Regiogeld Die Vorteile der alternativen Währungen

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"Eine Hand wäscht die andere"

Bild Ersatzgeld Chiemgauer

Im Unterschied zum virtuellen WIR-Geld der Schweiz sind in Deutschland zahlreiche echte Blüten im Umlauf, darunter der Chiemgauer, die Havelblüte (Potsdam) und der Urstromtaler (Sachsen-Anhalt). Sie alle haben das doppelte Ziel, die regionale Wertschöpfung zu steigern und persönliche Vor-Ort-Verbindlichkeiten zu schaffen; bei allen handelt es sich um regionales Schwundgeld, also um Geld, dessen bleibender Wert von seiner rechtzeitigen Weitergabe abhängt – und das daher unter seinen Teilnehmern (550 Unternehmen im Chiemgau) möglichst oft und schnell kursiert.

Zeit als Währung

Noch einen Schritt weiter geht Rolf Schilling als Projektleiter Gemeinde- und Regionalwährungen der Talente-Genossenschaft im österreichischen Vorarlberg: Er implementiert nicht nur Komplementärwährungen (Langenegge Talente, Walser-Thaler), sondern versucht auch die Idee der angloamerikanischen Timebanks zu Ende zu denken: Für immerhin 2000 Vorarlberger (ein halbes Prozent der Bevölkerung) ist Zeit eine Währung, in der sie Kinderbetreuung gegen Rasenmähen oder Altenbetreuung gegen Sockenstricken verrechnen.

Schilling macht keinen Hehl daraus, dass mit diesem Tauschring vor allem soziale Probleme bekämpft werden: Die Zersiedelung der ländlichen Region, die Abwanderung der Jungen, eine älter und kleiner werdende Bevölkerung – „es geht darum, persönliche Beziehungen zu stärken und mit Leistungen, die in der Euro-Ökonomie unwirtschaftlich sind, nicht-materielle Werte zu schaffen“.

Eine ganz besonders hübsche Idee ist die Zeitvorsorge, die die Nachbarschaftshilfe ergänzt. Hier können Teilnehmer Altenbetreuungs- und Altenpflege-Stunden leisten und ihre Zeitguthaben (inflationssicher!) anlegen – bis sie dereinst selbst betreut und gepflegt werden müssen. Freilich: Die österreichische – und auch deutsche – Sozialversicherungsgesetzgebung spielt vorerst nicht mit: Sie sieht Dienstverhältnisse vorliegen und wittert Scheinselbstständigkeit. Gernot Jochum-Müller, Unternehmensberater und Obmann der Talente-Genossenschaft, projektiert ein Zeitvorsorgemodell daher gerade in Südtirol – um es beizeiten reimportieren zu können.

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