Präsident seit Mitternacht Steinmeier im Schoss Bellevue

Präsidenten-Wetter war es nicht in Berlin, sondern grau und nass. Aber das alte und das neue Staatsoberhaupt demonstrieren gute Laune. Eine Amtsübergabe bei Kaffee und Tee - ganz locker.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender verabschieden den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt. Quelle: dpa

Der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit einer symbolischen Amtsübernahme im Schloss Bellevue die Nachfolge von Joachim Gauck angetreten. Der scheidende Präsident und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt begrüßten Steinmeier und dessen Frau Elke Büdenbender am Sonntag auf der Treppe vor dem Schloss und zogen sich zu einem Gespräch zurück. Eine gute Stunde später verließen Gauck und Frau Schadt den Amtssitz. Um Mitternacht war die Zeit des früheren DDR-Pastors als Bundespräsident abgelaufen.

Sichtlich entspannt und gut gelaunt war Gauck im Schloss Bellevue eingetroffen. „Guten Morgen allerseits. Heute haben wir etwas Schönes vor“, rief er den Reportern zu. Wenige Minuten später fuhr Steinmeier vor, erstmals in der Dienstlimousine mit dem Kennzeichen 0-1 und dem Stander mit dem Bundesadler auf dem Kotflügel. „Herzlich willkommen“, sagte Gauck im Nieselregen. Küsschen der Herren auf die Wange für die alte und die neue First Lady.

Über die Themen des folgenden Gesprächs bei Kaffee, Tee und Gebäck wurde wenig bekannt. Man habe die fünf Jahre Gauck im Amt Revue passieren lassen, hieß es. Bei einem kleinen Empfang gab es für die Mitarbeiter noch einmal Gelegenheit, Abschied zu nehmen. Dabei sei manche Träne geflossen, berichteten Teilnehmer.

