Porträt Michel, Alster, Olaf Scholz

Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg schafft Olaf Scholz einem zweiten Wahltriumph in der Hansestadt. Annäherung an einen Mann in der Rolle seines Lebens.

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Olaf Scholz Quelle: Laif

Morgens, wenn die Stadt erwacht, liegt Olaf Scholz in den Riemen und fragt sich, wie es so weit kommen konnte, mit ihm und Hamburg. Einmal in der Woche betritt er gegen sieben Uhr in der Früh einen schmalen Steg an der Außenalster, klettert in ein Ruderboot und stößt ab.

Dann zieht Schlag für Schlag der brandrote Industrie- und Arbeiterklinker in Barmbek an ihm vorbei oder der weiße Stolz der Patriziervillen in Harvestehude. Und er, Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt, gleitet übers Wasser, während die Ufer noch im Morgendunst liegen. Es sind diese Augenblicke, in denen er ganz bei sich ist, alles ist gut, alles im Fluss.

In solchen Momenten genehmigt sich Olaf Scholz eine kleine Portion Zufriedenheit mit sich selbst.

Hamburger Bürgermeister waren meist Mensch gewordene Blazer, aus feinem Tuch in Navyblau, versteht sich. Sie hießen Klaus von Dohnanyi oder Henning Voscherau, und man konnte sie sich jederzeit bestens beim angeregten Small Talk im gediegenen Übersee-Club am Neuen Jungfernstieg vorstellen, schon weniger in der Seemannsmission. Einer ihrer Nachfolger, Ole von Beust, verstand es mit seiner silberblonden Eleganz sogar sehr formvollendet zu verbergen, dass ihm eine wesentliche Eigenschaft Hamburger Bürgermeister gänzlich abging: Er war gar kein Sozialdemokrat.

Stolz, Skepsis und Glück

Olaf Scholz musste in dieses Format erst hineinwachsen, und man kann ihn sich bis heute nicht so recht mit einem Champagnerglas in der Hand vorstellen. Wenn er über das Verhältnis der Hamburger zu ihm spricht, dann ist da immer dieses Reststaunen, diese Mischung aus Stolz, Skepsis und, ja, Glück, dass es alles so gekommen ist. Die absolute Mehrheit 2011. Der wichtige Industrieverband Hamburg, der sich für die Wahl am vergangenen Sonntag nun wieder einen Triumph wünschte, öffentlich.

Und nun also die Wiederwahl: 45,7 Prozent. Nicht mehr ganz so triumphal wie vor vier Jahren. Aber eben doch souverän und unangefochten.

Was war da gleich noch mit dem Scholzomat damals, zu SPD-Generalsekretärszeiten? Man kriegt dieses Bild von früher einfach nicht mehr über die blendende Wahrnehmung von heute gelegt. Scholz weiß das. Und es nährt eine tiefe Genugtuung in ihm.

Als er vor einigen Monaten gebeten wurde, etwas Nettes über seinen Herausforderer von der CDU zu sagen, antwortete Scholz: „Er gibt sich Mühe.“ Eine charmant daherkommende Vernichtung war das, ebenso wie ein Zeichen, sich diese Arroganz eben leisten zu können.

Nichts geht ohne Scholz

Zu unangefochten ist Scholz in der Stadt. Nichts geht ohne ihn. Selbst die Kritik, die sich an ihm und seinem Regierungsstil entzündet, ging wie selbstverständlich davon aus, dass er Chef in der Hansestadt bleibt. „Ich passe zu dieser Aufgabe“, sagt er selbst. „Für mich ist dieses Amt etwas sehr Großes.“ 

Dabei ist die Geschichte, wie Olaf Scholz zu dem wurde, der er ist, eine ziemlich unwahrscheinliche Erzählung. Es gab ein erstes Leben in der Politik, in dem der junge Juso Olaf die staatsmonopolistische Überwindung des Kapitalismus für, sagen wir, nicht das Schlechteste hielt.  Dem zweiten Leben, für das er heute besser bekannt ist, stehen 13 Jahre voran, in denen aus dem linksbewegten Jurastudenten ein Anwalt für Arbeitsrecht wird, der eine Kanzlei gründet und Politik eher aus der Halbdistanz beobachtet.

So steht die Wirtschaft in Hamburg da

In dieser Zeit nüchtert er aus. Er lernt, das Pragmatische zu lieben, und wendet sich innerlich der bundesrepublikanischen Wirklichkeit zu, die doch gar nicht so schlecht ist, wie er sie mal gemacht hat. Scholz beerdigt als Anwalt den leidenschaftlichen Revolutionär in sich und verliebt sich ins Gestalten.

„Einfluss“, sagt er heute, „ist ziemlich gut.“ Oder, um es mit dem trockenen Wort seines Vor-Vor-Vorgängers Ortwin Runde zu sagen, der Scholz seit Ende der Siebzigerjahre kennt und ihn 2001 in sein erstes Regierungsamt holte: „Er war von Beginn an sehr durchsetzungsorientiert.“

Scholz ist bereits 40 Jahre alt, als er 1998 zum ersten Mal Bundestagsabgeordneter wird. Aber spätestens als er Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Fraktion Nachhilfe bei Minijobs erteilt („Gerd, das ist ein sehr kompliziertes Thema, in dem sich nicht alle gleich gut auskennen“), kennt man ihn auch außerhalb der Landesgruppe. 

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