In der Branche macht aber auch eine Erklärung die Runde: Bahn-Vorstand Ronald Pofalla – ehemaliger Chef des Bundeskanzleramtes und im Rennen um die Nachfolge von Exvorstandschef Rüdiger Grube – habe den Bund zu dem neuen Standard überredet. Für Fahrgäste eines ICEs der Deutschen Bahn sei der Einstieg vom höheren Bahnsteig nämlich bequemer.
Der Konzern bestätigt, dass 76 Zentimeter die optimale Bahnsteighöhe für den ICE seien. Die Fernzüge der Deutschen Bahn halten heute erst zu 70 Prozent an Stationen mit einer Bahnsteighöhe von 76 Zentimetern. Allerdings dementiert die Deutsche Bahn vehement, dass Pofalla seine Hand im Spiel habe. Die Initiative sei allein eine Entscheidung des Bundesverkehrsministeriums gewesen.
Die Deutsche Bahn würde damit auch ihre bisherigen Grundüberzeugungen über Bord werfen. 44 Prozent aller Reisenden steigen jeden Tag an einem Bahnsteig mit einer Höhe von 76 Zentimetern ein und aus. Die Bahnsteighöhe ist die dominierende Größe im deutschen Schienennetz. Für knapp jeden fünften Reisenden sind aber niedrigere Bahnsteige geläufig. Die S-Bahnsysteme nutzen zudem die Sondergröße 96 Zentimeter. Weil mehr als jeder zweite Reisende an einem niedrigeren oder höheren Bahnsteig aussteige, habe sich die Deutsche Bahn bislang gegen die „einheitliche Festlegung der Bahnsteigzielhöhen auf die dominierende Regelhöhe 76 Zentimeter“ ausgesprochen, heißt es in einem Fachartikel, auf den der Konzern verweist.
Wie die Deutsche Bahn 6,3 Milliarden Euro vergeudet
Umwandlung der Bundes- und der Reichsbahn in die Deutsche Bahn AG mit den Töchtern Fernverkehr, Regionalverkehr, Güterverkehr, Bahnhöfe und Netz.
Hartmut Mehdorn wird neuer Bahn-Chef.
Übernahme von Stinnes Logistik mit der Spedition Schenker. (Kosten: 2,5 Milliarden Euro)
Übernahme des US-Logistikdienstleisters Bax Global. (Kosten: Eine Milliarde Euro)
Ausgliederung des Beförderungs- und Transportgeschäfts in die DB Mobility Logistics AG mit dem Ziel des Börsengangs (wegen der Finanzkrise abgeblasen).
Rüdiger Grube wird neuer Bahn-Chef.
Übernahme des britischen Nahverkehrsanbieters Arriva. (Kosten: 2,8 Milliarden Euro)
Endgültiger Abschied vom Börsengang.
Schenker und Arriva sollen - zunächst in Teilen - wieder verkauft werden.
Der Höhenunterschied hat sich vor allem historisch so ergeben. Zu Beginn des Eisenbahnzeitalters baute man 38 Zentimeter hohe Bahnsteige. Vor allem in Ost-Deutschland hat der Staat in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg 55 Zentimeter hohe Bahnsteige gebaut, da die Deutsche Reichsbahn zuletzt Doppelstockwagen mit Niederflureinstieg eingesetzt hat. Grundsätzlich sind sich die Beteiligten zwar einig, dass eine Harmonisierung anzustreben sei, aber der Druck aus dem Bundesverkehrsministerium macht nun viele Nahverkehrsbehörden in den Ländern nervös.
Problematisch an den 76 Zentimetern ist aus Sicht der Nahverkehrsorganisationen nämlich auch die Tatsache, dass höhere Bahnsteige manchmal schlichtweg unvernünftig sind. So erfordert der Ansturm von Reisenden auf bestimmten Strecken den Kauf von Doppelstückzügen. Denn nur die können „die hohe Kapazitätsnachfrage“ gut bewältigen. Doch die sind ausgerichtet auf den stufenfreien Einstieg bei 55 Zentimetern.