Reaktionen auf Urteil „Hoeneß' Mannschaft sitzt auf der Regierungsbank“

In der Politik hat das Hoeneß-Urteil ein positives Echo ausgelöst. Einige wollen nun aber die strafbefreiende Selbstanzeige kippen. Die Linke hält der Regierung vor, damit Steuerbetrüger wie Hoeneß geschützt zu haben.

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Als die Welt noch in Ordnung war: Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Uli Hoeneß präsentieren im September 2012 Trikots und Ball für die Integrationskampagne

Berlin „Guter Tag für den Rechtsstaat“, „unausweichlicher Richterspruch“, „Urteil mit Augenmaß“: Politiker haben parteiübergreifend das Urteil gegen den Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, begrüßt. Teile der SPD und die Linkspartei halten nun aber die strafbefreiende Selbstanzeige für überflüssig und wollen sie abschaffen.

„Der Verfolgungsdruck ist nach Steuer CDs etc. so hoch geworden, dass Argumente für die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerbetrug obsolet sind“, erklärte der SPD-Bundesvize Ralf Stegner via Twitter.

Deutlich härter argumentierte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht. „Uli Hoeneß' Mannschaft sitzt nicht in der Allianz-Arena, sondern auf der Regierungsbank“, sagte Wagenknecht. Der Fall Hoeneß sei auf „eklatantes Regierungsversagen“ zurückzuführen. „Die strafbefreiende Selbstanzeige gemäß Paragraf 371 der Abgabenordnung - die nur für Bagatellfälle zu rechtfertigen ist - schützt kriminelle Steuerdiebe.“

Bei keiner anderen Straftat könne sich ein Täter durch Selbstanzeige der Bestrafung entziehen, sagte Wagenknecht weiter. „Dies hätte eine Verurteilung von Hoeneß fast verhindert“, kritisierte sie. Der beste Beitrag zur Steuerehrlichkeit sei daher „nicht Strafbefreiung, sondern die Austrocknung von Steueroasen“.

Hoeneß war zuvor wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Das entschied das Landgericht München am Nachmittag. Zur Begründung hieß es, Hoeneß' Selbstanzeige vom vergangenen Jahr sei ungültig. Mit den vorgelegten Unterlagen hätte keine vollständige Selbstanzeige erstattet werden können, sagte der Vorsitzende Richter Rupert Heindl. Der Haftbefehl gegen Hoeneß bleibt außer Vollzug.

Die Richter blieben damit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren verlangt hatte. Die Verteidigung hatte dagegen für eine Einstellung des Verfahrens oder allenfalls eine Bewährungsstrafe plädiert.  Hoeneß hatte eine Steuerschuld in Höhe von 27,2 Millionen Euro eingeräumt. Seine Anwälte kündigten Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe an.


Rot-Grüne Finanzminister gegen Abschaffung der Selbstanzeige

Nach Ansicht des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium, Michael Meister, wird sich das Urteil positiv auf die Steuermoral in Deutschland auswirken. „Es zeigt sich, dass es sich nicht lohnt, Steuern zu hinterziehen“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“.

Meister machte zugleich deutlich, an der geltenden Gesetzeslage nicht rütteln zu wollen. Mit Blick auf Hoeneß sagte er, wenn man die strafbefreiende Selbstanzeige wähle, müsse man sie ordentlich machen. „Wir appellieren an jeden, der glaubt, ein Steuerhinterziehungsproblem zu haben, die Selbstanzeige rechtzeitig und voll umfassend vorzulegen“, sagte Meister.

Dagegen erklärte der SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider, das Hoeneß-Urteil zeige, dass das Instrument der Selbstanzeige verschärft werden müsse. „Weil die Selbstanzeige nicht gültig war, ist die Strafe deutlich höher ausgefallen, als Hoeneß es erwartet hatte“, sagte Schneider.

Bei einer Steuerhinterziehung in Millionenhöhe wie im Fall Hoeneß dürfe es aber kein Freikaufen von der gerechten Strafe geben. „Deshalb wird sich die SPD-Bundestagsfraktion für eine Verschärfung bei der Selbstanzeige einsetzen.“ Künftig müsse der Zeitraum, ab dem Steuern nachzuzahlen sind, deutlich verlängert werden und der Strafzuschlag müsse deutlich erhöht werden.

