Röttgen-Rausschmiss „Merkel lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen“

Das kompromisslose Vorgehen der Kanzlerin gegen Norbert Röttgen lässt die CDU nicht los. Viele Christdemokraten fragen sich, ob Merkel mit ihrem Rausschmiss überreagiert hat. Doch es gibt auch Unterstützer für sie.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Merkel mit dem inzwischen entlassenen Röttgen bei einer Wahlveranstaltung in NRW. Quelle: Reuters

Berlin Die Entlassung von Umweltminister Norbert Röttgen durch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der CDU unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Einerseits stößt die Entscheidung Merkels auf harsche Kritik, andererseits erfährt sie auch Rückendeckung.  „Das Vorgehen der Kanzlerin war nicht hart, sondern konsequent“, sagte die CDU-Politikerin und ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld Handelsblatt Online. Röttgen habe mit seiner Weigerung, „sich hundertprozentig hinter seine Aufgabe in NRW zu stellen, mit einem schaumgebremsten Wahlkampf und seinem Versuch, die Kanzlerin in die drohende Niederlage hineinzuziehen den Eindruck vermittelt, er könne tun und lassen , was er wolle“. Er hätte wissen müssen, „dass sich die Kanzlerin nicht auf der Nase herumtanzen lässt“, so Lengsfeld. „Er war wohl doch nicht Muttis Klügster.“

Auch der ehemalige CDU-Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Werner Marnette,  sprach von einem konsequenten „Rausschmiss“ Röttgens: „Parteipolitisch hat er sich durch den Verlust seiner politischen Glaubwürdigkeit selbst ein Bein gestellt“, sagte Marnette Handelsblatt Online. Er sei aber auch „Bauernopfer der Parteichefin“. Da er als Minister fachlich eine Fehlbesetzung gewesen sei, habe sich Merkel für den „sachlich arbeitenden“ Parlamentarischen Geschäftsführer Peter Altmaier als seinen Nachfolger entschieden.

Den  Auslöser für Röttgens Entlassung sieht Marnette aber in der „inszenierten öffentlichen Schelte“ von CSU-Chef Horst Seehofer. Das müsse Merkel hart getroffen haben.  „Ihr dürfte plötzlich bewusst gewesen sein, dass die raue See  sie inzwischen gleichzeitig als Parteichefin und Kanzlerin  erreicht hat.“ Erst stelle sich heraus, dass in Schleswig-Holstein keine Regierung mit der CDU geben werde, dann habe sich auch noch die erwartete Schlappe  der Wahl in Nordrhein-Westfalen zu  einer  „Höchststrafe“ entwickelt. Obwohl Merkel sich in beiden Ländern  als Parteichefin stark engagiert hatte, seien beide Länder verloren gegangen.

Als Kanzlerin habe sie zudem nach der  herben Kritik der Energieversorger und der jüngsten Bundesratsentscheidung zur Solarförderung gespürt, dass die Energiewende  zu scheitern drohe. „Selbst CDU-Länder stellten sich gegen die Bundesregierung“, so Marnette. „Auch durchschauen die  Bürger und die Wirtschaft  zunehmend die Versorgungs- und Preislüge im Energiekonzept.“  Das liege am „katastrophalen Missmanagement“ des Umweltministers.

Kritisch äußerte sich der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Es gäbe „nicht wenige“ in der CDU, die Merkels Entscheidung bedauerten, sagte dem NDR. Politisch könne man sie sicherlich begründen. „Aber nachdem Norbert Röttgen schon wenige Minuten nach der Schließung der Wahllokale die Verantwortung übernommen hat für das Wahldebakel der CDU in NRW und auch sein Amt als Landesvorsitzender sofort zur Verfügung gestellt hat, kam die Entscheidung jetzt doch sehr überraschend.“ Aus der SPD kamen Forderungen nach vorgezogenen Bundestagswahlen, da die schwarz-gelbe Koalition nur noch mit sich selbst beschäftigt sei.


Seehofer lobt Souveränität der Kanzlerin

Merkel hatte am Mittwoch Röttgen entlassen, der als CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen für das historisch schlechte Ergebnis seiner Partei verantwortlich ist. Sein Nachfolger soll der bisherige Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, werden. Für den bisherigen Posten Altmaiers wiederum ist Fraktionsvize Günther Krings nach einem Bericht der „Leipziger Volkszeitung“ Favorit.

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sieht in der Entlassung Röttgens einen weiteren Beleg für die Regierungsunfähigkeit der schwarz-gelben Koalition. „CDU, CSU und FDP beschäftigen sich nur noch mit sich selber“, sagte Kahrs Handelsblatt Online. Merkel sei als Regierungschefin gescheitert. „Deshalb wären jetzt Neuwahlen gut für unser Land.“

Ähnlich äußerten sich die Jungsozialisten. „Frau Merkel will ihre dramatische Lage auf NRW reduzieren“, sagte Juso-Chef Sascha Vogt der „Welt“.  „Dabei ist sie im Bund weit entfernt von einer Mehrheit.“  In dieselbe Kerbe schlug der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. „Norbert Röttgen war ein Bauernopfer, mit dem die Kanzlerin sich selber vor Kritik schützen wollte“, teilte Oppermann mit. „Die Entlassung ihres ehemaligen Vertrauten ist ein Zeichen der Schwäche. Angela Merkel gesteht damit ein, wie schlimm es um die Regierung steht.“

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) lehnte unterdessen eine Mitverantwortung für die Entlassung Röttgens ab. „Das hat die Kanzlerin souverän und selber gemacht“, sagte Seehofer am Donnerstag im oberbayerischen Dießen am Ammersee. Gleichzeitig lobte Seehofer Röttgens Nachfolger Altmaier. „Der macht das, der hat die Kraft und die Kreativität“, sagte er. „Die Energiewende wird einen Schub bekommen“, betonte Seehofer.

Aus Seehofers CSU kam derweil der Vorschlag, ein eigenes Energieministerium einzurichten. „Wenn die Zuständigkeiten bei der Bundesregierung in einer Hand liegen, erreichen wir eine bessere Effizienz in der Energiepolitik“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, den „Lübecker Nachrichten“. Derzeit ist das Politikfeld  bei Umwelt- und Wirtschaftsministerium angesiedelt.

Mit Material von Reuters und dapd

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%