Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat nach einem Zeitungsbericht schon seit längerem von Abgasmanipulationen bei Porsche gewusst und auf Betreiben der Autoindustrie Untersuchungsberichte zum Abgas-Skandal geschönt. Das berichtete die „Bild“-Zeitung (Montagausgabe) unter Berufung auf Korrespondenz zwischen KBA und Herstellern, die der Zeitung in Auszügen vorliege.
So habe die dem Bundesverkehrsministerium zugeordnete Behörde schon vor einem Jahr festgestellt, dass Porsche mit Abschalteinrichtungen für Diesel-Motoren arbeite. Das frühzeitige Herunterfahren der Abgasreinigungsraten (AGR) beim Porsche Macan sei „nach Vorschrift als Abschalteinrichtung zu sehen“, zitierte das Blatt aus der Ursprungsversion eines Prüfberichtes. Im Endbericht habe es dann aber nur noch geheißen: „Dies kann nach Vorschrift als eine Veränderung des Emissionsverhaltens des Abgassystems gesehen werden.“
Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Oliver Krischer wertet das der Zeitung zufolge als klares Indiz, dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schon im Frühjahr 2016 von der illegalen Abschalteinrichtung bei Porsche gewusst habe. Er sprach von Vertuschung. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, zeigte sich entsetzt von dem „Bild“-Bericht. Das wäre eine massive Pflichtverletzung. Auf die Frage, ob das auch Dobrindt beträfe, antwortete er: „Natürlich, hier müssen Konsequenzen gezogen werden.“ Nicht nur die Autoindustrie, auch die Politik stehe in der Verantwortung.
Fragen und Antworten zum Diesel-Gipfel
Autobauer und die Bundes- und Landesregierungen wollen auf dem Diesel-Gipfel Maßnahmen beschließen, um Fahrverbote in Großstädten zu vermeiden. Dazu liegen bereits mehrere Vorschläge auf dem Tisch. Sie reichen von der millionenfachen Nachrüstung älterer Dieselwagen bis hin zu staatlichen Prämien für den Umstieg auf umweltschonende Autos.
Quelle: Reuters
Die Autobauer möchten den Aufwand am liebsten auf die Nachrüstung älterer Selbstzünder per Software-Update beschränken. Daimler hat angekündigt, europaweit drei Millionen Diesel-Fahrzeuge mit der älteren Abgasnorm Euro 5 und dem neueren Standard Euro 6 in die Werkstätten zu rufen. Volkswagen will sogar vier Millionen Wagen in die Werkstätten rufen. Darin sind bereits die 2,6 Millionen Autos enthalten, die die Wolfsburger ohnehin wegen des Dieselskandals in Deutschland mit einer neuen Software nachrüsten müssen. Die VW-Tochter Audi hat zudem bereits europaweit die Umrüstung von bis zu 850.000 Fahrzeugen versprochen, von denen ein Großteil auf Deutschland entfällt. Hinzu kämen rund 600.000 Fahrzeuge mit der älteren Euro-5-Abgasnorm, die ebenfalls nachgerüstet werden sollen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat bereits deutlich gemacht, dass die Software-Nachbesserung nur ein erster Schritt sein kann. Sie fordert, dass die Autobauer die Fahrzeuge in einem weiteren Schritt auch bei der Hardware nachrüsten, also technische Umbauten vornehmen. Das ist teurer. Von den Autobauern werden auf dem Gipfel Aussagen erwartet, wann und wie sie dazu in der Lage sind.
Durch ein Software-Update soll die Motorsteuerung so verändert werden, dass sich der Stickoxid-Ausstoß verringert. Ein ähnliches Verfahren wurde bereits bei der Reparatur der von Volkswagen manipulierten Fahrzeuge sowie bei Modellen mit auffällig hohen Abgasen anderer Hersteller angewandt, vor allem von Mercedes. Bei diesen sank der Schadstoffausstoß im Schnitt um rund ein Viertel.
Für die neue Software fallen, umgerechnet auf das einzelne Fahrzeug, weniger als 100 Euro Kosten an, die Werkstattkosten pro Auto schätzen Branchenkenner auf bis zu 300 Euro. Die Software kann aber nur bei etwa der Hälfte der Euro-5-Diesel überhaupt eingesetzt werden. Und: Das neueste Niveau Euro 6 wird damit nicht erreicht. Die Kosten dafür lägen Schätzungen zufolge insgesamt bei etwa einer bis 1,5 Milliarden Euro.
