Die Feierlichkeiten zum Politischen Aschermittwoch hatten noch gar nicht begonnen, als Andreas Scheuer schon die erste Spitze verteilte. „Wir haben das Original, den weltweit größten Stammtisch“, erklärte der stolze CSU-Generalsekretär am Mittwoch in der Dreiländerhalle in Passau. Gemünzt war der Spruch auf die SPD, die zu ihrer Veranstaltung im bayerischen Vilshofen in diesem Jahr erstmals 5000 Gäste erwartete – und dafür sogar das Festzelt vergrößern lassen musste. Schließlich nahm SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz teil.
Der Ansturm auf die Eintrittskarten zeigt: Der „Schulz-Effekt“ erfasst auch die konservativen Niederbayern. Egal, wo der ehemalige EU-Parlamentspräsident dieser Tage auftaucht, größtmögliche Aufmerksamkeit ist ihm sicher. Seit Schulz seine Kandidatur angekündigt hat, hat die SPD im Emnid-Sonntagstrend um rund zehn Prozent zugelegt – und damit zur Union aufgeschlossen (32 Prozent). Dort wächst nun die Sorge, Schulz könne einer vierten Amtszeit von Angela Merkel (CDU) gefährlich werden. Und das kann er auch – wie nicht zuletzt die Reden seiner Konkurrenten zeigen.
Statt, wie in den vergangenen Jahren üblich, heftig gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin auszuteilen, widmete sich beispielsweise CSU-Chef Horst Seehofer (neben Lobeshymnen auf seine Heimat) lieber ausführlich dem Hoffnungsträger der Sozialdemokraten. Schulz führe bei seiner geplanten Reform der Agenda 2010 einen Wahlkampf mit falschen Zahlen, so der Vorwurf. Auch FDP-Chef Christian Lindner arbeitete sich im bayerischen Dingolfing an Schulz ab. „Dem geht es nicht um soziale Gerechtigkeit, sondern was ihn treibt, ist soziale Heuchelei“, so der Liberale.
Egal, ob bei den Grünen in Biberach, bei den Linken in Passau oder bei der AfD in Osterhofen – das Thema des Politischen Aschermittwochs in diesem Jahr lautet: Martin Schulz. Mit seinem Vorschlag, die Agenda 2010 anzupassen, sorgt der Sozialdemokrat zwar nicht überall für Zustimmung. Doch er hat es geschafft, dass man über ihn redet. Und damit auch über sein Kernthema: soziale Gerechtigkeit.
Gelingt es Schulz bis zum September, den anderen Parteien weiterhin Themen zu diktieren, stehen seine Chancen für einen Wahlsieg nicht schlecht. Der Erfolg ist ihm auch zu wünschen angesichts der Tatsache, dass die Diskursimpulse der vergangenen Jahre vor allem von Rechtspopulisten ausgingen – ob zum Terrorismus, zur Zuwanderung oder zu Europa.
Am Politischen Aschermittwoch jedenfalls hat die SPD bereits einen Sieg davongetragen: Zur CSU-Feier durften aus brandschutzrechtlichen Gründen nur 4100 Gäste kommen, den „weltweit größten Stammtisch“ hatten also die Sozialdemokraten. Das hielt CSU-Generalsekretär Scheuer nicht davon ab, trotzdem von „gefühlt“ 10.000 Gästen zu schwärmen. Kein Grund zur Sorge also bei der Union: Zumindest, was den Wahlkampf mit falschen Zahlen angeht, stehen die Christsozialen Martin Schulz in nichts nach.