Rot-Rot-Grün Das Lafontaine-Risiko

Mit seiner Warnung vor der „Familie Lafontaine“ befeuert Altkanzler Gerhard Schröder die Debatte um Rot-Rot-Grün im Bund. Die Linke reagiert gereizt – und fordert von der SPD eine Entscheidung. Aber die blockt ab.

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Wegbereiter oder Verhinderer eines rot-rot-grünen Regierungswechsels im Bund? Der Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Saarland, Oskar Lafontaine. Quelle: dpa

Berlin Fast könnte man meinen, die Frage nach einer möglichen linken Regierungskonstellation hätte sich erledigt. So jedenfalls klang es am Wochenende, als sich der frühere SPD-Chef und Altkanzler Gerhard Schröder in die aufkeimende Koalitionsdebatte einschaltete. Er glaube nicht, dass man eine rot-rot-grüne Bundesregierung hinbekomme, „solange die Familie Lafontaine in der Linkspartei tonangebend ist“, sagte Schröder dem „Spiegel“. Die unverhohlene Warnung wirft ein Schlaglicht auf die Rolle Oskar Lafontaines und seiner Ehefrau Sahra Wagenknecht.

Die beiden stehen für den mächtigen linken Flügel der Partei, der sich vor allem aus den westdeutschen Landesverbänden rekrutiert. Auf der anderen Seite stehen die Realos um Fraktionschef Dietmar Bartsch und den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Schröder machte klar, dass die Präferenzen der SPD für einen rot-rot-grünen Regierungswechsel bei den „vernünftigen Leuten“ unter den Linken liegen sollten, etwa bei Ramelow. Wenn er in der Partei das Sagen hätte, dann sei auch ein Linksbündnis machbar, gab Schröder den Genossen mit auf den Weg.

SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz vermeidet indes bislang öffentliche Festlegungen. Wohl auch, weil er sich die rot-rot-grüne Option für die Bundestagswahl offenhalten will. Andere Sozialdemokraten würden lieber heute als morgen die Türe in diese Richtung zuschlagen.

Über Rot-Rot-Grün müsse man nicht reden, solange Wagenknecht „mit der AfD flirtet und die Linke die SPD als Hauptfeind bekämpft“, sagt etwa Johannes Kahrs vom konservativen SPD-Flügel. Im Übrigen kämpfe die SPD darum, stärkste Partei zu werden. „So kriegen wir einen Wechsel hin und Martin Schulz wird Kanzler.“

Dagegen sieht Frank Schwabe, Sprecher der „Denkfabrik“, einem Zirkel junger, linker Sozialdemokraten in der SPD-Bundestagsfraktion, ein Linksbündnis nach wie vor als Option, weil es am Ehesten dafür stehe „das SPD-Versprechen der sozialen Gerechtigkeit auch mit Leben zu füllen“. Doch auch Schwabe sind die Risiken bewusst. Eine rot-rot-grüne Koalition müsse selbstverständlich stabil regieren, sagt er unter Anspielung auf Wagenknecht und Lafontaine. „Ansonsten empfehle ich sich jetzt auf die inhaltliche Zuspitzung der SPD zu konzentrieren und dafür geeignete Vorschläge zu machen.“


Ströbele für klares Grünen-Bekenntnis zu einem Linksbündnis

In der SPD gibt es vor allem bei der Außenpolitik erhebliche Vorbehalte gegen die Linken. Und auch bei den Grünen sehen deshalb manche kaum Chancen für eine Zusammenarbeit im Bund. Als sich Lafontaine und Wagenknecht im vergangenen Jahr in abfälligem Ton zur Nato und der damaligen US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton äußerten, bezeichnete der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, die beiden sogar als „größte Hindernisse für Rot-Rot-Grün“.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele hingegen, forderte seine Partei unter Verweis auf das Debakel bei der Saarland-Wahl auf, sich klar für ein Bündnis mit SPD und Linkspartei im Bund einzusetzen. Er befürworte ein „entschiedenes Eintreten für Rot-Rot-Grün“ sagte er der „Heilbronner Stimme“. „Damit hätte ich kein Problem, da wir diese Koalition auch schon in Berlin und Thüringen praktizieren. Und im linken Lager müssten alle ein Interesse daran haben, dass die Regierungszeit von CDU/CSU ein Ende haben muss.“ Die Grünen hatten mit 4,0 Prozent bei der Saar-Wahl am 26. März den Einzug in den Landtag klar verpasst.

