Prognosen vor Landtagswahlen Warum Wahlforscher Probleme mit der AfD haben

Die Alternative für Deutschland könnte laut Umfragen zum großen Wahlgewinner werden. Die Meinungsforscher tun sich aber schwer mit rechtspopulistischen Parteien. Was taugen die Prognosen für die AfD?

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Was taugen die Prognosen für die AfD? Quelle: dpa

Die etablierten Parteien sind vom Wahlergebnis schockiert. Die CDU verliert massiv, Grüne und Liberale schaffen es nicht mal in den Landtag. Die Rechtspopulisten hingegen sind der große Gewinner und holen knapp 13 Prozent der Stimmen. Es ist der 26. April 1998, Wahlabend in Sachsen-Anhalt. In den Umfragen waren der Deutschen Volksunion, kurz DVU, damals nur sechs Prozent vorhergesagt worden.


18 Jahre später wird wieder gewählt. Wieder will eine Partei rechts von der Union Wähler abgreifen, nicht nur in Sachsen-Anhalt, auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Die Umfrageinstitute prognostizieren der Alternative für Deutschland zweistellige Wahlergebnisse, in Sachsen-Anhalt kratzt die AfD sogar an der 20-Prozent-Marke.

Liegen die Meinungsforscher diesmal richtig? Die AfD selbst hat die Wahlforscher immer wieder kritisiert. Der frühere Vorsitzende Bernd Lucke bezichtigte Forsa und das Institut für Demoskopie Allensbach im Jahr 2013 die AfD „kleinzurechnen“. Forsa erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung gegen Lucke. Und erst vor wenigen Wochen warf Vorstandsmitglied Alice Weidel Forsa-Chef Manfred Güllner vor, er verheddere sich in „ideologischen Wunschvorstellungen“ gegen die AfD.

Dabei galt unter Demoskopen bislang die Faustregel: Für Parteien am rechten Rand müssen die Zahlen eher nach oben korrigiert werden, weil die Befragten ihre Sympathie nicht offenlegen wollen. Trifft das auch auf AfD-Anhänger zu? Peter Matuschek, Leiter der Politikabteilung beim Meinungsforscher Forsa, glaubt nicht daran: „Wer AfD wählen möchte, geht damit offen um.“

Auch Matthias Jung, Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen, sieht das ähnlich: „Es gibt für uns keinen Grund, die AfD als rechtsradikale Partei zu behandeln und sie künstlich hochzurechnen.“

AfD könnte Flüchtlingsgegner und Nichtwähler anziehen

Nachbearbeitet werden die Daten dennoch. Ein gängiges Verfahren ist die sogenannte „politische Gewichtung“. Die Befragten sollen sich erinnern, für wen sie bei der letzten Wahl ihr Häkchen gesetzt haben. Stimmen die Erinnerungen nicht mit den tatsächlichen Ergebnissen der Wahl überein, wird gewichtet. Ein Beispiel: In einer Umfrage geben 50 Prozent der Befragten an, bei der letzten Bundestagswahl CDU oder CSU gewählt zu haben. Tatsächlich kam die Union 2013 aber nur auf 41,5 Prozent. Die Meinungsforscher rechnen dann die Umfragedaten für die Union runter.



Wolfgang Gibowski hatte vor 40 Jahren die Forschungsgruppe Wahlen gegründet und kritisiert dieses Verfahren. „Antworten auf solche Erinnerungsfragen taugen nichts, weil es kaum noch Stammwähler gibt und viele sich falsch an vergangene Wahlen erinnern.“ Studien zeigen tatsächlich, dass Befragte ihre letzte Stimmabgabe systematisch falsch einschätzten. Die Forschungsgruppe Wahlen verzichtet nach eigenen Angaben auf die politische Gewichtung. Aus Allensbach ist zu hören, dass diese Technik langsam aus der Mode kommt.

Doch wie werden die Rohdaten nun bearbeitet? „Betriebsgeheimnis“ heißt es aus den Instituten. Die Forschungsgruppe Wahlen veröffentlicht als einziges Institut immerhin die Rohdaten. Mitte Februar meldete das Institut beispielsweise 25 Prozent für die SPD im Bund. Im Kleingedruckten erfährt man, dass 29 Prozent der Befragten so geantwortet hatten. Ähnliches galt im Januar für die AfD. Statt auf 13 Prozent durfte die Partei durch die Gewichtung nur auf elf Prozent steigen. Ob die Zustimmung für die AfD auch in den Bundesländern heruntergerechnet wird, wollen die Umfrageinstitute nicht sagen.

Die Wahlforscher sind jedenfalls überzeugt, dass die AfD viele frustrierte Bürger für sich gewinnen wird, die mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nicht einverstanden sind – auch bisherige Nichtwähler. Das gelang auch der DVU 1998. Damals stieg die Wahlbeteiligung um 16 Prozentpunkte an. Eine Prognose für diesen Sonntag will Wahlforscher Gibowski nicht wagen. „Die Wahrheit ist doch: wir wissen nicht, was passiert.“

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