Pro und Contra Deutsche Soldaten in den Irak?

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Contra: "Klären, wo Freund und Feind stehen"

"Es gibt keinen Grund für ein militärisches Abenteuer", sagt WirtschaftsWoche-Redakteur Andreas Wildhagen

Deutschland muss "Verantwortung übernehmen". Bundeswehr an die nordirakische Front! Die bellizistische Forderung meines Kollegen Hans Jakob Ginsburg reiht sich ein in einen Chor von Appellen, die seit einigen Wochen eisern dazu auffordern, die Bundesrepublik müsse endlich weltpolitisches Format zeigen und sich aus der moralischen Schockstarre der Nachkriegszeit emanzipieren.

Kriegerische Worte und ein gewisser Stolz, sich einzureihen in die Phalanx, der "Genug ist genug"-Menschen, die mit dem Finger am Abzug gegen Völkermord und Vergewaltigungen zu Felde ziehen wollen, gehören mittlerweile zum Grundrauschen in den Boulevardblättern und des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Dabei dient der Hinweis auf die deutsche Geschichte in unterschiedlicher, ja gegensätzlicher Weise. Mal zur Warnung vor Kampfeinsätzen, mal zur Begründung derselben, um gegen Abscheulichkeiten in jedem Winkel der Welt zu Felde zu ziehen. Man kann dieses Argument also wegen seiner Beliebigkeit getrost weglassen und sollte es auch tun. Die aggressive Rhetorik, die vor Wochen mit der Krim-Krise begann, hat heute infolge der Verfolgung der Jesiden im Irak und des Isis-Terrors seinen aktuellen vorläufigen Höhepunkt gefunden.

Verhandeln und Reden ist mittlerweile bei vielen Politikern verpönt. Viele Journalisten treiben das politische Berlin vor sich her. Es fing alles noch harmlos an, als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Siemens-Chef Joe Kaeser attackierte, weil dieser im März den russischen Präsidenten Wladimir Putin in seiner Residenz besucht hat. Kaeser gehöre zu den "Krämerseelen", wetterte Gabriel, Kaeser sei Materielles wichtiger als Menschenrechte. Wirtschaftspolitik mit Russland ist für Gabriel nur noch Sanktionspolitik.

Fatal ist, dass die Front zwischen Feinden, Geldgebern im Hintergrund und Terroristen fließend ist. Das "Böse" müsse bekämpft werden, forderte Ex-Außenminister Joschka Fischer kürzlich. Das "Böse" ist aber gar nicht so böse, wenn es sich wie ein megareicher Scheich in Katar mit fünf Prozent an der Deutschen Bank beteiligt und dafür acht Milliarden Euro hinblättert. Aus Katar heraus finanzieren die Scheichs auch den Gaza-Streifen in inniger islamistischer Solidarität und unterstützen Isis-Kämpfer.

Die Königshaus-Diktatur Saudi-Arabien, Handelspartner der USA und Deutschlands, ist ein Regime, das Ungläubige und Christen unterdrückt und den Terror in anderen Teil der Region finanziert. Solange niemand weiß, wo Freund und wo Feind stehen, solange der Nutzen eines möglichen Sieges über das aktuell Böse nicht klar ist, darf kein deutscher Soldat auch nur einen Schuss in den Krisenregionen abfeuern.

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