Will man die Güte der Ökonomen-Ratschläge bewerten, sollte man sich bewusst sein, dass die Wirtschaftswissenschaft - anders als die Naturwissenschaften - keine exakte Wissenschaft ist. Während sich die Hebelkräfte von Kränen numerisch exakt berechnen lassen, gilt dies für das menschliche Verhalten, das den Gegenstand der ökonomischen Forschung darstellt, nicht. Menschliches Verhalten folgt zwar gewissen Gesetzmäßigkeiten, lässt sich jedoch nicht mathematisch exakt berechnen. Dennoch haben die Ökonomen komplexe Modelle entwickelt, die die Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens suggerieren. Dahinter steckt die Sorge, als inexakte Wissenschaft von anderen Disziplinen nicht ernst genommen zu werden. Hinzu kommt: Mathematisch-empirische Analysemethoden bieten den Ökonomen ein willkommenes Instrumentarium, um vom Staat finanzierte Gutachten an Land zu ziehen. Die Forscher liefern dann die numerischen Ergebnisse, die die Regierung benötigt, um ihre wirtschaftspolitischen Programme und Ziele zu begründen und gegenüber der Öffentlichkeit zu legitimieren. Die Gefahr: Die Ökonomen werden zu Sozialingenieuren, die der Regierung Wege aufzeigen, wie diese ihre Programme möglichst effizient umsetzen kann. Die dahinter stehende politische Agenda aber hinterfragen sie kaum noch.
Die Ergebnisse, die die mit historischen Daten gefütterten Modelle der Ökonomen ausspucken, werden gern als absolute Wahrheiten verkauft. Tatsächlich aber spiegeln sie lediglich historische Konstellationen wider, die sich aufgrund ihrer Einmaligkeit nicht eignen, um daraus allgemeine Gesetzmäßigkeiten abzuleiten. Die mathematisch-statistischen Analysemethoden bieten zudem viele Freiheitsgrade, die die Forscher nutzen können, um das Ergebnis zu manipulieren. Wählt man etwa einen anderen Untersuchungszeitraum, oder ändert einzelne Parameter der Schätzmodelle, ändern sich flugs deren Ergebnisse. So lassen sich, je nach politischem Vorurteil, leicht die gewünschten Resultate generieren.
Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland, die von solchen empirischen Analysen leben, pochen zwar darauf, unabhängig zu arbeiten. Doch wie unabhängig kann die Wirtschaftsforschung vom Staat sein, wenn sie sich überwiegend aus staatlichen Quellen finanziert? Kann ein Institut, dass Gutachten im Auftrag der EU anfertigt, gegen den Euro wettern? Denkbar ist, dass Institute, deren Forschungsergebnisse den Regierenden nicht passen, bei der Vergabe staatlicher Gutachtenaufträge in Zukunft den Kürzeren ziehen. Das Sanktionspotenzial der Regierung ist nicht zu unterschätzen, besonders in Zeiten, in denen sich der Staat massiv in die Wirtschaft einmischt und nach wissenschaftlicher Legitimation für sein Streben sucht, das freie Spiel der Marktkräfte auszuhebeln.
Hierzulande ist das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin seit jeher ein großer Fürsprecher staatlicher Eingriffe. Ob Klimapolitik, Einkommensverteilung oder Frauenquote – wenn es darum geht, mehr Raum für staatliche Aktivitäten zu fordern, ist das DIW stets vorne mit dabei. Unter seinem neuen Präsidenten Marcel Fratzscher hat es zudem sein Profil als Befürworter einer expansiven Geldpolitik geschärft. So warnte Fratzscher jüngst vor den angeblichen Gefahren einer Deflation und forderte die EZB auf, notfalls durch den Ankauf von Staatsanleihen mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen, um ein Absinken der Preise zu verhindern. Die Euro-Krise hat Fratzscher geschickt genutzt, um sich als Gegenspieler von Hans-Werner Sinn, dem Chef des Münchner ifo Instituts, zu profilieren.