Regierungsbildung Diese Politiker könnten eine Jamaika-Koalition gefährden

In der kommenden Woche treffen die Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen erstmals aufeinander, um die Chancen eines Jamaika-Bündnisses zu sondieren. Jede Partei hat Zweifler in ihren Reihen, die eigentlich nicht in diese Koalition hineingehen wollen.

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Quelle: dpa, imago, Montage

Unter Druck stehen nach den Wahlen alle vier Parteien einer möglichen Jamaika-Koalition. Für die CDU geht es darum, wieder als Volkspartei näher an die Wähler zu rücken und die von vielen Anhängern empfundene Kluft zwischen Land und Stadt zu verkleinern. Für die CSU gilt das umso mehr, weil sie in Bayern besonders viele Stimmen an die rechte AfD verloren hat und diese bis zur Landtagswahl 2018 wieder zurückgewinnen muss, da sie in ihrem Bundesland weiter allein regieren will.

Die FDP war vier Jahre lang nicht im Bundestag und hat viele Neulinge in ihren Reihen. Sie muss daher fürchten, bei einem holprigen Regierungsbeginn im Vergleich zu den anderen Partnern besonders schlecht dazustehen. Das könnte vor allem passieren, wenn sie etwa das wichtige Finanzministerium übernähme und Schwierigkeiten bekäme, eine Steuerreform durchzusetzen.

Die Grünen fürchten um ihren Markenkern als aufmüpfige, progressive Ökopartei, wenn sie im Bündnis mit bürgerlichen Parteien selbst allzu bürgerlich erscheinen. Wäre es da nicht besser,  besonders hart auf urgrünen Forderungen zu beharren?

Solche Fragen sind mit einzelnen Vertretern der Parteien verbunden, die bei den Sondierungen in Berlin dabei sein werden. Einige könnten besonders harten Widerstand in die Runde tragen:

Jürgen Trittin (63) , Grüne

Der ehemalige Bundesumweltminister, Spitzenkandidat und Parteichef der Grünen ist immer noch eine Macht, auch wenn er formal keinen wichtigen Posten mehr besetzt. Der Vertreter des linken Flügels gilt als eine der Ursachen dafür, dass beim letzten Mal, 2013, die Sondierungen zwischen Union und Ökopartei für eine schwarz-grüne Bundeskoalition schnell scheiterten. Kürzlich sagte zwar die Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, dass Trittin bei anstehenden Verhandlungen mit anderen Parteien keine Rolle spielen würde. Längst haben die Grünen aber erkannt, dass sie Trittin brauchen: nach außen als gewieften Taktiker und nach innen, um diese ungeliebte Koalition in der eigenen Partei durchzusetzen.

Außerdem ist der Niedersachse bekannt für einen sarkastischen bis ätzenden Humor. Dass er aber durchaus an Lösungen interessiert ist, hat er zuletzt als Chef einer Kommission bewiesen, die mit den Energiekonzernen wichtige Schritte zur Beendigung des Atomzeitalters aushandelte.

Wolfgang Kubicki (65), FDP

Der Vizechef der Liberalen und Fraktionschef im Kieler Landtag ist einer der erfahrensten Politiker seiner Partei. Das spricht für ihn als Unterhändler in Berlin ebenso wie der Umstand, dass die FDP mit der CDU und den Grünen in Kiel bereits eine schwarz-gelb-grüne Koalition geschlossen hat. Die scheint bisher einigermaßen zu funktionieren. Doch Kubicki ist auch ein Polemiker, der gerne öffentlich austeilt und andere vor den Kopf stößt. So erklärte er kürzlich, Kiel und Berlin seien „zwei völlig verschiedene Paar Schuhe".  Über die grüne Spitzenkandidatin im Bund sagte er, ihm gehe „die moralische Impertinenz von Katrin Göring-Eckardt wirklich auf den Senkel".

Das kann bei Kubicki durchaus auch Theaterdonner und Bluff sein. Wenige glauben, dass der neu in den Bundestag gewählte Abgeordnete Finanzminister wird – auch wenn er den Posten als interessant für sich reklamierte. Dann müsste er aber wohl seine lukrative Kanzlei aufgeben, was er früher immer ausgeschlossen hatte.

Skeptiker der Union

Stanislaw Tillich (58) und Reiner Haseloff (63), beide CDU

Die Ministerpräsidenten in Sachsen und Sachsen-Anhalt  stehen Jamaika äußerst kritisch gegenüber. Zuletzt hatten beide CDU-Regierungschefs schlechte Ergebnisse in Landtagswahlen und bei der Bundestagswahl hinnehmen müssen. In beiden Ländern ist die rechtsgerichtete AfD sehr stark, in Sachsen hat sie zuletzt sogar die CDU überrundet. Daraus folgt für beide, dass ihre eigene Partei mehr Angebote machen muss für die abgewanderten Wähler. Das ist mit FDP und Grünen nur schwer zu erreichen.

Die Jamaika-Parteien haben zudem bei der Bundestagswahl in keinem Wahlkreis in Ostdeutschland zusammen eine Mehrheit erzielt. Mit Blick aus dem Osten erscheint dieses Bündnis eher als Veranstaltung städtischer Bürger und westlicher Konservativer. Beide Ministerpräsidenten werden laut murren, doch die Verhandlungen kaum platzen lassen. Denn eine mögliche Neuwahl würde wohl noch weniger Stimmen für die CDU in ihren Regionen bringen.

von Marc Etzold, Max Haerder, Elisabeth Niejahr, Thomas Schmelzer

Horst Seehofer (68), CSU

Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident ist angeschlagen – mehr als zehn Prozentpunkte hat seine Partei bei der Bundestagswahl im Vergleich zu 2013 verloren. Sie ist zurzeit weit entfernt von der absoluten Mehrheit, die sie im kommenden Jahr bei der Landtagswahl  wieder erringen will.  Die rechte Flanke müsse wieder geschlossen werden, gab Seehofer bereits als Losung aus und verlangt vor allem Kursänderungen in der Flüchtlingspolitik und bei der inneren Sicherheit.

Doch da ist Zoff mit den Grünen angesagt, die immer wieder erwähnen, dass die CSU nach ihrem Ergebnis ja kleinster Partner unter den vier Parteien sei – also nicht zu viel fordern dürfte. Seehofer muss seinen Leuten in Bayern allerdings unbedingt einiges liefern, sonst könnte seine Zeit als CSU-Spitzenmann noch in diesem Jahr beim Parteitag in Ungnade enden.

Alexander Dobrindt (47), CSU

Der Noch-Bundesverkehrsminister und bereits gewählte neue Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag ist enger Zuarbeiter von Horst Seehofer. Zugleich gilt er auch als Lieblingsfeind der Grünen. Die Grünen schlugen im Wahlkampf auf Dobrindt mit den Themen Diesel, maut und digitale Infrastruktur ein – und schonten dafür die Kanzlerin, die bei vielen Grünen einen guten Ruf hat. Dobrindt hält die Grünen für unseriös in ihren Forderungen und wirft ihnen Bevormundung vor. Vertrauensvolle Zusammenarbeit dürfte zwischen diesen Polen schwer möglich sein. Doch dürfte Dobrindt professionell und parteiloyal genug sein, um eine Koalition nicht platzen zu lassen, bevor sie beginnt.

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