Pro-Erdogan-Kundgebung in Köln Türken-Großdemo beunruhigt deutsche Politik

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NRW-Präsidentin Kraft mahnt zur Besonnenheit

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) rief türkischstämmige Bürger zu Besonnenheit auf. „Tragen Sie einen innenpolitischen Konflikt der Türkei nicht in ihre Wahlheimat Nordrhein-Westfalen, in ihre Familien, ihre Freundeskreise und auch nicht in ihre Herzen“, sagte Kraft in einer am Mittwoch veröffentlichten Videobotschaft. Jeder habe das Recht, für seine Überzeugungen zu demonstrieren. „Aber bitte bleiben Sie besonnen, und bleiben Sie vor allem friedlich. Denn Ausgrenzung, Hass und Gewalt gegen andere dürfen und werden wir in keinerlei Weise tolerieren.“

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte Veranstalter und Teilnehmer eindringlich vor Aufrufen zur Gewalt. „Sollte diese Kundgebung für Gewaltaufrufe missbraucht werden, wird die NRW-Polizei rigoros einschreiten“, sagte Jäger am Donnerstag in Düsseldorf. Die Kurdische Gemeinde Deutschland kritisierte die für Sonntag angemeldete Kundgebung scharf, verzichtete aber zugleich auf eine eigene Gegendemonstration.

Zur Begründung erklärte die Kurdische Gemeinde in Gießen, sie wolle die zu der Großkundgebung erwarteten Erdogan-Anhänger durch eine Gegendemonstration „nicht aufwerten“. Weiter hieß es: „Zum anderen möchten wir nicht, dass Deutsch-Kurden im Zusammenhang mit Gewalt erwähnt werden.“

Köln ist oft Schauplatz türkischer Kundgebungen, weil es dafür günstig liegt. Allein in Nordrhein-Westfalen leben eine Million Menschen mit türkischen Wurzeln, die meisten im Ruhrgebiet. Fast alle türkischen und muslimischen Verbände haben in Köln ihren Sitz, darunter die Ditib, die direkt der türkischen Religionsbehörde untersteht. „Köln ist quasi die Hauptstadt der Türkeistämmigen in Westdeutschland“, erklärt Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung der Universität Duisburg-Essen.

Warum verspüren Menschen, die schon in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben, ausgerechnet jetzt das Bedürfnis, für Erdogan auf die Straße zu gehen? UETD-Generalsekretär Bülent Bilgi sagt, es gehe letztlich gar nicht um Erdogan, sondern um den vereitelten Putsch. Viele Migranten seien verärgert darüber, wie die deutschen Medien darüber berichteten. „Man sagt, ok, es gab einen Putsch, es sind 264 Menschen gestorben, aber das wischt man sofort beiseite und tut so, als wäre das eine Nebensächlichkeit.“

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