Privatisierung Mieter wollen gepflegt werden

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Glaubenskrieg um Privatisierung

WoBa-Gebäude Quelle: ZB

Seitdem die Stadt Dresden 2006 ihren gesamten Bestand von 48 000 Wohnungen an die Gagfah-Gruppe verkauft hat, tobt in der Landeshauptstadt ein Glaubenskrieg zwischen Gegnern und Befürwortern der Privatisierung. Die einen sehen viel Prager Zeile in der Stadt, die anderen vor allem Amalie-Dietrich-Plätze. Nach einer milliardenschweren Klage gegen die Gagfah und einem aufsehenerregenden Vergleich sind die Fronten verhärtet: Die Opposition wirft dem Rathaus vor, sie jahrelang gezielt belogen zu haben. Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) versucht, Stadträte mit Ordnungsgeldern wegen Geheimnisverrats mundtot zu machen.

Dabei hatte die Beziehung zwischen Verwaltung und Investor hoffnungsvoll begonnen: 2006 verkaufte die Stadt ihre Wohnungsbau GmbH (Woba) für 1,7 Milliarden Euro an die Gagfah, die dem US-Finanzinvestor Fortress gehört. Immobilienmanager Zohari, der den Deal als Chief Sales Officer der Gagfah eintütete, sagt: „Das war für uns ein gutes Geschäft. Wir glaubten an den Markt, als viele der großen angelsächsischen Investoren noch vorsichtig waren.“

Probleme bei der Umsetzung

Nach Abzug aller Schulden der Woba konnte Dresden einen Reinerlös von 982 Millionen Euro verbuchen und wurde damit als erste deutsche Stadt schuldenfrei – zuvor musste die Stadt wegen ihrer maroden Finanzen jahrelang Auflagen der Landesbehörden erfüllen. 77 Millionen Euro, die jährlich für Zinsen und Tilgung draufgingen, flossen nun in den allgemeinen Haushalt. „Ohne den Verkauf hätten wir uns Ausgaben für Kitas, Schulen und Sportstätten nicht leisten können“, sagt Dresdens Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU). Nach dem Woba-Verkauf hat die Stadt offiziell keine neuen Schulden gemacht – seit 2006 greift ein Schuldenverbot in der Hauptsatzung.

Doch damit endet die Erfolgsgeschichte auch schon, und es beginnen die Probleme, aus denen jede Kommune viel lernen kann. Nicht unbedingt darüber, warum eine Privatisierung generell eine schlechte Sache sein sollte, aber über das, was bei der Umsetzung schief laufen kann. Immobilienmanager Zohari sagt: „Viele Kommunen gehen zu blauäugig in die Gespräche mit Investoren.“ Er berichtet von Verhandlungen, bei denen ein Dutzend auf Immobiliengeschäfte spezialisierte Anwälte einem altgedienten Allrounder der Verwaltung gegenübersteht. Von Banken, deren Berichtspflichten für einen Kredit so umfassend sind, dass der Investor dafür sechs neue Mitarbeiter einstellt. Und von Politikern, die sich zur Kontrolle mit einem jährlichen Beisammensein bei Schnittchen zufriedengeben.

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