Rente, Steuern, Familie Diese Wahlgeschenke plant die große Koalition

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Wahlkampf ohne Versprechen unmöglich

Andrea Nahles, der zuständigen SPD-Ministerin, sind solche Zahlen natürlich bekannt. Deshalb reagierte sie verhalten auf die neuen Vorschläge. Deutschland aber hat einen Vorgeschmack auf den zweiten Bundestags-Rentenwahlkampf binnen vier Jahren erhalten. Denn ein Wahlkampf ohne Versprechen an die mehr als 20 Millionen Rentner und die vielen, die es bald sein werden, ist undenkbar. Zumal die Erfahrungen aus Mütterrente und abschlagsfreier Frührente ab 63 zeigen: Die Profiteure merken es sofort, während sich die horrenden Kosten in der gewaltigen Maschinerie der Rentenversicherung bestens verschleiern lassen.

Also lässt Seehofer seine bayrische Sozialministerin bis zum Sommer eigene Vorschläge für eine große Rentenreform erarbeiten, die CDU hat flugs den Arbeitnehmer-Vorkämpfer Karl-Josef Laumann sowie dessen Kollegen im CDU-Präsidium, Jens Spahn, mit Ideensammlung beauftragt, und Nahles will bis Herbst ein „Gesamtkonzept“ vorlegen.

Eigentlich wollte die Bundessozialministerin in dieser Legislatur nur noch kleinere Stellschrauben bewegen: die betriebliche Altersvorsorge endlich attraktiver machen und die Lebensleistungsrente für Kleinverdiener ausarbeiten. Doch Seehofer und Gabriel haben nun neue Sehnsüchte geweckt, die wohl gestillt werden müssen.

Es ist eine Mammutaufgabe: Die FDP will 2017 bei den NRW-Landtagswahlen gut abschneiden und wieder in den Bundestag einziehen. Dafür bringt Lindner sie jetzt in Stellung.

4. Familie: Hilfe für die Gestressten

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, die den nächsten Bundestagswahlkampf der Genossen managen muss, bekommt beim Gedanken daran leuchtende Augen, Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) ist sowieso Feuer und Flamme, und sozialdemokratische Strategen im Hintergrund halten das Projekt für eine geniale Idee, um eine wichtige Wählerklientel für die SPD zurückzugewinnen: die Familienarbeitszeit.

Die große Koalition war erst ein paar Wochen jung, als Schwesig das Konzept Ende 2013 erstmals öffentlich ins Spiel brachte. Kanzlerin Merkel kassierte den Vorschlag sofort und rüffelte die Ministerin, weil die Familienarbeitszeit nicht im Koalitionsvertrag verankert war. Seitdem liegt der Plan als SPD-Wahlkampfwunderwaffe in den Schubladen des Familienministeriums – und könnte dort jederzeit rausgezogen werden, auch schon vor 2017.

Am Mittwochabend wollen die Parteichefs von CDU, CSU und SPD eine Reihe wichtiger Vorhaben unter Dach und Fach bringen. Das Arbeitsklima ist allerdings schwierig. Denn es hakt auch zwischen den Unions-Schwesterparteien.

Darum geht es: Wenn beide Elternteile der Kinder wegen gemeinsam bei der Arbeit auf Teilzeit reduzieren, soll der Staat das geringere Einkommen aufstocken. Ein steuerfinanzierter Bonus auf partnerschaftlich geteilte Aufgaben also, ein Anreiz für mehr Gleichberechtigung sowohl im Job als auch in der Familie: Hilfe für gestresste Eltern in der sogenannten „Rushhour des Lebens“ – für Sozialdemokraten klingt das einfach wie ein Traumprojekt.

„Mit ihrem zu frühen Vorstoß hätte Schwesig die Familienarbeitszeit fast verbrannt“, sagt ein führender Genosse. Doch jetzt, meint er, „wäre genau die richtige Zeit, sie rauszuholen“. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat das Konzept bereits durchgerechnet – und kam auf Kosten von rund 320 Millionen Euro jährlich.

Im Vergleich zu den Zahlen, mit denen gerade in der Renten- oder Steuerpolitik jongliert wird, ist das ja beinahe ein Schnäppchen.

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