Bundeskanzlerin Angela Merkel steht hinter der Nato-Abschreckungsstrategie gegenüber Russland, setzt aber gleichzeitig auf den Dialog mit Moskau. In ihrer Regierungserklärung zum bevorstehenden Nato-Gipfel verteidigte sie am Donnerstag die geplante Truppenstationierung der Nato in den östlichen Mitgliedstaaten. „Deutschland trägt zu diesen Maßnahmen substanziell bei“, betonte Merkel. Es reiche nicht aus, Soldaten in Krisensituationen schnell verlegen zu können. Das Bündnis müsse stärker Präsenz im Baltikum und in Polen zeigen.
Die sechs wichtigsten Themen des Nato-Gipfels
Dass Präsident Wladimir Putin 2014 in den Ukrainekonflikt eingegriffen hat, war für die Nato ein Schock. Vor allem östliche Bündnispartner wie Polen und die baltischen Staaten fühlen sich seither verstärkt bedroht. Die Nato reagiert seit zwei Jahren mit Aufrüstung und zusätzlichen Übungen. Beim Gipfel in Warschau stellt sich die Frage: Reichen die bisherigen Planungen aus?
Etliche Nato-Partner wie Deutschland und die USA hatten für 2016 eigentlich einen weitreichenden Truppenabzug aus dem Land am Hindukusch geplant. Die anhaltende Gewalt der radikal-islamischen Taliban-Rebellen und vor allem die vorübergehende Eroberung der nordafghanischen Provinzhauptstadt Kundus führten aber zu einem Umdenken. Jetzt sollen die Afghanen das Versprechen bekommen, dass es weiter Unterstützung gibt - finanziell mindestens bis 2020.
Die Bündnispartner stellen sich darauf ein, dass Kriege in Zukunft auch in der digitalen Welt entschieden werden könnten - zum Beispiel durch Hackerangriffe, die Stromnetze oder Kommunikationstechnik lahmlegen. Um sich gegen solche Attacken besser zu wappnen, will das Bündnis Cyber zum eigenständigen Operationsgebiet erklären. Damit werden zusätzliche Ressourcen bereitgestellt und Angriffe über das Netz behandelt wie Luft-, See- oder Bodenangriffe.
Die USA wollen die Nato seit längerem in den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat einbinden - Länder wie Deutschland fanden das aber nicht so gut. Beim Gipfel soll nun beschlossen werden, Awacs-Flugzeuge zur Verfügung zu stellen. Die mit moderner Radar- und Kommunikationstechnik ausgestatteten Maschinen sollen den Luftraum über Syrien und dem Irak überwachen. Zudem will die Nato eine neue Ausbildungsmission im Irak starten. Die irakischen Streitkräfte sollen in die Lage versetzt werden, effektiver als bisher gegen den IS vorzugehen.
Die Nato-Staaten haben sich vor zwei Jahren zum Ziel gesetzt, spätestens 2020 jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Deutschland und etliche andere Alliierte stagnieren aber weiter bei Werten unter 1,5 Prozent. Es wird erwartet, dass sie in Warschau von anderen Bündnispartnern unter Druck gesetzt werden, mehr zu tun.
Die Zusammenarbeit zwischen Nato und EU beschränkte sich bislang weitgehend auf den Bereich der Rhetorik. Das soll sich in Zukunft ändern. Die Nato will der EU zum Beispiel anbieten, sie bei der Operation Sophia vor der libyschen Küste zu unterstützen. Mögliche Einsatzbereiche sind der Kampf gegen illegale Migration, die Kontrolle des Waffenembargos und die Ausbildung von Küstenschutzkräften. Der Haken an der Sache: Die neue libysche Einheitsregierung müsste um die Nato-Unterstützung bitten. Bislang hat sie das aber nicht getan.
Gleichzeitig warb Merkel für eine Fortsetzung der Gespräche zwischen der Nato und Russland. Sie kritisierte aber, dass Moskau ein Treffen des Nato-Russland-Rats vor dem Gipfel abgelehnt habe.
„Wir sind uns (.) einig, dass dauerhafte Sicherheit in Europa nur mit Russland und nicht gegen Russland zu erreichen ist“, sagte Merkel. Abschreckung und Dialog gehörten „untrennbar zusammen“.
Die Nato will bei ihrem Gipfeltreffen in Warschau am Freitag und Samstag die Stationierung von jeweils einem Bataillon mit etwa 1000 Soldaten in den drei baltischen Staaten und in Polen beschließen. Die Bundeswehr soll das Bataillon in Litauen mit mehreren hundert Soldaten anführen.
Merkel verteidigte das Prinzip der Abschreckung. „Das ist ein zutiefst defensives Konzept“, sagte sie. Die Kanzlerin machte Russland für einen Vertrauensverlust durch den Ukraine-Konflikt verantwortlich. Das Grundprinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen sei „durch Worte und Taten in Frage gestellt worden“, sagte die CDU-Chefin. Das russische Vorgehen habe die Nato-Mitglieder im Osten „zutiefst verstört“. „Sie bedürfen daher der eindeutigen Rückversicherung durch die Allianz.“