Ähnlich äußerte sich die Finanzminister von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, Carsten Kühl (SPD) und Monika Heinold (Grüne). „Würde man die Selbstanzeige abschaffen, wäre die Aufklärungsquote noch geringer“, sagte Kühl Handelsblatt Online. „Die Steuerfahndung wäre noch mehr auf „Kommissar Zufall“ angewiesen, die Chance, unentdeckt zu bleiben, wäre ungleich größer und mithin der Anreiz, sich finanzielle Vorteile zu verschaffen.“


FDP-Vize Kubicki: „Hoeneß kann sich freuen“

Der Steuerfall Hoeneß zeigte aus Sicht Kühls aber auch, dass Steuerbetrüger nicht mit einer Entdeckung rechneten und in aller Regel kühl abwägten. Daher sei es der richtige Weg, die Bedingungen für eine Selbstanzeige zu verschärfen und die Betrüger da zu treffen, wo es schmerze. Zudem müsse der Fahndungsdruck hochgehalten werden, notfalls mittels Steuer-CDs. „Am guten Ende muss der automatische Informationsaustausch stehen, geregelt mit Steuerabkommen innerhalb der Staatengemeinschaft“, sagte der SPD-Politiker.

Die grüne Finanzministerin Heinold wertete das Urteil gegen Hoeneß als „kraftvolles Signal für die Steuermoral in Deutschland“. Es bestätige auch ihr persönliches Gerechtigkeitsempfinden. „Wer sein Geld in den Schweizer Bergen versteckt, findet sich schnell hinter schwedischen Gardinen wieder“, sagte Heinold Handelsblatt Online. „Das Urteil sollte niemanden davon abhalten, den Weg der Selbstanzeige zu gehen.“ Wenn sie vollständig sei, dann ist sie strafbefreiend.

Die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, die Grünen-Politikerin Renate Künast, bezeichnete die Haftstrafe als unausweichlich. Angesichts der riesigen Summen habe das Gericht nicht anders entscheiden können. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ergänzte: „Hoeneß wird als Bayern-Präsident jetzt zurücktreten müssen.“

Es sei zudem richtig gewesen, dass SPD und Grüne in den Ländern das Steuerabkommen mit der Schweiz verhindert hätten, sagte Hofreiter der „Rheinischen Post“. 27 Millionen Euro zu hinterziehen sei kein Kavaliersdelikt. „Mit dem Steuerabkommen wäre der Fall Hoeneß nie aufgeflogen“, so Hofreiter.

SPD-Finanz- und Steuerexperte Joachim Poß sprach von einem „Urteil mit Augenmaß“. „Das Urteil nimmt, glaube ich, das Rechtsempfinden der Menschen ernst“, sagte Poß im Fernsehsender Phoenix. Poß plädierte zugleich dafür, weiterhin Steuer-CDs anzukaufen.

Von einem „angemessenes Urteil“ sprach der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki. „Uli Hoeneß kann sich freuen, dass das Gericht im unteren Drittel der Strafmöglichkeit geblieben ist“, sagte Kubicki.


Linke und Grüne drängen Schäuble zu härterem Vorgehen

Linksfraktionsvize Wagenknecht forderte ein härteres Vorgehen gegen Steuerbetrüger, etwa den Entzug der Banklizenz bei wiederholter Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Darüber hinaus müsse die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge abgeschafft werden, weil sie die Einkommen aus Arbeit gegenüber Einkommen aus Vermögen benachteilige.

Wagenknecht verlangte zudem, Doppelbesteuerungsabkommen mit Steueroasen zu kündigen und Quellensteuern zu erheben. „Deutschland darf zudem nicht länger ein Paradies für Geldwäsche sein und muss endlich die Vorgaben der Uno-Konvention gegen Korruption erfüllen.“

Auch Grünen-Chefin Simone Peter hält weitergehende Maßnahmen für nötig. Für die Zukunft komme es darauf an, dass der Staat nicht länger auf Steuer-CDs und Selbstanzeigen angewiesen ist. „Dafür muss Minister Schäuble endlich mehr tun, statt als Ausrede auf die internationale Ebene zu verweisen“, forderte Peter. 

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