Probleme bei der Bundeswehr "Die reparieren nicht mehr, das ist schon restaurieren"

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Wandel von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee

Wirkt sich  denn der Wandel von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee positiv aus?

Bei der Luftwaffe und Marine wirkt sich das wenig aus, weil dort immer schon längerfristig dienendes Personal tätig war. Beim Heer hat das Wegbleiben der Wehrpflichtigen schon dazu geführt, dass Zeitsoldaten nur schwer gewonnen werden. Und leider geht mit dem Abschied von der Wehrpflichtarmee auch eine schleichende Entkoppelung von der Gesellschaft einher. Das Verständnis der Bevölkerung für die Bundeswehr nimmt dadurch weiter ab.

Bekommt die Bundeswehr nicht zu wenig Geld, um ihre Aufgaben zu erfüllen und ihre Umstrukturierung zu bewältigen?

Für einen echten Umbau braucht man schon eine Anschubfinanzierung. Aber wenn man eine vernünftig aufgestellte Truppe hat, müsste man mit den rund 30 Milliarden Euro pro Jahr auskommen. Wir müssen uns allerdings stärker mit den anderen Bündnispartnern der NATO absprechen. Nicht jede Armee muss zum Beispiel die gleichen Lufttransportfähigkeiten aufweisen. Seit wir von der klassischen Landesverteidigung abkehren, können und müssen sich die einzelnen Bündnispartner besser absprechen und Aufgaben untereinander aufteilen. Es hat dazu zahlreiche Initiativen gegeben, so zum Beispiel die EU-Battlegroups. Diese werden aber nicht oder kaum eingesetzt.  Hier zeigt sich ein generelles Problem. Nicht nur Deutschland, auch die Partner verfügen entweder nicht über den politischen Willen, Kräfte zusammenzuführen, oder sie finden sich in einer ähnlich desolaten Ausrüstungslage wieder. Hier gilt es zukünftig multinational eine Sicherheitsarchitektur zu entwickeln, die in eine konkrete und operationalisierbare Beschaffungsstrategie umsetzbar ist.

Die Problem-Projekte der Rüstungsindustrie
Airbus A400MEs sollte das Vorzeigeprojekt von Airbus (früher EADS) werden: Mit dem Transportflugzeug A400M wollten die Europäer den Russen und Amerikanern zeigen, zu welchen technischen Fähigkeiten sie in der Lage sind. Herausgekommen ist ein Desaster. Die Auslieferung der ersten Maschinen war für 2009 geplant, geliefert wurde allerdings bisher kaum eine Maschine. Die Franzosen haben derzeit zwei Maschinen in ihrem Besitz, Deutschland soll 2014 den ersten A400M erhalten.Quellen: Bund der Steuerzahler, HRI, Bundesverteidigungsministerium Quelle: dpa
Die Verzögerungen in der Produktion haben auch die Kosten in die Höhe getrieben. So sollen die Mehrkosten laut Verteidigungsministerium satte 9,3 Milliarden Euro betragen – obwohl die Bundesregierung bereits die Notbremse gezogen hat und Flieger abgestellt hat: Von den ursprünglich bestellten 73 Maschinen sollen der Bundeswehr nun nur noch 40 zur Verfügung gestellt werden. Weitere 13 will Deutschland direkt weiterverkaufen. Käufer wurden bisher allerdings noch nicht gefunden. Quelle: AP
EurofighterDie Anfänge des Kampffliegers „Eurofighter“ gehen bis in die frühen 80er-Jahre zurück. Mit ihm wollten die Europäer den übermächtigen sowjetischen Kampfjets etwas entgegensetzen. Doch auf dem Weg der Entwicklung kam Airbus die Geschichte in die Quere. Denn Ende der 80er-Jahre fiel zunächst die Berliner Mauer, später brach die Sowjetunion zusammen. Doch alles kein Problem: Mit großem Verhandlungsgeschick gelang es Airbus die Regierungen in Europa davon zu überzeugen, an dem Projekt festzuhalten. Quelle: obs
So sicherte der Rüstungskonzern zu, dass der Eurofighter im Laufe der Jahre immer weiter modifiziert werde und so den neuen Rahmenbedingen angepasst werde. Allerdings zeigten die ersten ausgelieferten Jets etliche technische Probleme, deren Behebung weitere Kosten verursachten. Ursprünglich sollte eine Maschine circa 33 Millionen Euro (Preis von 1998) kosten, am Ende schoss der Preis auf 138,5 Millionen Euro in die Höhe. Die Bundeswehr nimmt daher nur noch 140 von ursprünglich geplanten 250 ab. Doch es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Eurofighter trotz aller Probleme ein durchaus konkurrenzfähiges Flugzeug ist. Dies zeigte sich 2005 in einem „Schaukampf“, bei dem zwei amerikanische F-15-Kampfjets gegen eine Eurofighter-Trainingsmaschine antraten und zu Überraschung aller Beteiligten der Eurofighter dieses Gefecht klar für sich entscheiden konnte. Quelle: dpa
NH 90Der Mehrzweckhubschrauber von NH Industries sollte das Rückgrat der deutschen beziehungsweise europäischen Hubschrauberflotte werden. 2010 erhielt die Bundeswehr die ersten Helikopter, die von einer Expertengruppe eingehend getestet wurden. Ihr Urteil war vernichtend. Sie kamen zu dem Schluss, dass, wann immer es möglich sei, alternative Luftfahrzeuge zum Transport von Infanteriekräften zu nutzen seien. Die Mängelliste ist lang und skurril. Zum Beispiel ermöglicht die geringe Bodenfreiheit Soldaten nur auf befestigtem Boden den Ausstieg. Außerdem ist die Heckrampe nicht für den Ausstieg ausgerüsteter Soldaten geeignet, da deren Konstruktion zu schwach ist. Doch das noch lange nicht alles... Quelle: dpa
Der Innenraum des NH90 ist derart eng bemessen, dass eine Infanteriegruppe mit Gepäck für 24 Stunden nur dann in den Hubschrauber passen würden, wenn sie ihre Waffen und das Gepäck ohne Sicherungen auf den Boden legen. Diese Beengtheit macht eine Anbringung eines Bordgeschützes außerdem praktisch unmöglich, weshalb der Helikopter im Ernstfall mit anderen Mitteln verteidigt werden müsse. Zu guter Letzt können schwere Waffen aufgrund fehlender Gurte nicht transportiert werden. Ursprünglich waren 122 NH 90 geordert worden, letztlich werden es Stand jetzt circa 100 werden. Kostenpunkt: 8,6 Milliarden Euro. Immerhin gibt es zu diesem Preis weitere Kampfhubschrauber im Paket... Quelle: dpa
TigerUnd zwar 57 Kampfhubschrauber Tiger. Die Pläne für die Eurocopter-Maschine reichen bis in das Jahr 1984 zurück. Zusammen mit der französischen Regierung gab die Bundesregierung eine Alternative zum PAH-1 in Auftrag. Dieser ging an Eurocopter (Airbus) mit dem Entwurf des Tigers. Dieser Mehrzweck-Kampfhubschrauber sollte in Konkurrenz zum amerikanischen Apache treten. Quelle: REUTERS

