Planungschaos ohne Ende Flughafen-Debakel gerät zum Job-Desaster

Es geht um Termine, Finanzen und Baumängel: Am Hauptstadtflughafen hat der Aufsichtsrat eine lange Tagesordnung. Nicht in allen Punkten wird es klare Antworten geben. Das hat drastische Folgen für die Wirtschaft.

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Baustellenschild am Flughafen Berlin Brandenburg. Quelle: dpa

Düsseldorf/Berlin Auf dem weiterhin unvollendeten Hauptstadtflughafen im Süden von Berlin sucht der Aufsichtsrat heute Antworten auf die zahlreichen offenen Fragen bei dem Projekt. Im Mittelpunkt dürfte stehen, wie die Mehrkosten von bis zu 1,17 Milliarden Euro aufgebracht werden sollen. Eine weitere staatliche Finanzspritze deutet sich an, damit der Betreibergesellschaft am Jahresende nicht das Geld ausgeht. In der schwarz-gelben Regierungskoalition im Bund gibt es dagegen jedoch Widerstand.

Über den Eröffnungstermin wird es nach Angaben aus Gesellschafterkreisen keine Entscheidung geben. Das zuletzt genannte Datum im März 2013 steht seit Wochen auf der Kippe. Zuletzt verdichteten sich die Anzeichen dafür, dass die Eröffnung zum dritten Mal verschoben wird. Darüber will der neue Flughafen-Technikchef Horst Amann dem Vernehmen nach aber erst zur nächsten Aufsichtsratssitzung am 14. September entscheiden.

Die Ungereimtheiten im Flughafen-Chaos sorgen derweil für großen Unmut in der Politik, aber auch in der Wirtschaft. Der Präsident des Familienunternehmer-Verbands, Lutz Goebel, warnte bereits vor den Folgen für den Standort Deutschland, sollte es nicht bald Klarheit über die Fertigstellung des Riesenvorhabens geben. Deutschland brauche größere Luftverkehrskapazitäten, um im Welthandel und internationalen Wettbewerb mithalten zu können. „Da wird auch Berlins neuer Großflughafen baldmöglichst gebraucht – und jede Verzögerung kostet unsere Volkswirtschaft Geld“, sagte Goebel Handelsblatt Online.

Viele Unternehmen in Berlin und Brandenburg hätten sich auf den neuen Flughafen eingestellt und dort auch investiert. Aber Flughäfen brauchten auch im Servicebereich viele Beschäftigte mit einfacher Qualifikation. „Deshalb ist die Verzögerung für die Arbeitslosen-Hauptstadt Berlin auch ein Arbeitsmarkt-Desaster“, sagte Goebel.    

Harsche Kritik äußerte Goebel in diesem Zusammenhang auch an der Politik. Die Fehlplanungen am Berliner Flughafen seien leider für viele öffentliche Baumaßnahmen typisch. „Wenn zu viel Politik in den Aufsichtsgremien vertreten ist, wird zu wenig wirtschaftlich gehandelt“, sagte er. „Wie sollen auch ein Regierender Bürgermeister und ein Ministerpräsident oder Minister und Staatssekretäre neben ihren wichtigen Hauptberufen auch noch ein solches Projekt angemessen kontrollieren?“

Das wird inzwischen auch in den Reihen der großen Koalition in Berlin so gesehen. Entsprechende Konsequenzen forderte der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann. Der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, Rainer Schwarz, müsse „schnellstmöglich seinen Platz räumen“, sagte Wellmann Handelsblatt Online. „Schwarz hat sich erwiesenermaßen als unfähig erwiesen, ein solches Bauvorhaben zu managen, die Krise zu erkennen und in den Griff zu bekommen.“


"2013 als Eröffnungsjahr sehr ehrgeizig"

Wellmann forderte überdiese den Rücktritt von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) aus dem Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft. „Wowereit und Platzeck sind angesichts ihrer Aufgaben als Regierungschefs nicht in der Lage, ihre Aufsichtsfunktion so wahrzunehmen, wie sie es müssten“, sagte der CDU-Politiker. „Sie sollten einem erfahrenen Manager aus der Wirtschaft Platz machen.“

