Politischer Aschermittwoch Merkel nimmt den Namen Schulz nicht in den Mund

Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Bayern die Show gestohlen. Im hohen Norden schaltet Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Attacke – zumindest ein bisschen.

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Die CDU-Vorsitzende in Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) beim 22. Politischen Aschermittwoch der CDU Mecklenburg-Vorpommerns. Quelle: dpa

Passau/Vilshofen/Demmin Der traditionsreiche Politische Aschermittwoch in Bayern hat eine neue Hauptperson: Martin Schulz. Gut vier Wochen nach seiner Kür zum SPD-Kanzlerkandidaten ist Schulz auch im CSU-Heimatland allgegenwärtig. Nicht nur als Hauptredner bei der SPD in Vilshofen, die extra ein Festzelt für 5000 Besucher hat aufstellen lassen. Auch bei der CSU im nahen Passau und bei den anderen Veranstaltungen in Niederbayern kommt keiner an dem Sozialdemokraten vorbei.

Nur im knapp 600 Kilometer von Passau entfernten Demmin gelingt das der Kanzlerin - zumindest ein bisschen: Nicht ein einziges Mal nennt Angela Merkel beim Politischen Aschermittwoch ihres CDU-Heimatverbands Mecklenburg-Vorpommern den SPD-Herausforderer beim Namen. Nur indirekt nimmt sie Schulz' Ankündigungen für mehr soziale Wärme und dessen Forderung nach Abstrichen bei den von ihrem SPD-Vorgänger Gerhard Schröder durchgesetzten Reformen ins Visier.

Die Sozialdemokraten haderten nun schon im vierten Wahlkampf mit der Agenda 2010, lästert Merkel. „Immer im Rückblick, nie sagen können, dass man stolz auf etwas ist, was man geschafft hat.“ Die CDU kümmere sich dagegen um die Zukunft Deutschlands - „die anderen sollen sich mit der Vergangenheit befassen“.

Ziemlich braven Applaus bekommt die CDU-Chefin dafür im Tennis- und Squash-Center von Demmin - die Aschermittwochs-Treffen im hohen Norden waren allerdings noch nie bekannt für große Beifallsstürme der Zuhörer. Dabei hatte der CDU-Europaabgeordnete Werner Kuhn bei Merkels Begrüßung noch aufmunternd gekalauert: „Der Schulz wird dann am Ende blass - ich sage Dir: Wir schaffen das.“

Schulz ist derjenige, an dem sich nicht nur CSU-Chef Horst Seehofer an diesem Aschermittwoch abarbeitet. Schließlich hat der SPD-Mann den Bundestagswahlkampf spannend gemacht. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern von der SPÖ sagt als Gastredner der SPD in Bayern unter dem Jubel Tausender Zuhörer schon voraus, nach der Bundestagswahl am 24. September würden „Österreich und Deutschland einen roten Bundeskanzler haben“.

Kern schaut in die Gesichter zufriedener Genossen. Schulz hat zwar keine neuen Botschaften mitgebracht, dafür aber eine emotionale Rede. In einem leidenschaftlichen Plädoyer verspricht er mehr soziale Gerechtigkeit und kündigt einen entschiedenen Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung an, gegen „die Konjunkturritter der Angst, die aus Angst Hass machen“.

Schulz nennt die AfD eine „Schande für Deutschland“. Auch den US-Präsidenten Donald Trump überzieht er mit Kritik: Wer andere Meinungen als Lügenpresse diffamiere, lege „die Axt an die Wurzeln der Demokratie - ob er Präsident der USA ist oder in einer Pegida-Demonstration mitmarschiert. Beides ist nicht akzeptabel.“ Merkel und die CDU kommen in seiner Rede kaum vor. Schulz spottet ein wenig über die „Zwangsehe“ von CDU und CSU und sagt unter Gelächter: „Die sind nicht mehr ganz beisammen.“

In Passau fordert Seehofer mit heiserer Stimme Unions-Geschlossenheit im Wahlkampf: „Das Bürgerliche muss jetzt aufstehen und kämpfen, gegen Rot-Rot-Grün.“ Dafür erntet er eher verhaltenen Applaus. Der Beifall ist einer der Indikatoren, die zeigen, wie gespalten die CSU auch nach dem Friedensgipfel mit der CDU Anfang Februar Merkel gegenübersteht. Die Pfiffe bei der ersten Erwähnung der Kanzlerin nach 27 Minuten Rede sprechen eine unmissverständliche Sprache.

Während Seehofer Schulz nur selten und lieber als „den Kandidaten“ oder „Martin den Schummler“ erwähnt, fährt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit Worten wie „Schizo-Schulz“ oder „Schwafel-Schulz“ zur Freude der Zuhörer schwerere Geschütze auf.

Seehofers Aufgabe ist es, die Kritiker in der CSU bei der Stange zu halten. Für den Fall, dass manche mit dem Gedanken spielen, im September ihr Kreuz bei der AfD zu machen, malt er das Feindbild an die Wand: „Wer Rechtsaußen wählt, bekommt in Deutschland eine linke Regierung. Das ist zwingend, meine Freunde.“

Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry macht bei ihrem Auftritt in Osterhofen keinen Hehl daraus, dass es ihr Debüt ist. Dann hält sie eine vom Blatt abgelesene Rede mit feinsinnigem Humor, Sarkasmus und leisen Tönen - aber ohne die für Aschermittwochs-Reden bekannten Haudrauf-Momente.

Erst arbeitet Petry sich an der Kanzlerin ab. Dann nimmt sie Schulz ins Visier und nennt ihn „Tagegeld-Erschleicher“ mit „krankhafter Selbstüberschätzung“. Kurz vor Ende ihrer Rede wird plötzlich alles ruhig. Petry hat das letzte Manuskript-Blatt verloren - und damit auch den Schwung. Nach rund 24 Minuten ist sie durch mit ihrem Text, winkt den Gästen von der Bühne aus zu und bekommt höflichen Applaus.

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