Rainer Brüderle gegen Jürgen Trittin "Relativ wenige in Deutschland zahlen relativ viel Steuern"

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"Mit Floskeln lässt sich das Problem nicht lösen"

Trittin geht unfreiwillig baden
Da war noch alles in Ordnung: Der Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, fährt in Hedemünden (Niedersachsen) in einem Kanu auf der Werra. Mit im Boot sitzen Parteimitglieder Marie Kollenrott, Gunnar Stumpe und Heiko Holst. Trittin ist mit Parteifreunden vom nordhessischen Witzenhausen bis ins südniedersächsische Hedemünden auf der Werra gepaddelt, um damit für einen Stopp sämtlicher Salzeinleitungen in den Fluss einzutreten. Quelle: dpa
Dann passiert das Malheur: Bei einem missglückten Anlegemanöver kenterte das Boot, der Spitzenkandidat und seine Mitstreiter fielen ins Wasser. „Verletzt wurde niemand. Alle Beteiligten haben den kleinen Unfall mit Humor genommen“, sagte Parteisprecher Sascha Völkening. Quelle: dpa
So konnte Trittin etwas unfreiwillig sich selbst vom Zustand des Wassers in der Werra überzeugen. Quelle: dpa
Der ungewollte Ausflug ins Wasser war nicht die erste kleine Panne für Trittin an diesem Tag. Bereits bevor er überhaupt das Ruderboot bestiegen hatte, rutschte Trittin in Gertenbach auf einem Steg aus. Doch es blieb bei diesem Schnappschuss, der Politiker konnte sich an dem Geländer abfangen. Quelle: dpa
Diese Woche hatte Trittin bereits mit Wasser zu tun: Bei der Wahlkampftour durch Bayern setzte der Grüne mit dem Segelboot im Bildhintergrund über dem Ammersee von Herrsching nach Dießen. Trittin unterstützte mit seinem Besuch im Freistaat den Wahlkampf der bayerischen Landtags-Grünen. Quelle: dpa
Wahlkampf ist kein Zuckerschlecken. In Niedersachsen schwang sich Trittin Mitte Juli auf den Fahrradsattel. Die Spitzenkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl 2013 trafen sich während der „Deutschland-ist-erneuerbar-Tour“ am Westöstlichen Tor, einem Kunstwerk als Symbol zur Einigung von Ost und West. Quelle: dpa
Trittin ist nicht der erste Spitzenpolitiker, dem ein kleines Missgeschick mit einem Ruderboot passiert ist. Bei einer Drachenboot-Tour als Unterhaltungsprogramm während einer Klausurtagung der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion im Mai 2012 kenterten die lokalen Parteigrößen. Im Bild fallen gerade Björn Tümmler, Fraktionsvorsitzender CDU, Umweltminister Stefan Birkner (CDU, dahinter) und Wirtschaftsminister Jens Bode ins Zwischenahner Meer. Quelle: dpa

Brüderle: Mehrheitsentscheidungen kann man nur über das Europäische Parlament machen, nicht über die EU-Kommission. Das Gleiche gilt bei der Europäischen Zentralbank. Es kann nicht sein, dass Malta das gleiche Stimmgewicht hat wie Deutschland, wenn es darum geht, ob Staatsanleihen aufgekauft werden oder – salopp gesagt – Geld gedruckt wird. Was Griechenland betrifft: Es ist ein eigenständiger Staat, kein Protektorat.

Trittin: Mit allgemeinen Floskeln lässt sich das Problem nicht lösen. In diesen Ländern muss mehr investiert werden, und da reden wir nicht über Bürgschaften, da reden wir über bares Geld. Das wird nach der Wahl kommen, auch wenn es die Regierung noch verschweigt. Aber das Schweigen macht nur die Nationalisten von der AfD stark.

So akut wie die Euro-Krise sind für die Wirtschaft steigende Energiekosten. Herr Trittin, Sie wollen ein grünes Energieministerium. Ist es nicht unrealistisch, dass der größere Koalitionspartner hier Einfluss abgibt?

Trittin: Wir wollen die wesentlichen Kompetenzen in einer Hand: Klimaschutz, erneuerbare Energien, Netzplanung und -verantwortung. Wer die Energiewende vernünftig machen will, muss das bündeln. Unter Schwarz-Gelb vervierfachte sich die EEG-Umlage durch politische Maßnahmen, zum Jahresende klettert sie wohl noch auf das Fünffache. Dabei haben die Erneuerbaren nur um 50 Prozent zugenommen. Und trotz des Zuwachses der Erneuerbaren schafft der Kohlestrom gigantische Überkapazitäten.

von Tim Rahmann, Konrad Handschuch, Roland Tichy

Brüderle: Ein Energieministerium stünde mit allen anderen Ministerien im Konflikt: mit Umwelt, Wirtschaft, Verkehr. Das sollte beim Wirtschaftsministerium konzentriert werden. Aber all das ändert nichts daran, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz falsch konstruiert ist. Es setzt völlig falsche Anreize. Bei der Einspeisung haben die Erneuerbaren Vorrang, und alles ist auf 20 Jahre festgeschrieben. Weil überfördert wurde, sieht man überall im Land Scheunen, die nur wegen des Solardaches gebaut wurden. Deshalb müssen wir umsteuern: Wir legen fest, wie viel erneuerbare Energie wir wollen, egal, woher sie stammt. Der Erzeuger muss entscheiden, wie es am günstigsten geht.

Trittin: In den letzten zehn Jahren hat sich der Preis für Solarstrom um 75 Prozent verringert – durch das EEG. Andere Staaten in Europa machen es so, wie es Herr Brüderle will, etwa Großbritannien. Dort bringen die Versorger nicht die geforderte Menge erneuerbaren Stroms, sondern zahlen lieber eine Konventionalstrafe. Und die Kilowattstunde etwa aus Wind kostet dort 13 Cent. Für diesen Preis liefern in Deutschland schon die Fotovoltaikanlagen Strom, eine Windanlage bei uns kriegt nicht mal die Hälfte an Vergütung. Ich bin Ihrer Meinung, dass wir billiger und besser werden müssen. Das geht, wie man sieht, sehr gut mit der Einspeisevergütung. Wir müssen die Ausnahmen von der EEG-Umlage wieder einschränken, das bringt vier Milliarden Euro. Für einen Vier-Personen-Haushalt sind das 50 Euro Ersparnis bei den Stromkosten im Jahr. Und 600 Euro weniger Stromkosten wären das für einen Mittelständler mit 50 000 KWh Verbrauch.

Brüderle: Die Ausnahmen kann man überprüfen. Aber da ist zum Beispiel auch die Deutsche Bahn dabei. Wenn man das streicht, werden die Fahrpreise erhöht. Sie müssen Ihrer Klientel auch sagen, was es bedeutet, wenn man allen Stadtwerken die Ausnahmen streicht. Die Straßenbahn wird dann auch teurer.

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