Nach aktuellen Umfragen hätten allerdings weder Rot-Rot-Grün noch ein Ampel-Bündnis (SPD, FDP, Grüne) oder ein Jamaika-Bündnis (Union, FDP und Grüne) eine Mehrheit. Dies sähe anders auch, wenn die AfD wider Erwarten den Sprung in den Bundestag verpasst. Der SPD-Linke und Bundesvize seiner Partei Ralf Stegner hält das für möglich: „Das ist eine der Fragen, die eine ganz wichtige Rolle spielt.“

Die Linke verlangt denn auch von der SPD ein klares Bekenntnis zu Rot-Rot-Grün im Bund. Sie wolle SPD-Chef Martin Schulz gerne abnehmen, dass er es beim Thema soziale Gerechtigkeit „ehrlich meint“, sagte die Spitzenkandidatin der Linken Sahra Wagenknecht dem Handelsblatt. „Nur dann können seine bevorzugten Koalitionspartner unmöglich die CDU/CSU oder die FDP sein. Denn es liegt doch auf der Hand, dass er mit beiden keine sozialeren Regeln am Arbeitsmarkt und auch keine höheren Steuern für Konzerne und Multimillionäre durchsetzen kann.“

Aber vielleicht wiegt der mögliche Einfluss Lafontaines, der mit Wagenknecht verheiratet ist, bei manchen Sozialdemokraten doch noch so schwer, dass ein Linksbündnis eher vermieden werden soll. Da hilft dann wohl auch der Umstand nicht, dass die Reizfigur Lafontaine bei den Linken im Bund keine direkte Rolle mehr spielt. Denn die Warnung von Altkanzler Schröder dürfte auch als versteckter Hinweis darauf zu verstehen sein, dass der Saarländer im Fall eines Linksbündnisses dann doch mit am Kabinettstisch säße. Indirekt, über seine Ehefrau Wagenknecht.

Solche Gedankenspiele lösen in der Linkenspitze allenfalls Kopfschütteln aus. „Diese Debatte um Personen, vor allem um diejenigen, die man nicht mag, ist eine kindische und letztendlich unpolitische Scheindebatte“, sagt Parteichef Bernd Riexinger. Die Linke diskutiere auch nicht, ob ihr der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter lieber wäre als der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir. Und er mahnte die potentiellen Partner: „Wenn die SPD und die Grünen eine Zusammenarbeit mit der Linken ausschließen wollen, dann sollen sie es doch offen sagen – und ihren Wählern erklären, wie sie mit der FDP mehr soziale Gerechtigkeit umsetzen wollen.“ Da sei er aber sehr gespannt.


Wagenknecht kontert Schröder Attacke auf „Familie Lafontaine“

Wagenknecht zeigte sogar ein Stück weit Verständnis für die Schröder-Attacke. „Also ich denke, psychologisch muss man Schröder da verstehen“, sagte sie. Dass Lafontaine 2005 im Bundestagswahlkampf mit der Linken angetreten ist, habe Schröder letztlich die Kanzlerschaft gekostet. „Offensichtlich verbittert ihn das bis heute.“ Mit Schröders Agenda-2010-Politik seien seinerzeit aber „die Wunschlisten der Arbeitgeberverbände abgearbeitet“ worden. Dies habe letztlich dazu geführt, dass sich die SPD nicht mehr nennenswert von der Union unterscheide. „Wer das fortführen will, der muss gegen eine Koalition mit der Linken sein.“

Wagenknecht verwahrte sich zugleich gegen den Hinweis Schröders, dass Rot-Rot-Grün zwar nicht mit der „Familie Lafontaine“, aber etwa mit dem thüringischen Ministerpräsidenten Ramelow möglich sei. Es sei in Koalitionen „nicht üblich, dass sich der eine Koalitionspartner das Personal des anderen aussucht“, sagte sie. „Entweder will die SPD tatsächlich eine sozial gerechtere Politik, dann kommt sie an uns als Partner nicht vorbei, oder sie will einfach nur die Kanzlerschaft und politisch ein Weiter so. Dann wären wir tatsächlich kein geeigneter Partner.“

Linken-Chef Riexinger verwies zudem darauf, dass die Umfragewerte für Rot-Rot-Grün stiegen und damit auch die Wechselstimmung stärker werde. „Gerechte Steuern, gute Arbeit und lebensstandardsichernde Renten, diese Positionen gewinnen an Zustimmung“, sagte er. Entschieden werde aber im Wahllokal und nicht in Umfragen. Die Linke werbe bis dahin weiter für einen Politikwechsel und sage den Bürgern konkret, wie er aussehen solle. „Es ist natürlich schwierig sich für einen Politikwechsel zu erwärmen, wenn SPD und Grüne nicht klar sagen wie dieser aussehen soll, wie er finanziert wird, und mit wem er erreicht werden soll.“

In den Augen der Wähler dürfte wohl auch die Lafontaine-Frage nicht ernsthaft im Vordergrund stehen. Aus Sicht des Berliner Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer greift die Fokussierung auf den einstigen Weggefährten Schröders ohnehin zu kurz. Zwar habe sein Name bei vielen SPD-Funktionären, -Mitgliedern und einigen Anhängern „bestimmt immer noch einen negativen Klang“, sagt er. Aber bei den Deutschen insgesamt liege die Ablehnung der Linkspartei eher an der Tatsache, dass viele, vor allem westdeutsche Wähler, „die Linke immer noch nicht als normale demokratische Partei ansehen und daher eine Koalition prinzipiell ablehnen“. Und das sei eben nicht nur durch die Ansichten der Familie Lafontaine bedingt.

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