Rechte AfD-Umtriebe SPD kritisiert ahnungsloses Innenministerium

Ein AfD-Funktionär sympathisiert offen mit einer rechten Gruppierung. Doch das Bundesinnenministerium hat davon keine Kenntnis. Das sorgt für Unmut in der Koalition. Die SPD reagiert mit scharfer Kritik.

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Sein Ministerium steht in der Kritik, weil es keine Kenntnis über rechte Umtriebe der AfD hat. Quelle: dpa

Berlin Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Burkhard Lischka, hat die Ahnungslosigkeit des Bundesinnenministeriums über Umtriebe einzelner AfD-Politiker im rechten Spektrum scharf kritisiert. „Die Aussage des Bundesinnenministeriums, keine Erkenntnisse zu Beziehungen zwischen den „Identitären Bewegungen“ und der AfD oder deren Jugendorganisation zu haben, ist für mich absolut unverständlich“, sagte Lischka dem Handelsblatt. „Es ist doch längst kein Geheimnis, dass Rechtsextreme der 'Identitären Bewegung', die durch den Verfassungsschutz beobachtet wird, und Teile der AfD den Schulterschluss üben.“

Hintergrund ist eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion an die Bundesregierung. Zu einer möglichen Beziehung zwischen der rechten „Identitären Bewegung“ (IB) und der AfD erklärte das Bundesinnenministerium, dass es hierzu über keine Erkenntnisse verfüge.

Lischka sagte dazu, den deutlichsten Hinweis auf eine Verbündung „dürfte der AfD-Mann Dubravko Mandic aus Baden-Württemberg geliefert haben, der als Bundesvorstandsmitglied des AfD-Zusammenschlusses Patriotische Plattform kürzlich selbst eine personelle Verbundenheit von AfD und Identitärer Bewegung einräumte“. Die politische Zielsetzung sei ähnlich, allein die Mittel seien unterschiedlich. „Hausbesetzungen und ähnliche Aktionen sind einfach nicht die Methoden einer Parlamentspartei“, zitiert Lischka den AfD-Politiker Mandic, der auch Vorsitzender des Parteischiedsgerichts  des Landesverbandes Baden-Württemberg ist.

„Eindeutiger geht es nun wirklich nicht, zumal einzelne Verfassungsschutzbehörden bereits einzelne AfD-Politiker beobachten“, betonte Lischka. „Das dürfte auch dem Bundesinnenministerium nicht entgangen sein.“ Der Verfassungsschutz sei ein Frühwarnsystem zur Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Deshalb gelte, so der SPD-Politiker: „Wenn Rassismus und menschenverachtende Hetze so offen propagiert werden wie durch Teile der AfD, dann gehören sie unter Beobachtung gestellt.“


Grüne fordern Reform des Verfassungsschutzes

Erst am 11. Juni nahm der Jurist Mandic gemeinsam mit einem weiteren AfD-Politiker in Wien an einer Demonstration der „Identitären Bewegung Österreich“ teil. Die Bundesregierung erwähnt den „Aufmarsch“ in Wien, bei dem es zu Ausschreitungen kam, zwar in ihrer Antwort an die Linksfraktion, stellt aber keinen Bezug zur AfD her. Dabei begrüßte die „Patriotische Plattform“ in der AfD ausdrücklich, dass ihre Vorstandmitglieder Mandic und Felix Koschkar an der Demo unter dem Motto „Defend Europe“ teilnahmen. Auf der Facebook-Seite der Plattform wird zudem der Charakter der Veranstaltung betont: „Die Jugend der europäischen Völker widersetzt sich mutig und gewaltfrei der Masseneinwanderung, der Islamisierung und dem erzwungenen Austausch unserer Völker.“

Mit Blick auf Deutschland räumte Mandic zudem ein, dass die AfD, vor allem aber der Parteinachwuchs „Junge Alternative“ (JA), „personell mit der IB verbunden“ sei, wie er auf der Webseite der „Patriotischen Plattform“ schreibt.

Da einige Landesverfassungsschutzbehörden die „Identitären“ unter Beobachtung gestellt haben, strebt Mandic inzwischen jedoch „zum Schutze unserer Partei“ an, dass Vorstände der JA oder AfD nicht gleichzeitig in führender Funktion bei der IB tätig sein dürften. „Dies ist unser Tribut an das System.“ Allerdings fügt er hinzu: „Gleichwohl plädiere ich nun aber auch für eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der IB.“

Allerdings hatte die AfD-Bundesspitze am 22. Juni festgelegt, „dass es keine Zusammenarbeit der Partei Alternative für Deutschland und ihrer Gliederungen mit der sogenannten „Identitären Bewegung“ gebe.

Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte als Konsequenz aus den Vorgängen eine Neuausrichtung des Bundesamts für Verfassungsschutz. „Vielleicht wäre ein neues unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung für den Bereich des Extremismus doch besser als ein Verfassungsschutz, der uns ohnehin nicht weiterhilft“, sagte Beck dem Handelsblatt. „Für das nachrichtendienstliche Kerngeschäft würde ein  stark reduziertes Bundesamt zur Gefahren- und Spionageabwehr völlig ausreichen.“

Ein neues Institut für den Bereich Extremismus könne hingegen Strukturen und Zusammenhänge demokratie- und menschenfeindlicher Bestrebungen, die gegen den Rechtsstaat gerichtet sind wie Rassismus oder Islamismus, ohne nachrichtendienstliche Mittel beobachten und analysieren.

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