Dass die Bayern ein besonderes Völkchen sind, zeigt sich allein an der Personalie Hans-Peter Friedrich. Eigentlich hat der Mann als Bundesinnenminister versagt. Bei der Abhöraffäre um die NSA biederte sich Friedrich den Amerikanern an statt von ihnen Aufklärung zu verlangen. Doch der Jurist Friedrich wurde in Naila geboren, einem idyllischen Städtchen an der bayerisch-thüringischen Grenze. Damit ist Friedrich Oberfranke – und als solcher als Quoten-Mann für CSU-Chef Horst Seehofer unverzichtbar. Denn Seehofer wählte seine drei Minister für die neue Bundesregierung weniger nach Kompetenz aus, sondern nach regionaler Herkunft. Und ein Franke darf nicht fehlen. Friedrich kümmert sich im Kabinett Merkel fortan um Kühe und Bauern.
Verlierer dieses unsäglichen Regionalproporzes ist Peter Ramsauer. Der gebürtige Münchener hat seinen Wahlkreis in Traunstein an der deutsch-österreichischen Grenze. Als Direktkandidat gewann er bei der Bundestagswahl im September 63 Prozent der Erststimmen – so viele wie kein anderer Spitzenpolitiker. Auch als Bundesverkehrsminister unterlief ihm kein eklatanter Patzer. Er steuerte bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur gar in Richtung Nachhaltigkeit um, was Experten seit Jahren fordern. Dennoch muss er nun seinen Posten als Bundesverkehrsminister räumen.
Der Regionalproporz der Parteien vernichtet Kompetenz – nicht nur bei der CSU. Auch bei CDU und SPD ging es immer wieder um die Frage, wer woher kommt. Da schickt die NRW-SPD eine bundesweit unbekannte Barbara Hendricks nach Berlin, weil das größte Bundesland im Kabinett sonst nicht von der SPD vertreten gewesen wäre.
Da wird Hermann Gröhe (CDU) auch deshalb Gesundheitsminister, weil er ebenfalls aus dem starken Landesverband NRW stammt – seinen Partei- und Regionalkollegen Laumann Karl-Josef, bisher Fraktionschef der CDU im Landtag, nimmt Gröhe als Parlamentarischen Staatssekretär gleich mit. Weil die konservative Hessen-CDU ganz ohne Ministerposten ausgestattet wurde, wird nun einer von ihren immerhin neuer CDU-Generalsekretär. Peter Tauber, 39 Jahre jung, übernimmt das Amt von Gröhe.
Natürlich bedeutet Regionalproporz nicht immer automatisch, dass die Auserwählten ihren Job nicht auch meistern könnten. Einige Minister wachsen möglicherweise über sich hinaus und gewinnen Profil.
Oppermann musste dem Regionalproporz weichen
Doch im Kern verstehen die Wähler nicht, was einen Oberfranken besser qualifiziert als einen Münchener, oder warum Heiko Maas aus dem Saarland Justizminister wird statt die frühere Justizministerin Brigitte Zypries aus Hessen. Immerhin hat sich Zypries schon mehrere Jahre als frühere Justizministerin profiliert. Maas hingegen konnte auch im dritten Wahlanlauf keine parlamentarische Mehrheit im saarländischen Landtag für die SPD erzielen. Auch Thomas Oppermann (SPD) aus Niedersachsen hätte das Zeug zu einem guten Justizminister. Doch mit Sigmar Gabriel, Ursula von der Leyen und Frank-Walter Steinmeier waren schon drei Niedersachsen als Minister gesetzt (Steinmeier ist zwar im nordrhein-westfälischen Detmold geboren und hat seinen Wahlkreis in Brandenburg, gilt aber parteiintern wegen seiner langjährigen politischen Arbeit in Hannover als Niedersachse). Oppermann musste daher dem Regionalproporz weichen.
Die Niedersachsen dürften sich ohnehin als heimliche Gewinner der Bundestagswahl fühlen. Zählt man zu den Ministern auch die Posten der Parlamentarischen Staatssekretäre und wegen der hohen Bedeutung für die Regierungsarbeit die Fraktionschefs hinzu, dann geht der norddeutsche Flächenstaat eindeutig als Sieger hervor. Niedersachsen stellt 15,4 Prozent der Ämter. Der Bevölkerungsanteil liegt bei knapp zehn Prozent.
Noch mehr jubeln dürften die Saarländer. Sie stellen mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) nicht nur zwei Minister, sondern mit Elke Ferner (SPD) auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Familienministerium. Damit kommt das Saarland auf 5,8 Prozent der Posten. Der Bevölkerungsanteil liegt aber nur bei 1,2 Prozent. Auch Hessen ist gut vertreten - zwar ohne Minister, aber mit vier parlamentarischen Staatssekretären und CDU-General Tauber.
Die bevölkerungsreichen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern kommen in etwa auf die Anzahl von Ämtern, die ihrem Bevölkerungsanteil entsprechen. NRW schafft es dank zahlreicher Leute in der zweiten Reihe auf eine etwas höhere Quote. Absolut gesehen kommt jeder fünfte Minister oder Parlamentarische Staatssekretär aus dem Rheinland oder Westfalen.
Gänzlich leer aus gehen Berlin und Sachsen-Anhalt. Möglicherweise spielt der Stadtstaat im Parteiengeschacher allein deshalb keine Rolle, weil die Bundespolitik in der Hauptstadt zu Hause ist. Und Sachsen-Anhalt wird als eigenständiges Bundesland ja schon seit Jahren in Frage gestellt.