-Theodor zu Guttenberg Quelle: dapd

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich unmittelbar vor der Entscheidung der Hochschule hinter ihre Ministerin gestellt. Auf die Frage, ob sie auch ohne den akademischen Grad noch das Vertrauen der Kanzlerin habe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin: „Selbstverständlich. Die Ministerin ist eine hervorragende Verteidigungsministerin.“ In der Vergangenheit sahen sich mehrere Politiker mit Plagiatsaffären konfrontiert. So trat zum Beispiel Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) 2011 kurz nach Entzug seines Doktortitels zurück.

Bei der Beurteilung durch den Senat der Medizinischen Hochschule gab es sieben Stimmen für und eine gegen die Bestätigung des Doktortitels von der Leyens sowie eine Enthaltung. Von den 47 von Plagiatsjägern aufgeführten Textpassagen hielt der Senat 15 für nicht zu beanstanden. In 8 Fällen ging es demnach um geringfügige Plagiate, 21 wurden als mittelschwer und 3 als schwer eingestuft.

Den ebenfalls erhobenen Vorwurf, die Ministerin habe mit der Studie zu ihrer Doktorarbeit gegen ethische Normen verstoßen, wies die MHH zurück. „Im Ergebnis wurde kein Verstoß gegen Ethikrichtlinien festgestellt, sagte der MHH-Ombudsmann Prof. Thomas Werfel. „Eine Gesundheitsgefährdung der Personen durch das angewandte Bäderverfahren konnte ausgeschlossen werden.“

Von der Leyen hat ihre Doktorarbeit vor 26 Jahren geschrieben. Der wichtigste Experte für saubere wissenschaftliche Arbeit in Deutschland, Professor Wolfgang Löwer (Bonn), sprach sich dafür aus, nach so langer Zeit keine Sanktionen mehr gegen die Autoren zu erheben. Es gehe ihm nicht darum, verdächtige Doktorarbeiten nicht mehr zu prüfen, sondern um den gesellschaftlichen Schutz der Verfasser, sagte er der dpa. „Nur die Sanktionsbefugnis sollte verjähren“, so Löwer. „Man müsste dann nicht seinem gesamten wirtschaftlichen und privaten Umfeld mitteilen: Übrigens, ich bin kein Doktor mehr. Man müsste dann auch nicht mehr Kündigungen durch den Arbeitgeber fürchten.“

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