Wirkt sich denn der Wandel von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee positiv aus?
Bei der Luftwaffe und Marine wirkt sich das wenig aus, weil dort immer schon längerfristig dienendes Personal tätig war. Beim Heer hat das Wegbleiben der Wehrpflichtigen schon dazu geführt, dass Zeitsoldaten nur schwer gewonnen werden. Und leider geht mit dem Abschied von der Wehrpflichtarmee auch eine schleichende Entkoppelung von der Gesellschaft einher. Das Verständnis der Bevölkerung für die Bundeswehr nimmt dadurch weiter ab.
Bekommt die Bundeswehr nicht zu wenig Geld, um ihre Aufgaben zu erfüllen und ihre Umstrukturierung zu bewältigen?
Für einen echten Umbau braucht man schon eine Anschubfinanzierung. Aber wenn man eine vernünftig aufgestellte Truppe hat, müsste man mit den rund 30 Milliarden Euro pro Jahr auskommen. Wir müssen uns allerdings stärker mit den anderen Bündnispartnern der NATO absprechen. Nicht jede Armee muss zum Beispiel die gleichen Lufttransportfähigkeiten aufweisen. Seit wir von der klassischen Landesverteidigung abkehren, können und müssen sich die einzelnen Bündnispartner besser absprechen und Aufgaben untereinander aufteilen. Es hat dazu zahlreiche Initiativen gegeben, so zum Beispiel die EU-Battlegroups. Diese werden aber nicht oder kaum eingesetzt. Hier zeigt sich ein generelles Problem. Nicht nur Deutschland, auch die Partner verfügen entweder nicht über den politischen Willen, Kräfte zusammenzuführen, oder sie finden sich in einer ähnlich desolaten Ausrüstungslage wieder. Hier gilt es zukünftig multinational eine Sicherheitsarchitektur zu entwickeln, die in eine konkrete und operationalisierbare Beschaffungsstrategie umsetzbar ist.
Welche konkreten Maßnahmen müsste die Bundesverteidigungsministerin noch ergreifen, damit die Bundeswehr – sagen wir: in fünf Jahren wieder einigermaßen einsatzfähig und effizient ist?
Prinzipiell ist die Bundeswehr einsatzfähig, d.h. sie kann ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Frage der Qualität steht auf einem anderen Blatt. Viele technische Mängel werden durch den Einsatz und Findigkeit der Soldaten ausgeglichen. Angesichts des gestern vorgelegten Zustandsberichts gilt es aber zu entscheiden, welche Fähigkeiten in welchem Umfang abgebildet werden sollen und welche es noch aufzubauen gilt. Deshalb denke ich, das fünf Jahre sehr ambitioniert sind. Aber wenn ich wie bei der Restrukturierung eines Unternehmens vorgehe, muss ich mir zunächst überlegen, was meine Kernaufgaben sind, die ich wahrnehmen will und kann. Das heißt aber auch, dass ich mich von einigen Aufgaben trennen muss. Dann ist es extrem wichtig, das Thema der militärischen Beschaffung so in den Griff zu bekommen, dass es nicht diese unendlichen Komplexitätsschleifen gibt. Ich akzeptiere dann mehr Standard- und weniger Sonderwünsche. Daneben muss ich die Komplexität der vielen Standorte reduzieren. Oder in drei kurzen Begriffen:
Fokussieren, Reduzieren und Optimieren. Fokussieren auf die Kernaufgaben, Reduzieren der Standorte, Hierarchien und Komplexität der Prozesse insbesondere in der Wehrverwaltung und Optimieren der Leistungsfähigkeit der Beschaffung, Ausrüstung und Führungsfähigkeit.
Beim Schließen von Standorten würden Sie aber wohl jeden Ministerpräsidenten gegen sich aufbringen.
Wir müssen aber bei der Standortpolitik zwischen militär- und sozialpolitischen Komponenten unterscheiden. Letztere verursachen Kosten in Milliardenhöhe – Geld, das für die militärische Aufgabenerfüllung fehlt.
Wie wollen Sie die Truppe denn wieder mehr motivieren?
Das ist ein ganz großes Problem. Das fängt an mit der Frage: Wohin soll die Reise mit der Bundeswehr gehen? Das fehlt schon seit sechs, sieben Jahren und schürt den immensen Frust noch mehr. Das liegt nicht allein an der Ministerin und ihren Vorgängern. Hier fehlt eine langfristige und transparente Führungslinie. Diese kann aufgrund der Richtlinienkompetenz nur von der Bundesregierung kommen.