Politische Allianz gegen den Ausstieg „Der Diesel wird weiter gebraucht“

Während andere Länder sich komplett vom Verbrennungsmotor verabschieden wollen, genießt der Diesel in Deutschland massiven Rückhalt in der Politik. Vor der Wahl warnen führende Politiker, den Antrieb zu verteufeln.

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In puncto CO2-Bilanz ist ein Diesel deutlich umweltfreundlicher als ein Benzinmotor. Quelle: AP

Berlin In der Debatte über den Schadstoffausstoß von Autos haben sich Politiker der Regierungskoalition hinter den Diesel-Antrieb gestellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte der „Welt am Sonntag“, der Diesel werde als Brückentechnologie gebraucht, um die Vorgaben Deutschlands beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) in den nächsten Jahren zu erfüllen. Auch Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) warnte vor einem vorschnellen Ausstieg aus der Diesel-Technologie: „Man sollte den Diesel nicht unterbewerten oder verteufeln, das ist ein guter Motor“, sagte sie beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz und der Bundesregierung am Wochenende in Berlin.

CSU-Chef Horst Seehofer machte die Beteiligung seiner Partei an der neuen Bundesregierung davon abhängig, dass sie kein Verbot für Verbrennungsmotoren beschließt. Im Streit über eine Nachrüstung von Diesel-Motoren deutete Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) an, dass die von der Auto-Industrie und dem Verkehrsministerium favorisierten Software-Updates nicht ausreichten. Er verwies auf ein Treffen Merkels mit den Bürgermeistern jener Kommunen, in denen die Stickstoffbelastung besonders hoch ist, am 4. September in Berlin. Als Themen nannte Regierungssprecher Steffen Seibert den Ausbau intelligenter Verkehrswege und von Ladestationen für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben.

Zypries lobte die neueste Generation von Diesel-Motoren und verwies auf die Technik AdBlue zur Abgasreinigung, bei der mit Hilfe eines Harnstoffgemischs der Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide reduziert wird. Der Diesel habe zudem ohnehin einen geringen Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids. Auf der Suche nach neuen Antrieben gehe es nicht allein um Elektromotoren, sondern neben dem Diesel auch um chemische Treibstoffe, Gas oder Wasserstoff. „Mit Elektro tun wir uns keinen großen Gefallen“, warnte Zypries. Als Probleme nannte sie die fehlende Produktion von Batteriezellen in Deutschland und die offene Frage der Entsorgung der Batterien. Dem Elektromotor als einer Alternative zum Verbrennungsmotor erteilte Zypries aber keine grundsätzliche Absage.

Merkel wollte sich in der „Welt am Sonntag“ nicht festlegen, wie lange der Diesel als Brückentechnologie noch gebraucht wird. Gegenüber einem in anderen EU-Ländern anvisierten Verbot von Verbrennungsmotoren blieben Zypries und Seehofer skeptisch. „Ein Verbot des Verbrennungsmotors legt die Axt an die Wurzel unseres Wohlstands“, warnte der CSU-Chef im Interview der „Funke Mediengruppe“. Das sei für seine Partei in Koalitionsgesprächen nicht verhandelbar. Die Grünen fordern ein solches Verbot für Neuwagen ab 2030. Eine in der EU diskutierte Quote für Elektroautos nannte Seehofer „Blödsinn“ und kritisierte die aktuelle Debatte über Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge: „Deutschland ist gerade wieder dabei, flächendeckend die Nerven zu verlieren.“ Seehofer warf Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vor, Millionen von Dieselfahrern mit Fahrverboten bedroht zu haben.

Hendricks sieht sich durch eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) bestätigt, dass die Software-Updates nicht ausreichten, um den Stickstoff-Ausstoß von Autos ausreichend zu verringern. Dagegen schloss der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, eine Umrüstung weitgehend aus. Es gebe bei einem Großteil der betroffenen Autos nicht genug Raum für den nachträglichen Einbau von Tanks und Harnstoffkatalysatoren, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.

Das Bundesverkehrsministerium wies einen Bericht des „Spiegel“ zurück, wonach es bereits konkrete Pläne für eine Nachrüstung bei Diesel-Motoren gebe. Auch sitze Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) keiner Arbeitsgruppe zu dem Thema vor. Altmaier sprach indes davon, dass sich Arbeitsgruppen mit dem Thema beschäftigten. Hendricks, Merkel und er seien der Meinung, dass die bisherigen Angebote der Industrie in Form von Software-Updates und Kaufprämien nicht ausreichten. In vielen Fällen funktioniere das Software-Update nicht. „Und die Frage ist: Muss es da eine Hardware-Umrüstung geben, ja oder nein.“

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