Potential einer linken Bundesregierung Rot-Rot-Grün gegen die Merkel-Ära

Ist gegen Angela Merkel im Kanzleramt kein Kraut gewachsen? Bei SPD, Linken und auch einigen Grünen formiert sich eine Gegenbewegung. Das Ziel: ein linkes Regierungsbündnis. Doch konkret sind die Pläne noch lange nicht.

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Die Möglichkeit für ein linkes Regierungsbündnis wird von SPD, Linken und Grünen weiter geprüft. Quelle: dpa

Berlin Elf Monate vor der Bundestagswahl sind die Zeiten vorbei, in denen sich Wegbereiter möglicher neuer Regierungsbündnisse nur geheim oder weitgehend unbeachtet trafen. An diesem Dienstag kommen rund 90 teils durchaus bekannte Politiker von SPD, Linken und Grünen mitten im Zentrum des politischen Berlins, im Reichstagsgebäude, zusammen – eine rot-rot-grüne Lockerungsübung in turbulenten Zeiten.

Erst vergangene Woche gab es einen kräftigen Dämpfer für Rot-Rot-Grün-Befürworter. Ein Vorstoß für eine gemeinsame Kandidatin als neue Bundespräsidentin blieb ein Rohrkrepierer. Bei einem Telefonat der Parteichefs Sigmar Gabriel (SPD) und Bernd Riexinger (Linke) fiel der Name der evangelischen Theologin Margot Käßmann. Aus dem Umfeld der beiden wurde der Name aber in die Öffentlichkeit durchgestochen, SPD und Linke gaben sich hinter vorgehaltener Hand gegenseitig die Schuld. Die Betroffene lehnte dankend ab – und die beiden Spitzenpolitiker standen blamiert da.

Gabriel will die rot-rot-grüne Machtoption nicht von vorneherein aufgeben. Seine Sozialdemokraten zwischen Stolz und Verzweiflung kriechen trotz mancher inhaltlicher Erfolge in der großen Koalition in Umfragen bei 22 bis 24 Prozent herum. Wenn die SPD von vorneherein darauf setzt, an der Seite der Union weiterregieren zu können, müsste sie sich eigentlich gar nicht weiter damit quälen, ob Gabriel Kanzlerkandidat werden soll, meinen manche. Kanzlerin bliebe wohl ohnehin Merkel. Ist also „R2G“ (hipp für Rot-Rot-Grün) die Lösung?

Bei den Linken sehen manche eine rot-rot-grüne Machtoption mit sehr gemischten Gefühlen – allen voran Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. „Rot-Rot-Grün ist im Bund nur bei einem grundlegenden Politikwechsel denkbar“, gibt sie vor. Dafür müsste die SPD sich endgültig von der Agenda 2010 verabschieden – das sei aber nicht in Sicht. So gesehen, könnten die Linken erfolgreicher mit striktem Oppositionskurs sein.

An Wagenknecht vorbei haben die Organisatoren des Rot-Rot-Grün-Treffens bei den Linken aber freilich nicht geplant. Viele in der Partei drängen schließlich auch darauf, es jetzt endlich mal zu versuchen mit einem gemeinsamen Bündnis im Bund. Das Credo von Riexinger und Co: Klare gemeinsame Projekte formulieren, etwa eine Bürgerversicherung – und dafür kämpfen. Das wäre auch bitter nötig, denn ob die drei im Herbst 2017 überhaupt eine Regierungsmehrheit schaffen können, steht in den Sternen.


Ein linkes Pflänzchen

Den Streitpunkt Bundeswehreinsätze reden Rot-Rot-Grün-Fans bei den Linken übrigens eher klein. Klar, sagen sie dann etwa, die Linken wollen keine internationalen Kriegseinsätze, aber Koalitionen sind – ganz allgemein – ohne Kompromisse nicht denkbar.

Was soll nun beim dem rot-rot-grünen Trilog am Dienstag herauskommen? Linke-Fraktionsvize Jan Korte meint: „Es ist eine neue Qualität, dass so etwas aus der zweiten Reihe der Bundestagsfraktionen heraus gemacht wird.“ Ein starkes Signal also. „Wir wollen nichts Konkretes beschließen, es geht um einen Austausch über die Situation.“ Und, so Korte leicht verschmitzt: „Es geht darum, zu sehen, was daraus erwachsen kann.“

Erwartet werden unter anderem SPD-Generalsekretärin Katarina Barley und Ex-Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Eine Einführung soll der emeritierte Göttinger Soziologieprofessor Oskar Negt halten – eine feste Tagesordnung gibt es nicht. Dass sich SPD, Linke und Grüne in so einem Rahmen zerstreiten, ist nicht zu befürchten. Dass sie ihre Partei- und Fraktionsspitzen dazu bewegen können, offiziell schon Monate vor der Wahl mehr als nur leicht durchschaubare rot-rot-grüne Signale zu senden, ist aber auch nicht zu erwarten. Die dürften bei vielen aber auch einfach als strategisches Manöver ankommen.

Bei Grünen und CDU dauerte es etliche Jahre nach Beginn ihrer Bonner Pizza-Connection in einem italienischen Restaurant, bis gemeinsames Regieren für viele ihren Schrecken verlor. Im Nachhinein war die Pizza-Connection aber so erfolgreich, dass viele führende Schwarze und Grüne mittlerweile auch im Bund zusammen regieren wollen. Das wäre dann eine andere durchaus greifbare Alternative zur großen Koalition 2017. Bei den Grünen sehen das manche Reformer als die modernere an – sie sind in einer komfortableren Lage als SPD und Linke.

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