Mit gegensätzlichen Forderungen zum künftigen Rentenniveau heizen Spitzenvertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern die Rentendebatte an. Verdi-Chef Frank Bsirske pochte eindringlich auf ein höheres Absicherungsniveau der Rente. Der einflussreiche Arbeitgeberverband Gesamtmetall warnte hingegen vor einer teuren Rentenreform. „Es kann nicht sein, dass man nach jahrzehntelanger Arbeit mit der Rente nicht anständig über die Runden kommt“, sagte Bsirske der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Der zentrale Stellhebel ist das gesetzliche Rentenniveau. Es muss stabilisiert und dann angehoben werden.“
Natürlich müsse auch das Beitragsniveau angehoben werden. „Die Arbeitgeberverbände und die Versicherungswirtschaft werden dabei aus allen Rohren dagegen schießen“, sagte Bsirske. „Sie profitieren von der aktuellen Lage am meisten.“
Nach der Sommerpause wollen die Gewerkschaften mit Kampagnen Druck für ein höheres Rentenniveau machen. Der DGB will vor dem Bundestagswahlkampf für einen Kurswechsel mobilisieren. Die IG Metall hat bereits im Juli ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander sagte der dpa: „Forderungen der Gewerkschaften nach einem höheren Rentenniveau können eine brandgefährliche Dynamik erzeugen.“
Kapitalbedarf und -verzehr für die Rente ab 60 - der Angestellte
Angestellter, 40 Jahre, zwei Kinder, zahlt seit 15 Jahre in die Deutsche Rentenversicherung
Nettoeinkommen: 3.000 Euro pro Monat (inkl. Kindergeld, Steuerklasse 3)
Das Beispiel zeigt, wie der Angestellte ab dem Renteneintritt mit 60 Jahren seinen angesparten Kapitalstock von 431.000 Euro durch eine Rente in Höhe von 65 Prozent seiner bisherigen Nettoeinkünfte bis zum Alter von 90 Jahren aufzehrt. Dabei gleichen steigende Rentenbeträge die Abnahme der Kaufkraft durch die Inflation aus. Annahmen: eine Verzinsung der Ersparnisse von 3 % nach Steuern und Gebühren in der Rentenphase, eine Inflation von 2 % sowie eine jährliche Erhöhung der gesetzlichen Rente von 1 % .
Quelle: VZ Vermögenszentrum
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 28.270 Euro
entspricht monatlich: 2356 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -28.270 Euro
verbliebener Kapitalstock: 431.000 Euro
Entnahme: -28.270 Euro
Zinseinnahmen: 12.082 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 31.212 Euro
entspricht monatlich: 2601 Euro
Gesetzliche Rente: 16.830 Euro
Lücke: -14.382 Euro
verbliebener Kapitalstock: 373.603 Euro
Entnahme: -14.382 Euro
Zinseinnahmen: 10.777 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 34.461 Euro
entspricht monatlich: 2872 Euro
Gesetzliche Rente: 17.689 Euro
Lücke: -16.722 Euro
verbliebener Kapitalstock: 349.510 Euro
Entnahme: -16.772 Euro
Zinseinnahmen: 9.982 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 38.047 Euro
entspricht monatlich: 3170 Euro
Gesetzliche Rente: 18.591 Euro
Lücke: -19.456 Euro
verbliebener Kapitalstock: 307.899 Euro
Entnahme: -19.456 Euro
Zinseinnahmen: 8.653 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 42.007 Euro
entspricht monatlich: 3500 Euro
Gesetzliche Rente: 19.540 Euro
Lücke: -22.468 Euro
verbliebener Kapitalstock: 244.301 Euro
Entnahme: -22.468 Euro
Zinseinnahmen: 6.655 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 46.380 Euro
entspricht monatlich: 4031 Euro
Gesetzliche Rente: 20.536 Euro
Lücke: -25.843 Euro
verbliebener Kapitalstock: 153.348 Euro
Entnahme: -25.843 Euro
Zinseinnahmen: 3.825 Euro
Bedarf im Jahr (Versorgungsziel): 51.207 Euro
entspricht monatlich: 4267 Euro
Gesetzliche Rente: 21.584 Euro
Lücke: -29.623 Euro
verbliebener Kapitalstock: 28.611 Euro
Entnahme: -29.623 Euro
Zinseinnahmen: -30 Euro
Am Ende des Jahres sind die Ersparnisse aufgebraucht.
