Rechtspopulismus „AfD kann zu realem Machtfaktor werden“

Gibt der Trump-Sieg der AfD Rückenwind für die nächsten Wahlen? Politikwissenschaftler bezweifeln das. Gute Erfolgschancen sehen sie dennoch für die Partei, wenn bestimmte Probleme hierzulande ungelöst bleiben.

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AfD-Chefs Meuthen und Petry: Mit Trump-Effekt in den Bundestag? Quelle: AFP

Berlin Noch sind die weltweiten Folgen des Sieges von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl nicht absehbar. In Europa wurde sein Erfolg von populistischen Parteien aber schon so überschwänglich gefeiert, dass man den Eindruck gewonnen konnte, in einigen EU-Ländern bahnten sich ähnliche politische Veränderungen an.

Die AfD denkt bereits, auch vor dem Hintergrund der Bundestagswahl im kommenden Jahr, in diese Richtung. Parteichefin Frauke Petry sprach mit Blick auf die US-Wahl von einem ermutigenden Signal für Deutschland. Und spielt damit auch auf die Chancen für ihre Partei an. Auf ihrer Facebook-Seite prangt denn auch unter ihrem Statement zur US-Wahl der Spruch: „Zeit für Veränderungen in Deutschland! Zeit für die #AfD.“

Für den Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst kommen solche von AfD-Politiker skizzierten rosigen Zukunftsszenarien nicht überraschend. „Es wäre verwunderlich, wenn die AfD nicht versuchen würde, Honig aus dem Wahlergebnis von Donald Trump zu ziehen. Schließlich hat er im Wahlkampf auf der gleichen Klaviatur wie sie gespielt“, sagte Probst dem Handelsblatt.

Ob Trumps Wahl „ein gutes Signal für die Welt“ sei, wie das von der AfD behauptet wird, müsse man noch abwarten. Es komme darauf an, ob er sich mäßige und seinen Charakter im Griff habe. „Sonst könnten wir auch auf mehr Konfrontation in der Welt zulaufen. Das wäre nicht in Deutschlands Interesse“, betonte der Politikprofessor.
Außerdem sei Trump in Deutschland, auch unter AfD-Wählern, „nicht gerade beliebt“, sagte Probst weiter. Viele hätten sogar Angst vor seiner Unberechenbarkeit. „Seine Wahl könnte also in Deutschland sogar eine Gegenreaktion auslösen – nach dem Motto: So weit soll es bei uns nicht kommen.“

Gleichwohl hält es Probst auch für möglich, dass die AfD am Ende doch von einer Art Trump-Effekt profitiert, wenn bestimmt Umstände dies befördern. Denn, so der Politikwissenschaftler, die Wahl von Trump enthalte auch eine Botschaft an die demokratischen Parteien und die politischen Eliten in Deutschland. „Wenn es nicht gelingt, die wachsende Kluft zwischen den Eliten und Teilen der Bevölkerung zu schließen, können Rechtspopulisten auch in Deutschland zu einem realen Machtfaktor werden“, erläuterte Probst. „Es sind also beide Reaktionen möglich: Rückenwind oder Gegenwind. Das hängt vor allem davon ab, welche Lehren die demokratischen Parteien aus der amerikanischen Wahl ziehen.“


„Demagogischer Populismus ist nicht nur ein Problem Amerikas“

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen Oskar Niedermayer von der Freien Universität zu Berlin und Kai Arzheimer von der Universität Mainz. „Trumps Sieg wird bis zu unseren Wahlen nächstes Jahr längst wieder vergessen sein“, sagte Niedermayer dem Handelsblatt. „Das Ereignis selbst wird für das Wahlverhalten daher keine Rolle spielen, wohl aber seine Hauptursache, der Protest vieler Bürgerinnen und Bürger gegen eine politische Elite, die sie als abgehoben und überheblich wahrnehmen und von der sie ihre Interessen nicht mehr vertreten fühlen“. Diese Orientierungen seien auch in Deutschland „eine der wesentlichen Ursachen für die Wahl der AfD“.

„Natürlich gibt es angesichts seiner Äußerungen zur Zuwanderung, zu Minderheiten, zur EU und zu Russland durchaus eine gewisse Affinität zu Trump. Andererseits ist Trump in Deutschland, wie in vielen anderen europäischen Ländern, derzeit unglaublich unpopulär, und gerade die AfD und ihre Wähler stehen den USA extrem skeptisch gegenüber“, sagte Arzheimer dem Handelsblatt. „Das erklärt aus meiner Sicht, warum die Reaktionen aus der AfD bislang recht verhalten sind.“

Arzheimer rechnet auch nicht damit, dass nun andere rechte Gruppierungen in Europa vom Trump-Sieg profitieren werden. „Eine nachhaltige Stärkung der Rechtspopulisten durch Trump erwarte ich nicht“, sagte er. „Sein Erfolg ist für mich eher ein weiterer Beleg dafür, dass der Populismus für die große Mehrzahl der westlichen Demokratien eine ernsthafte Herausforderung darstellt.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fürchtet daher auch eine einer Zunahme populistischer Kräfte in Europa. „Demagogischer Populismus ist nicht nur ein Problem Amerikas“, betonte der CDU-Politiker in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung. „Auch anderswo im Westen sind die politischen Debatten in einem besorgniserregenden Zustand.“

Unionsfraktionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) äußerte die Befürchtung, dass es auch in Deutschland zu einem „Trump-Effekt“ kommen könnte. Trumps Erfolg sei Ausdruck des Willens zur Selbstbestimmung. Dieser sei auch in Europa verstärkt erkennbar. „Viele Menschen fühlen sich fremdbestimmt - von der EZB, von EU-Technokraten, von TTIP und von den Folgen der unkontrollierten Zuwanderung“, sagte der CSU-Politiker dem Blatt. „Wenn sie von den Volksparteien keine Antworten bekommen, werden sie sich auch bei uns den Populisten zuwenden.“

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