So geht Bundespräsident
Präsidenten und Paläste kennt Frank-Walter Steinmeier Quelle: dpa
Das Amt:Das Staatsoberhaupt ist das einzige Verfassungsorgan, das nur aus einem einzigen Menschen besteht - deshalb wird es auch so stark vom jeweiligen Amtsinhaber und seiner Persönlichkeit geprägt. Der Präsident verkörpere „die Einheit des Staates“, formulierte 2014 das Bundesverfassungsgericht. Die Autorität und Würde des Amtes kämen gerade darin zum Ausdruck, „dass es auf vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt ist“. Die formalen Anforderungen: Deutscher Bürger mit Wahlrecht zum Bundestag, mindestens 40 Jahre alt. Und nebenbei ein anderer Job oder zum Beispiel ein Aufsichtsratsposten sind tabu.ARCHIV - Bundespräsident Joachim Gauck (l) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) unterhalten sich am 11.01.2016 im Schloss Bellevue in Berlin während des Neujahrsempfangs für das Diplomatische Korps. (zu dpa "Schloss, Standarte, Salär - So geht Präsident" vom 11.02.2017) Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ Quelle: dpa
Die Routine-Aufgaben:Zum Präsidenten-Alltag gehört, Bundesgesetze per Unterschrift auszufertigen und sie auch auf Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Über den Schreibtisch im Bellevue gehen Ernennungen und Entlassungen von Bundesrichtern, Bundesbeamten und Offizieren. Regelmäßig ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Regierung deutsche Botschafter im Ausland und nimmt Beglaubigungsschreiben neuer Botschafter in Berlin entgegen - die kommen dafür eigens in einem Präsidentenwagen samt kleiner Motorradeskorte ins Schloss. Quelle: dpa
Die besonderen Aufgaben: Seine einstigen Kabinettskollegen könnte Steinmeier Ende des Jahres bei einem herausgehobenen Termin wiedersehen. Wenn er nach der Bundestagswahl als neuer Präsident die alten Minister entlässt - und dann die künftige Regierung ernennt. Eher selten passiert es auch, dass das Staatsoberhaupt Begnadigungen ausspricht, möglich ist dies etwa für Spione und Terroristen. Beim Tod besonders verdienter Persönlichkeiten entscheidet der Präsident, ob er einen feierlichen Staatsakt, wie etwa beim verstorbenen Altbundespräsidenten Roman Herzog oder ein Staatsbegräbnis anordnet. Quelle: dpa
Die übergreifenden Aufgaben:Aus tagespolitischen Fragen hält sich der Präsident in aller Regel heraus. Damit, was er mit welchen Worten sagt, wohin er reist und wen er empfängt, setzt er trotzdem Akzente. Das zählt zur „Staatspflege“, die in die Gesellschaft ausstrahlen soll. Kleinere Gesten gehören ebenfalls dazu: Jeder Präsident entscheidet für seine Amtszeit, ob er Schirmherrschaften übernimmt. Glückwunschpost aus dem Bellevue bekommen Bürger, die ihren 100. Geburtstag oder 65. Hochzeitstag feiern können. Für siebte Kinder einer Familie übernimmt das Staatsoberhaupt eine Ehrenpatenschaft. Und verleiht auch verschiedene staatliche Orden und Auszeichnungen. Quelle: dpa
Das Schloss:Seit 1994 ist Schloss Bellevue - keine zwei Kilometer vom Kanzleramt entfernt - erster Amtssitz des Präsidenten. Der Ende des 18. Jahrhunderts errichtete Bau mit Park hat 14 repräsentative Räume. Darunter sind das Amtszimmer und der Große Saal mit Platz für Staatsbankette mit mehr als 100 Gästen. Die rund 180 Mitarbeiter des Präsidialamts arbeiten in einem separaten Neubau. Ist der Hausherr da oder im Inland unterwegs, weht auf dem Schlossdach seine offizielle Standarte. Bei Auslandsreisen wird sie mit dem Abflug eingeholt und gleich nach Landung der Maschine wieder gehisst. Zweiter Amtssitz des Präsidenten ist daneben noch die Villa Hammerschmidt in Bonn. Quelle: dpa
Das Leben:Ins Bellevue einziehen würde auch Steinmeier nicht. Als einziger wohnte Roman Herzog von 1994 bis 1999 im Schloss. Die Räume wurden umgebaut, für Präsidenten und Familie gibt es eine Dienstvilla im Südwesten Berlins. Eine Parteimitgliedschaft lässt der Präsident traditionell ruhen. Kann er nicht arbeiten, weil er schwer krank oder im Urlaub ist, stünde der Bundesratspräsident als Vertreter für dringende Amtsgeschäfte parat. Das Salär des Staatsoberhaupts wird im Bundeshaushalt festgelegt, es beträgt aktuell 227.000 Euro. Ihr Geld bekommen Präsidenten nach Ende der Amtszeit weiter - als Ruhebezüge. Quelle: dpa

Mit einer kräftigen Umarmung endete das Treffen des alten und des neuen Bundespräsidenten. „War schön mit Ihnen“, rief Gauck den im Regen wartenden Fotografen zu, und stieg in den Wagen, als Bundespräsident a.D.. Am Nachmittag war ein Gottesdienst geplant, am Abend zuvor hatte Gauck bei einem privaten Empfang auch von Kanzlerin Angela Merkel und anderen Politikern Abschied genommen.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer würdigte zum Amtswechsel die Leistung Gaucks als Staatsoberhaupt. „Es sind große Fußstapfen, in die Frank-Walter Steinmeier tritt“, sagte er der „Heilbronner Stimme“ (Montag). Die CSU habe Steinmeier „als Person, nicht als Sozialdemokraten gewählt“ und erwarte, dass er Bundespräsident aller Deutschen sein wird.

Gauck (77) hatte aus Altersgründen auf eine zweite fünfjährige Amtszeit verzichtet. Steinmeier (61) wurde im Februar als Nachfolger gewählt. Er ist der 12. Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Als neuen Chef des Präsidialamtes bringt Steinmeier Staatssekretär Stephan Steinlein und mehrere Spitzenbeamte aus dem Auswärtigen Amt mit. Steinlein erhielt am Sonntag die Ernennungsurkunde.

Für Steinmeier beginnt am Montag der Alltag als Bundespräsident. Am Mittwoch wird der frühere SPD-Außenminister vor Bundestag und Bundesrat vereidigt. Es wird erwartet, dass er in seiner Rede vor den Parlamentariern Schwerpunkte und Ziele seiner Amtszeit benennt. Über seine ersten Reisen ist noch nichts bekannt, dem Vernehmen nach steht Paris ganz oben auf der Liste der Antrittsbesuche.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%