Viel teurer und technisch nur bei wenigen Autos machbar wäre eine Hardware-Lösung. Motor und Abgasstrang müssten durch einen SCR-Katalysator und einen Harnstoff-Tank ergänzt werden. Dafür reicht der Platz im Fahrzeug in der Regel nicht. Die Kosten lägen nach Branchenschätzungen bei 1500 bis 3000 Euro pro Auto.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der im Aufsichtsrat von VW sitzt, hat Anreize für einen Umstieg auf moderne Diesel oder Elektroautos vorgeschlagen. Denkbar seien steuerliche Anreize oder eine Art Klimaprämie, die von Industrie und Staat angeboten würde. Die IG Metall spricht sich zusammen mit Betriebsräten in der Automobilindustrie für eine "Öko-Prämie" aus, um alte Selbstbrenner schneller auszutauschen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) brachte eine Reduzierung der Kfz-Steuer für moderne Euro-6-Diesel ins Gespräch. In der Bundesregierung stoßen solche Kaufanreize aber auf Widerstand.
Dobrindt hat zudem einen Fonds in dreistelliger Millionenhöhe, gefüllt von Bund und Branche, gefordert. Damit soll Kommunen geholfen werden, mit technischen Lösungen den Verkehr flüssiger zu steuern und damit den Schadstoff-Ausstoß zu begrenzen. Die Industrie kann dem wenig abgewinnen.
Der Gipfel soll Regierungskreisen zufolge vier Expertenrunden einsetzen, deren Ergebnisse nach der Bundestagswahl in Gesetzestexte fließen könnten. Eine Runde soll sich mit "Kommunalem Verbesserungsmanagement" befassen, eine mit "Digitalisierung", eine mit den technischen Details der Nachrüstung. Besonders umstritten war eine Runde mit dem Arbeitstitel "Transformation der Autoindustrie", wo der beschleunigte Weg hin zu alternativen Antrieben vorgezeichnet werden soll.
Dobrindt hatte in der vergangenen Woche ein Zulassungsverbot für bestimmte Diesel-Fahrzeuge von Porsche wegen einer unzulässigen Abgastechnik verfügt, verbunden mit einer Rückrufaktion. Es ging um den Porsche Geländewagen des Typs Cayenne mit Drei-Liter TDI-Motoren und der Euro-6-Norm.
An diesem Mittwoch wollen sich Bundesregierung und Autoindustrie zu dem „Diesel-Gipfel“ treffen, um über die nötigen Konsequenzen aus dem Abgasskandal und dem Verdacht eines Kartells der Hersteller zu beraten. Bundesverkehrsminister Dobrindt appellierte in der „Bild am Sonntag“ an die „verdammte Verantwortung“ der Hersteller und forderte sie auf, „das Vertrauen wiederherzustellen und die begangenen Fehler zu beheben“.
Vor dem Gipfel haben Umweltschützer von Greenpeace vor dem Bundesverkehrsministerium dafür demonstriert, die Bevölkerung besser vor gesundheitsschädlichen Abgasen zu schützen. Millionen Diesel-Pkw seien auf der Straße, die deutlich mehr Stickoxid ausstießen als erlaubt. „Die fortgesetzte Untätigkeit des Verkehrsministers grenzt an unterlassene Hilfeleistung“, erklärte Energieexperte Niklas Schinerl am Montag.
Im Morgengrauen projizierten die Umweltschützer in riesigen Buchstaben die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Stickoxide (NOx) seit Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 an die Fassade, dies sind nach ihren Berechnungen 19.807 Sterbefälle. Die Berechnung fußt auf Daten der Europäischen Umweltagentur, wonach hohe Stickoxidwerte in Deutschland 10.610 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursachen.
