Produkte Die Qualität beeinflusst die Inflationsrate

Statistiker haben die Aufgabe den "reinen" Preisanstieg zu berechnen. Das ist gar nicht so einfach, denn mit schwankender Qualität schwanken auch die Werte der jeweiligen Produkte.

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Qual der Wahl Quelle: dpa

Wer sich ein neues Smartphone zulegt, um damit Freunde und Kollegen zu beeindrucken, kann sich über deren neidische Blicke nicht allzu lange freuen. Denn meist dauert es nur wenige Monate, dann wirft der Hersteller schon das Nachfolgemodell auf den Markt. Das Top-Modell, eben noch der letzte Schrei, gilt dann als altbacken und technisch überholt.

Gerade in der Computer- und Elektronikbranche verläuft der technische Fortschritt rasend schnell. Die Verbraucher profitieren davon durch verbesserte Produktqualitäten. Doch was die Konsumenten freut, macht den Statistikern das Leben schwer. Denn ihre Aufgabe ist es, den „reinen“ Preisanstieg zu messen, der die Geldentwertung widerspiegelt. Steigt der Preis einer Ware jedoch, weil sich deren Qualität verbessert hat, bekommt der Kunde für sein Geld mehr Gegenleistung. Die Kaufkraft des Geldes verringert sich nicht. Der offizielle Verkaufspreis der Ware überzeichnet mithin die Inflation.

Um den „reinen“ Preisanstieg zu messen, müssen die Statistiker die von Qualitätsänderungen herrührenden Preiseffekte aus dem Gesamtpreis herausrechnen. Dafür gibt es mehrere Methoden. Eine Möglichkeit ist, sogenannte Optionspreise zu berücksichtigen. Ein Beispiel dafür sind die Serienausstattungen von Autos. Im Laufe der Zeit bauen die Hersteller üblicherweise Leistungen als Serienausstattungen in ihre Autos ein, die die Kunden früher optional als Sonderzubehör bestellen und extra bezahlen mussten. Um den Preiseffekt einer verbesserten Serienausstattung herauszurechnen, ziehen die Statistiker daher einen Teil des Preises, der früher für das Zubehör gezahlt werden musste, einfach vom Verkaufspreis des Autos ab.

Geldwerter Vorteil

Eine andere Methode der Qualitätsbereinigung besteht darin, den geldwerten Vorteil zu berechnen. Verbraucht ein neues Produkt weniger Energie, so lässt sich bei einer typischen Nutzungsdauer die -Kostenersparnis als Qualitätskomponente vom Verkaufspreis abziehen.

Eine deutlich ausgefeiltere Methode der Qualitätsbereinigung ist die sogenannte Hedonik. Sie funktioniert vor allem bei Produkten mit raschem technischem Fortschritt und häufigen Modellwechseln. Dabei werden die Güter, zum Beispiel Notebooks, gedanklich in ihre einzelnen Qualitätsmerkmale wie Festplattenkapazität oder Prozessorstärke zerlegt. Dann ermitteln die Statistiker mittels Regressionsanalysen den Einfluss der Qualitätskomponenten auf die Preise. Dieser Zusammenhang gibt ihnen die Möglichkeit, um bei Modellwechseln die Be-deutung der Qualität für die Preisentwicklung zu berechnen. Dazu setzen sie zunächst die Qualitätsmerkmale des alten und anschließend die des neuen Modells in die Regressionsgleichung ein.

Qualitätsgesteuerter Preiseffekt

Der so berechnete Preisunterschied zwischen altem und neuem Gerät ist dann allein der verbesserten Qualität geschuldet. Zieht man diesen qualitätsgesteuerten Preiseffekt von der gesamten Preisveränderung des Modells ab, erhält man die reine – inflatorische – Preisänderung. Diese fällt umso geringer aus, je stärker der technische Fortschritt die Qualität verbessert.

In den USA, wo die Statistiker hedonische Methoden schon seit Mitte der Neunzigerjahre anwenden, hat das Kritiker auf den Plan gerufen. Sie argwöhnen, die hedonisch berechnete Inflation unterzeichne den wahren Preisauftrieb. Weil die Verbraucher den Qualitätszuwachs häufig gar nicht spürten, sei es fragwürdig, ihn als Preisrückgang zu werten. Zudem schmälere eine niedrigere Inflation die staatlichen Transferzahlungen, die in den USA häufig an die Veränderung der Lebenshaltungskosten gekoppelt sind. Auch treibe die hedonische Methode das reale Wirtschaftswachstum künstlich nach oben. Denn um das reale Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu berechnen, muss das nominale BIP durch den Preisindex dividiert werden. Je kleiner dieser ausfällt, desto größer wird das reale BIP.

EU bereinigt die Preise

Mittlerweile ist die Qualitätsbereinigung von Preisindizes weltweit verbreitet. Auch in der Europäischen Union haben sich die Staaten zur besseren Vergleichbarkeit ihrer Preis- und -wachstumsdaten darauf verständigt, den Geldwert von Qualitätssprüngen zu berücksichtigen. In Deutschland hat das allerdings keine allzu großen Effekte auf die Inflation -gehabt. Nach Angaben des -Statistischen Bundesamtes lag die Inflationsrate von 2005 bis 2010 im Schnitt bei 1,6 Prozent pro Jahr. Ohne Qualitätsbereinigung wäre sie nur um 0,1 Prozentpunkte höher ausgefallen. Anders als in den USA, wo die Statistiker sogar den Preis für Herrenhemden der Qualitätsbereinigung unterziehen, beschränken die Statistiker in Deutschland die Qualitätsbereinigung auf technische -Güter. Und deren Anteil am Warenkorb liegt bei uns gerade mal bei sechs Prozent.

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