Reaktion auf Spionage-Fall SPD-Vize stellt US-Freihandelsabkommen infrage

In der Großen Koalition bahnt sich ein Streit über Konsequenzen aus dem neuem Spionagefall an. Während die Bundesregierung weiterhin ein Freihandelsabkommen mit den USA anstrebt, regt sich in der SPD Widerstand.

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Ralf Stegner, Vize-Vorsitzender der Bundes-SPD: „Dafür gibt es keine Rechtfertigung und keinerlei Entschuldigung.“ Quelle: dpa

Berlin Der SPD-Bundesvize Ralf Stegner hat weitreichende Konsequenzen für den Fall gefordert, dass sich der Verdacht bestätigt, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) für den US-Geheimdienst CIA Spionage betrieben hat. „Dass Deutschland von unserem Verbündeten USA mit Massenausspähung der Bürgerinnen und Bürger und nun offenkundig auch anderen Spionageaktivitäten „bedacht“ wird, passt in keiner Weise zum akzeptablen Umgang unter befreundeten Völkern. Dafür gibt es keine Rechtfertigung und keinerlei Entschuldigung“, sagte Stegner Handelsblatt Online. „Deshalb muss dieser Vorgang, wenn sich die Fakten bestätigen, Konsequenzen haben.“

Das gelte für die entsprechenden Ermittlungen der deutschen Behörden gegen Verdächtige, sagte Stegner weiter. Der diplomatische Status dürfe aber auch nicht länger eine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland für solche Personen rechtfertigen, deren  Spionageaktivitäten erwiesen seien. „Im Übrigen passen Spionageversuche und Freihandelsabkommen überhaupt nicht zusammen“, unterstrich Stegner.

Die Skepsis gegenüber dem TTIP genannten Handelsabkommen sei „ohnehin berechtigt und viele Hürden sind zu überwinden, die ein solches Abkommen zustimmungsfähig machen könnten“, gab der SPD-Vize zu bedenken. „Gleichzeitige Spionage entzieht dem Ganzen aber die Grundlage.“ Gerade wer mit Anti-Amerikanismus nichts am Hut habe, si Stegner weiter, „muss sehr bedrückt sein über die jüngste Entwicklung der deutsch-amerikanischen Beziehungen“.

Vergangene Woche war ein BND-Mitarbeiter festgenommen worden, der innerhalb von zwei Jahren 218 Dokumente an US-Geheimdienste verkauft haben soll. Die Bundesregierung will sich nicht zu den Einzelheiten äußern, solange der Generalbundesanwalt ermittelt. Die US-Regierung schweigt bisher zu den Berichten.

Die Bundesregierung sieht hingegen derzeit keinen Grund, wegen des BND-Spionagefalls die Verhandlungen zwischen Europa und den USA über das Freihandelsabkommen zu stoppen. Die Gespräche zum TTIP-Abkommen liefen zunächst unvermindert weiter: „Die stehen jetzt nicht infrage oder in Zweifel“, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz. Es sei bekannt, dass es in der Bevölkerung Zweifel und Kritik gebe: „Nichtsdestotrotz hält die Bundesregierung ein solches Freihandelsabkommen für wichtig und notwendig.“ Die Amerikaner seien auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wichtiger Partner.


Unions-Politiker fordern Ausweisung von US-Agenten

Gleichzeitig verschärfte die Bundesregierung den Ton gegenüber den Vereinigten Staaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach während ihrer China-Reise von einem „sehr ernsthaften Vorgang“. Justizminister Heiko Maas warf den Amerikanern „Überwachungswahn“ vor. Laut „Bild“-Zeitung denkt Innenminister Thomas de Maizière darüber nach, die Spionageabwehr auf die US-Geheimdienste auszuweiten.

Maas und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drängten die Amerikaner zur Aufklärung. „Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, ist das auch politisch ein Vorgang, bei dem man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann“, sagte Steinmeier bei einem Besuch in der Mongolei. Das weitere Vorgehen hänge von den weiteren Erkenntnissen der Ermittlungen ab.

Abgeordnete von CDU und CSU denken schon weiter und bringen die Ausweisung von US-Agenten ins Spiel. „Sollte sich herausstellen, dass der BND-Mitarbeiter tatsächlich von deutschen Boden von amerikanischen Agenten geführt worden ist, dann ist es kaum nachvollziehbar, wenn US-Mitarbeiter weiterhin hier ihr Unwesen treiben können“, sagte der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann „Spiegel Online“.

Ähnlich sieht es der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach. Es sei schwer vorstellbar, dass die amerikanischen Partner des BND-Mitarbeiters ohne Wissen und Wollen ihrer Führung agiert haben. „Dann jedoch stellt sich die Frage, ob die Amerikaner den BND als Partner oder aber als Spionageziel sehen. Beides gleichzeitig geht nicht. Dass die Bundesregierung die US-Kontaktpersonen des BND-Mitarbeiters ohne Konsequenzen weiterhin in Deutschland operieren lässt, ist schwer vorstellbar“, so der CDU-Politiker. Denn, so Bosbach: „Das ist ein massiver Vertrauensbruch, da können wir nicht einfach mit Kopfschütteln zur Tagesordnung übergehen.“

In dieselbe Richtung argumentiert der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl: „Selbstverständlich sollte diese Führungsperson und der verantwortliche Nachrichtendienst-Beamte Deutschland verlassen.“

Steinmeier wies die Forderungen zurück: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt es dabei, dass wir die Reihenfolge aufrechterhalten: Erst Klärung und dann entscheiden, was zu tun ist.“ Bislang hatte die Bundesregierung nur den US-Botschafter zum Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten.

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