Wellmanns Parteifreund, der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel, hält es für zwingend, dass der Aufsichtsrat heute einen Eröffnungstermin festlegt. „Heute muss ein realistischer Eröffnungstermin gefunden werden, der nicht noch einmal verschoben wird“, sagte Steffel Handelsblatt Online. „Sonst machen wir uns zum Gespött in der ganzen Welt.“ Der Aufsichtsrat müsse zudem jetzt schonungslos aufklären, wo die Fehler liegen und wer sie zu verantworten habe.

Wellmann nannte es „in hohem Maße peinlich“, dass die immensen Probleme beim Hauptstadtflughafen nicht frühzeitig erkannt worden seien. „Für das Ansehen Deutschlands und Berlins ist das verheerend.“ Für „gefährdet“ hält der CDU-Politiker angesichts der Unsicherheit über den Eröffnungstermin für den Hauptstadtflughafen die Pläne von Air Berlin, Berlin zum Drehkreuz seines Langstreckenverkehrs zu machen. Dass auch die Lufthansa-Planungen hinsichtlich des neuen Airports auf Eis lägen, verheiße zudem nichts Gutes.

Wellmann schließt vor diesem Hintergrund auch eine mehrjährige Verzögerung nicht aus. „2013 als Eröffnungsjahr ist insgesamt schon sehr ehrgeizig“, sagte er. Der Flughafen in Wien sei immerhin sechs Jahre verzögert gewesen. Wellmann verglich die Situation in Schönefeld mit der Atomkatastrophe in Fukushima. „Was wir momentan erleben, ist wie die Kernschmelze in einem Atomkraftwerk.“ Dass der bisherige Bauplaner mit seinem gesammelten Knowhow abgezogen worden sein, verschärfe die Situation noch.


Brüderle: Bei Mehrkosten keine Bundeshilfe mehr

Die Eröffnung und Inbetriebnahme des neuen Großflughafens am 3. Juni dieses Jahres war kurzfristig geplatzt, weil der Flughafen nicht fertig ist. Bis heute ist nicht klar, wann die Brandschutzanlage funktioniert.

Im Aufsichtsrat sitzen die Vertreter der Eigentümer, darunter für Berlin und Brandenburg die Regierungschefs Wowereit und Platzeck, außerdem für den Bund der Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba (CDU). Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte im „Tagesspiegel“ ebenfalls – wie Wellmann -, den Flughafenchef Rainer Schwarz zu entlassen. „Nach meiner Überzeugung ist das Vertrauen in den Flughafenchef nicht länger gerechtfertigt“, sagte Künast.

Der Verband der Fluggesellschaften hat das Durcheinander um die Eröffnung des Flughafens kritisiert. „Unsere Mitgliedsfirmen kommen mit dieser Situation überhaupt nicht zurecht“, sagte der Generalsekretär des Airline-Verbandes BARIG, Michael Hoppe, dem Hörfunksender hr-iNFO. Komplexe Abläufe und Personalplanungen müssten wegen der Verschiebung des Eröffnungstermins ständig geändert werden. Mehrere Gesellschaften prüften derzeit, in welcher Höhe sie Regressforderungen geltend machen könnten, sagte Hoppe.

Der FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Rainer Brüderle ist gegen zusätzliche Mittel vom Bund für den Berliner Hauptstadtflughafen. „Es kann nicht sein, dass Berlin diese Chaos-Kosten auf den Bund abschiebt“, sagte der frühere Bundeswirtschaftsminister der „Berliner Morgenpost“. „Herr Wowereit macht die Stadt immer mehr zum internationalen Gespött.“

Auf der Tagesordnung des Aufsichtsrats stehen auch der Fall eines mutmaßlichen Islamisten im Flughafen-Wachschutz, der Streit um den Lärmschutz für die Anwohner und Baumängel im neuen Terminal an der Berliner Stadtgrenze.

Mit Material von dpa

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