Das Rentenniveau bis 2030 bei über 47 Prozent stabil zu halten oder es sogar auf 50 oder 53 Prozent anzuheben, „würde etliche Milliarden kosten“, sagte Zander. „Die Volksparteien werden den Vertrauensverlust nicht durch Rentengeschenke zur Bundestagswahl 2017 ausgleichen können, wenn damit zugleich Staatsfinanzen und Sozialkassen endgültig ruiniert werden.“
Zurzeit liegt das Rentenniveau - das Verhältnis der Rente nach 45 Jahren Arbeit zum Durchschnittseinkommen - bei 47,7 Prozent. Bis 2030 soll es laut Prognosen auf etwas über 44 Prozent sinken. Bei einer „Rolle rückwärts“ weg vom Kurs der Nachhaltigkeit bei der Rente „schießen die Beiträge und Staatsausgaben durch die Decke“, warnte Zander. „Für Investitionen, Bildung und Gesundheit bliebe dann immer weniger übrig.“ Bsirske warnte hingegen davor, dass Millionen Arbeitnehmer auf Hartz-IV-Anspruch im Alter zuliefen. „Das ist ein gefährlicher Sprengsatz“, sagte der Verdi-Chef.
Kapitalbedarf und -verzehr für die Rente ab 60 - der Selbständige
Selbständiger, 40 Jahre, zwei Kinder, fängt jetzt erst mit dem Sparen an
Nettoeinkommen: 5.000 Euro pro Monat (inkl. Kindergeld, Steuerklasse 3)
Das Beispiel zeigt, wie der Selbständige ab dem Renteneintritt mit 60 Jahren seinen angesparten Kapitalstock von 1.266.000 Euro durch eine Rente in Höhe von 65 Prozent seiner bisherigen Nettoeinkünfte bis zum Alter von 90 Jahren aufzehrt. Dabei gleichen steigende Rentenbeträge die Abnahme der Kaufkraft durch die Inflation aus. Annahmen: eine Verzinsung der Ersparnisse von 3 % nach Steuern und Gebühren in der Rentenphase, eine Inflation von 2 %.
Quelle: VZ Vermögenszentrum
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 47.116 Euro
entspricht monatlich: 3926 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -47.116 Euro
verbliebener Kapitalstock: 1.266.000 Euro
Entnahme: -47.116 Euro
Zinseinnahmen: 36.567 Euro
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 52.020 Euro
entspricht monatlich: 4335 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -52.020 Euro
verbliebener Kapitalstock: 1.199.890 Euro
Entnahme: -52.020 Euro
Zinseinnahmen: 34.433
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 57.434 Euro
entspricht monatlich: 4786 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -57.434 Euro
verbliebener Kapitalstock: 1.095.155 Euro
Entnahme: -57.434 Euro
Zinseinnahmen: 31.132
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 63.412 Euro
entspricht monatlich: 5284 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -63.412 Euro
verbliebener Kapitalstock: 943.076 Euro
Entnahme: -63.412 Euro
Zinseinnahmen: 26.390 Euro
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 70.012 Euro
entspricht monatlich: 5834 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -70.012 Euro
verbliebener Kapitalstock: 732.790 Euro
Entnahme: -70.012 Euro
Zinseinnahmen: 19.883 Euro
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 77.299 Euro
entspricht monatlich: 6442 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -77.299 Euro
verbliebener Kapitalstock: 451.491 Euro
Entnahme: -77.299 Euro
Zinseinnahmen: 11.226
Kapitalbedarf im Jahr (Versorgungsziel): 85.345 Euro
entspricht monatlich: 7112 Euro
Gesetzliche Rente: keine
Lücke: -85.345 Euro
verbliebener Kapitalstock: 83.964 Euro
Entnahme: -85.345 Euro
Zinseinnahmen: -41
Der anfängliche Kapitalstock von 1.266.000 Euro ist am Ende des Jahres aufgezehrt.
Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) will im Herbst ein Rentenkonzept vorlegen. Zuvor hat sie für Oktober Spitzenvertreter von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Sozialverbänden zu einem Dialog zur gesetzlichen Rente eingeladen. Derzeit geht es in der Regierung auch hin und her wegen eines Entwurfs von Nahles zur Ost-West-Angleichung bei der Rente. Ungeklärt ist unter anderem, wer die Kosten tragen soll.
Zander räumte „Reformbedarf bei der Rente“ ein. Die gesetzliche Rente sei demografisch unter Druck. „Aber sie ist stabil und zumindest bis 2030 haben wir eine vernünftige Beitragsentwicklung.“ Als „grundsätzlich positiv“ wertete er Reformüberlegungen der Regierung zur Stärkung der Betriebsrenten. „Die Beiträge für Betriebsrenten müssen in größerem Umfang steuer- und abgabenfrei werden als geplant“, forderte Zander allerdings. „Sie sollten auch von Sozialabgaben befreit sein.“