Welche konkreten Maßnahmen müsste die Bundesverteidigungsministerin noch ergreifen, damit die Bundeswehr – sagen wir: in fünf Jahren wieder einigermaßen einsatzfähig und effizient ist?

Prinzipiell ist die Bundeswehr einsatzfähig, d.h. sie kann ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Frage der Qualität steht auf einem anderen Blatt. Viele technische Mängel werden durch den Einsatz und Findigkeit der Soldaten ausgeglichen. Angesichts des gestern vorgelegten Zustandsberichts gilt es aber zu entscheiden, welche Fähigkeiten in welchem Umfang abgebildet werden sollen und welche es noch aufzubauen gilt. Deshalb denke ich, das fünf Jahre sehr ambitioniert sind. Aber wenn ich wie bei der Restrukturierung eines Unternehmens vorgehe, muss ich mir zunächst überlegen, was meine Kernaufgaben sind, die ich wahrnehmen will und kann. Das heißt aber auch, dass ich mich von einigen Aufgaben trennen muss. Dann ist es extrem wichtig, das Thema der militärischen Beschaffung so in den Griff zu bekommen, dass es nicht diese unendlichen Komplexitätsschleifen gibt. Ich akzeptiere dann mehr Standard- und weniger Sonderwünsche. Daneben muss ich die Komplexität der vielen Standorte reduzieren. Oder in drei kurzen Begriffen:

Fokussieren, Reduzieren und Optimieren. Fokussieren auf die Kernaufgaben, Reduzieren der Standorte, Hierarchien und Komplexität der Prozesse insbesondere in der Wehrverwaltung und Optimieren der Leistungsfähigkeit der Beschaffung, Ausrüstung und Führungsfähigkeit.

Beim Schließen von Standorten würden Sie aber wohl jeden Ministerpräsidenten gegen sich aufbringen.

Wir müssen aber bei der Standortpolitik zwischen militär- und sozialpolitischen Komponenten unterscheiden. Letztere verursachen Kosten in Milliardenhöhe – Geld, das für die militärische Aufgabenerfüllung fehlt.

Wie wollen Sie die Truppe denn wieder mehr motivieren?

Das ist ein ganz großes Problem. Das fängt an mit der Frage: Wohin soll die Reise mit der Bundeswehr gehen? Das fehlt schon seit sechs, sieben Jahren und schürt den immensen Frust noch mehr. Das liegt nicht allein an der Ministerin und ihren Vorgängern. Hier fehlt eine langfristige und transparente Führungslinie. Diese kann aufgrund der Richtlinienkompetenz nur von der Bundesregierung kommen.

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