Deutsche laut Umfrage für Diesel-Fahrverbote
Die Deutschen plädieren nach einer Emnid-Umfrage mehrheitlich für gezielte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in belasteten Gebieten. Nach der von Greenpeace in Auftrag gegebenen Erhebung sind 57 Prozent der Befragten dafür, dass Diesel-Autos mit hohem Schadstoffausstoß nicht mehr in Stadtteilen mit besonders schlechter Luftqualität fahren sollten. 39 Prozent lehnen solche Fahrverbote hingegen ab, berichtete die „Rheinische Post“ (Montagausgabe) unter Berufung auf die Umfrage. Bei den Frauen befürworten 63 Prozent ein Fahrverbot, bei den Männern sind es 51 Prozent.
86 Prozent der Befragten fordern zudem, dass die Hersteller die Diesel-Fahrzeuge so nachrüsten müssen, dass sie die Grenzwerte auch im Alltagsgebrauch auf der Straße einhalten. „Ein bisschen Softwarekosmetik alleine kann die Gesundheit der Menschen nicht schützen“, sagte Greenpeace-Energieexperte Schinerl der Zeitung. „Die Hersteller müssen auch an die Hardware ran.“ Die „fortgesetzte Untätigkeit“ von Bundesverkehrsminister Dobrindt „grenzt an unterlassene Hilfeleistung“, sagte Schinerl.
Weil sie den Dieselantrieb hingegen noch auf Jahre für unverzichtbar halten, fordern IG Metall und die Betriebsräte der großen Autofirmen beim Diesel-Gipfel eine Reihe von Sofortmaßnahmen. Wichtigste Maßnahme sei eine möglichst flächendeckende Nachbesserung von Fahrzeugen aus der Bestandsflotte mit der Abgasnorm Euro 5, heißt es in einer am Montag in Frankfurt veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Der Gipfel müsse hier überprüfbare Maßstäbe, Zielgrößen und Zeitpläne verabreden.
Ältere Diesel-Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 1 bis 4 sollten mit Hilfe einer neuartigen „Öko-Prämie“ beschleunigt ausgetauscht werden. Hier nennen die Unterzeichner Taxen, Fahrzeuge in kommunalen Fuhrparks und im Gewerbeverkehr, nicht aber private Autos. Die Gewerkschafter setzen sich zudem für eine bessere digitale Verkehrssteuerung, einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Erdgas-Infrastruktur als Sofortmaßnahmen ein. Erneut betonte die IG Metall die beschäftigungspolitische Bedeutung des Diesels. Wertschöpfung und Beschäftigungswirkung seien deutlich höher als bei vergleichbaren Otto-Motoren. Schon jetzt sei die Verunsicherung in den Betrieben groß und die Sorge um die Arbeitsplätze wachse täglich.
Der Bund der Steuerzahler lehnt eine Beteiligung des Steuerzahlers an der Bereinigung des Diesel-Abgasskandals über staatliche Anreize zur Umrüstung auf umweltgerechte Fahrzeuge ab. Es könne nicht sein, dass „der Bürger, der Steuerzahler, der Diesel-Fahrer diese Suppe auslöffeln“ müsse, sagte Verbandspräsident Holznagel, am Montag im Deutschlandfunk. „Was nicht sein kann, ist, dass die Politik jetzt wieder mit Steuergeld winkt - im Gegenteil“, unterstrich Holznagel mit Blick auf Forderung einiger Ministerpräsidenten, der Staat solle für die Abkehr von alten, „dreckigen“ Diesel-Autos Anreize geben. „Steuergeld ins Schaufenster zu stellen, ist an dieser Stelle völlig fehl am Platz.“
Die Autoindustrie müsse die Konsequenzen aus diesen Skandalen finanziell alleine tragen, sagte Holznagel. „Wir haben ja letztlich einen Skandal, der auch auf Betrug basiert“, unterstrich er. Das gehe ohnehin schon zu Lasten der Verbraucher. Und dieser dürfe nicht doppelt zahlen, indem er womöglich auch noch für finanzielle Anreize zur Umrüstung mitaufkommen solle. Das sei abwegig und der falsche Weg. Zudem erhielte die Autoindustrie schon genug Subventionen, etwa für die Elektromobilität. Skeptisch äußerte sich Holznagel auch zu Vorschlägen aus der Politik, Sammelklagen für Verbraucher zur Durchsetzung ihrer Rechte möglich zu machen.